Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung und Höhe des Nutzungswerts der Wohnung bei Dauerwohnrecht

 

Leitsatz (NV)

1. Wird ein Dauerwohnrecht an einer Wohnung gegen ein übliches Entgelt bestellt, so ist für eine Zurechnung des Nutzungswerts an den Dauerwohnberechtigten kein Raum, wenn der Dauerwohnberechtigte nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Wohnung ist.

2. Handelt es sich um eine unentgeltliche oder verbilligte Wohnungsüberlassung, ist der Nutzungswert der Wohnung dem Dauerwohnberechtigten nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zuzurechnen, falls er eine gesicherte Rechtsposition innehat; davon ist bei einem im Grundbuch eingetragenen Dauerwohnrecht auszugehen.

3. Auch bei verbilligter Überlassung kann der Dauerwohnberechtigte das Nutzungsentgelt nicht als Werbungskosten abziehen. Von ihm selbst getragener Modernisierungsaufwand ist in dem Verhältnis absetzbar, in dem die Überlassung unentgeltlich ist.

 

Normenkette

EStG 1975 §§ 7b, 9, 21 Abs. 2; EStDV §§ 82a, 82b

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Die Klägerin erwarb durch privatschriftlichen Vertrag vom 5. Januar 1969 von ihrer Mutter ein am 30. November 1972 im Grundbuch eingetragenes Dauerwohnrecht auf unbestimmte Zeit an zuvor gemieteten Räumen, einem von den Klägern errichteten Anbau, durch den sie das Wohnzimmer und den darunter liegenden Kellerraum vergrößert hatten, und an einer von den Klägern errichteten Garage auf einem der Mutter gehörenden, mit einem Dreifamilienhaus bebauten Grundstück. Als Entgelt wurde die bisherige Miete von monatlich 100 DM vereinbart; es wurde auf 120 DM erhöht, als sich die Kläger einen eigenen Telefonanschluß hatten legen lassen. In dem Vertrag ist unter anderem vereinbart, daß die Klägerin alle wirtschaftlichen Nutzungen aus Investitionen und Instandhaltungsarbeiten ziehen dürfe, die sie in den Jahren vor Vertragsabschluß vorgenommen habe oder künftig vornehmen werde, insbesondere auch solche steuerlicher Art. Andererseits sollte sie auch die aus ihnen folgenden Belastungen tragen. Im Jahre 1969 wendeten die Kläger für den Anbau rd. 26 700 DM sowie für die grundlegende Modernisierung der Wohnung 20 100 DM auf. 1973 ließen sie in die nicht mehr betriebsfähige Zentralheizung ihrer Wohnung einen neuen Heizkessel für 1 900 DM einbauen. Für die Anbaukosten nahmen die Kläger die erhöhten Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG), für die Modernisierung nach § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) und für die Heizungserneuerung die Vergünstigung nach § 82b EStDV in Anspruch.

In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 1976 und 1977 rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Klägern den Nutzungswert der vom Dauerwohnrecht erfaßten Wohnung in der Weise zu, daß vom Rohmietwert lediglich die geltend gemachten Schuldzinsen, Versicherungskosten und Reparaturaufwendungen abgezogen wurden. Dagegen lehnte es das FA ab, das Entgelt für das Dauerwohnrecht als Werbungskosten und die geltend gemachten erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG zum Abzug zuzulassen; ebenso wurde die Anwendbarkeit des § 82b EStDV verneint.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machten die Kläger weitere Werbungskosten in Höhe von jährlich 1 822 DM, nämlich als ,,Nutzungsentschädigung" 1 440 DM und Heizungsreparaturkosten von 380 DM, geltend. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, daß den Klägern der Mietwert der vom Dauerwohnrecht betroffenen Räume nicht zuzurechnen sei, andererseits aber auch der Ansatz von Werbungskosten entfalle. Es komme nicht darauf an, ob das Dauerwohnrecht entgeltlich oder unentgeltlich bestellt worden sei. Wenn es sich um eine entgeltliche Überlassung handle, sei kein Nutzungswert anzusetzen. Es sei auch keine Wohnung im eigenen Haus gegeben (§ 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG); wirtschaftliches Eigentum der Klägerin an der Wohnung liege nicht vor, weil das Dauerwohnrecht schon dann ohne angemessene Entschädigung an die Mutter heimfallen könne, wenn ein Rückstand an Nutzungsentschädigung von nur 300 DM (360 DM) entstanden sei. Wenn und soweit die Kläger die ihnen überlassene Wohnung unentgeltlich nutzten, sei auch nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG kein Nutzungswert anzusetzen, da der Anwendung dieser Vorschrift das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG vorgehe.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG. Der Nutzungswert des im Grundbuch eingetragenen Dauerwohnrechts sei gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG bei den Klägern zu erfassen. Denn das Dauerwohnrecht sei unentgeltlich eingeräumt worden. § 12 Nr. 2 EStG sei nicht anzuwenden, weil das Dauerwohnrecht dinglich gesichert worden sei.Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie sind der Ansicht, daß sich, die Richtigkeit der Auffassung des FA unterstellt, am Ergebnis des FG-Urteils nichts ändern würde. Denn auch wenn die Wohnung unentgeltlich überlassen wäre, müßten zugunsten der Kläger erhöhte Absetzungen nach § 82a EStDV und § 7b EStG berücksichtigt werden, so daß der Nutzungswert der Wohnung mindestens im Rahmen des Klagebegehrens zu verringern wäre.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zu Unrecht offengelassen, ob die von dem Dauerwohnrecht betroffene Wohnung entgeltlich oder ganz bzw. teilweise unentgeltlich überlassen wurde.

Das FG hat zutreffend für den Fall einer in voller Höhe entgeltlichen Überlassung die Anwendung des § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG, wonach auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehört, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Juni 1978 VIII R 54/74 (BFHE 125, 535, BStBl II 1979, 332) verneint. Es ist des weiteren mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, daß die Klägerin nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Wohnung geworden ist (vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 22. Oktober 1985 IX R 48/82, BFHE 145, 161, BStBl II 1986, 258), so daß auch unter diesem Gesichtspunkt eine Zurechnung des Nutzungswerts der Wohnung nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG ausscheidet.

Ist jedoch von einer unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung der Wohnung durch die Bestellung des Dauerwohnrechts auszugehen, so hätte das FG, wie das FA zutreffend rügt, den Nutzungswert der vom Dauerwohnrecht betroffenen Räume den Klägern nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zurechnen müssen.

Nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert einer dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung. Eine ,,Überlassung" im Sinne der Vorschrift liegt nach den Urteilen des BFH vom 29. November 1983 VIII R 215/79 (BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366) und VIII R 184/83 (BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371), denen sich der Senat angeschlossen hat, vor, wenn der Nutzende eine gesicherte Rechtsposition inne hat. Davon ist bei einem im Grundbuch eingetragenen Dauerwohnrecht auszugehen.

Es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des FG zu der Frage, ob das Dauerwohnrecht ganz oder teilweise unentgeltlich bestellt wurde.

Liegt eine verbilligte oder unentgeltliche Überlassung vor, ist zu prüfen, ob nicht die von den Klägern geltend gemachten erhöhten Absetzungen abziehbar sind. Der Senat hat in dem Urteil vom 23. Oktober 1984 IX R 48/80 (BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453) ausgesprochen, daß im Rahmen der Besteuerung des Nutzungswerts nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG vom unentgeltlich Nutzenden die Aufwendungen abgezogen werden können, die mit der Nutzung objektiv in Zusammenhang stehen und die er subjektiv zur Förderung der Selbstnutzung macht, was auch für vom Nutzenden getragenen Modernisierungsaufwand zutreffe. Die dort dargelegten Rechtsgrundsätze gelten für eine verbilligte Überlassung entsprechend. Das heißt, ein Abzug der Aufwendungen kommt in dem Verhältnis in Betracht, in dem die Überlassung unentgeltlich ist. Die Sache ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht spruchreif, weil noch der Klärung bedarf, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen vorliegen, und geht deshalb an das FG zurück.

Wenn die Kläger in dem an die Mutter gezahlten Entgelt für das Dauerwohnrecht Werbungskosten sehen, kann ihnen allerdings nicht gefolgt werden; denn die für die Überlassung einer Wohnung entrichtete Gegenleistung gehört zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbaren Lebenshaltungskosten. Sollte es sich um eine Unterhaltsgewährung an die Mutter der Klägerin handeln, ist deren Geltendmachung durch § 12 Nr. 2 EStG ausgeschlossen.

Im Rahmen der erneuten Prüfung des Falles wird das FG auch die Rechtsansicht überprüfen, wonach den Klägern der Nutzungswert der dem Sohn überlassenen Eigentumswohnung in . . . zuzurechnen ist (vgl. noch Urteil in BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414583

BFH/NV 1986, 605

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