Leitsatz (amtlich)

Zollgut kann auch ein andrer als der Gestellungspflichtige erstmals der zollamtlichen Überwachung mit der Folge vorenthalten, daß die Zollschuld in seiner Person entsteht.

 

Normenkette

ZG § 6 Abs. 1 Sätze 1-2, § 57 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; AZO a.F. § 15 Abs. 3-4

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) nahm den Kläger und Revisionskläger (Kläger) durch Steuerbescheid vom 14. April 1972, geändert am 27. Februar 1973, mit Einfuhrumsatzsteuer in Anspruch, weil er am 24. Februar 1972 in drei Koffern 35,466 kg Marihuana eingeführt und der zollamtlichen Überwachung vorenthalten habe. Bevor der Kläger seine Flugreise nach Bangkok angetreten hatte, hatte er einen ihm bekannten Angestellten einer Fluggesellschaft – nach seinen Angaben im Interesse eines gewissen G, den der Kläger angeblich nicht näher kennt – befragt, ob es möglich sei, aus dem Ausland kommendes Gepäck in ein anderes Land weiterzubefördern, ohne daß es den deutschen Zoll berühre, und ob der Bekannte am 24. Februar 1972 auf dem Flughafen sei. Der Bekannte hatte beides bejaht. Nach seiner Rückkunft aus Bangkok übergab der Kläger auf dem Flughafen seinem Bekannten drei Gepäckscheine über Fluggepäck, das mit demselben Flugzeug angekommen war, und bat ihn, die Gepäckstücke nach Kanada weiterzuleiten. Dann ging er mit seinem weiteren Gepäck zur Zollkontrolle. Bei der Kontrolle der drei Gepäckstücke, von denen zumindest eines bereits mit einem Gepäckabschnitt für die Weiterleitung nach Kanada versehen war, wurden insgesamt 35,466 kg Marihuana gefunden.

Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab.

Das FG führte aus, eine Gestellungsbefreiung nach § 15 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) a. F. komme nicht in Betracht, weil das Zollgut umgeladen und mit neu ausgestellten Frachtpapieren versehen worden sei bzw. habe versehen werden sollen. Es sei dadurch der zollamtlichen Überwachung vorenthalten worden, daß die drei Gepäckstücke, statt zuvor zur Zollkontrolle zu gelangen, nach Kanada hätten weiterbefördert werden sollen und zu diesem Zwecke zum Teil bereits neue Gepäckanhänger für die Weiterbeförderung getragen hätten. Schuldner der dadurch entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschuld sei der Kläger, weil er die Weiterbeförderung der drei Gepäckstücke ohne Zollkontrolle veranlaßt habe.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, die drei Gepäckstücke seien nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 AZO a. F. nicht zu gestellen gewesen, weil sie zwar umgeladen, nicht aber mit neu ausgestellten Frachtpapieren versehen worden seien. Gepäckanhänger seien nur in einem Fall angebracht worden, stellten aber keine Frachtpapiere im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 AZO a. F. dar. Auch sei er nicht zur Gestellung verpflichtet gewesen. Bei natürlicher Betrachtungsweise kämen als Einführer nur G in Betracht, der die drei Gepäckstücke in Bangkok als Reisegepäck aufgegeben habe, oder die Veranstalterin des Transports von Bangkok nach Frankfurt oder die Fluggesellschaft, die den Flug als Flugführerin durchgeführt habe und die Eigentümerin und Halterin des betreffenden Flugzeuges sei, oder schließlich die Mitarbeiter dieser Gesellschaft, die die Gepäckstücke bei dem Transport behandelt hätten. Er habe die Gepäckstücke nicht als eigene angesehen und auch gar nicht im eigenen Namen oder auch nur in fremdem Namen befördern lassen wollen und sei daher nicht der für ihre Verbringung in den Bereich der Bundesrepublik Deutschland Verantwortliche. Das FG habe § 6 Abs. 1 Satz 2 ZG verletzt.

Wer nicht zur Gestellung des Zollguts verpflichtet sei, könne es logischerweise auch nicht der „zollamtlichen Überwachung” vorenthalten oder entziehen. Er, der Kläger, habe die Gepäckstücke nicht an sich gebracht, was durch den vorliegenden Sachverhalt auch nicht erwiesen sei.

Das Landgericht habe ihn wegen Beihilfe zu einem Delikt nach dem Betäubungsmißbrauchsgesetz verurteilt, weil er gewußt habe, was sich in den drei Kollern befunden habe. Diese rechtskräftige Feststellung sei aber durch ein Wiederaufnahmegesuch angegriffen worden. Das Landgericht habe keine Veranlassung gehabt, sich mit den Tatbeständen der Allgemeinen Zollordnung auseinanderzusetzen und festzustellen, daß er zur Gestellung verpflichtet gewesen sei. Er habe auch nicht die Weiterbeförderung der drei Gepäckstücke ohne Zollkontrolle in die Wege geleitet. Selbst wenn dies zuträfe, betreffe dies allenfalls die Fälligkeit der Zollschuld, nicht aber die Entstehung der Zollschuld in seiner Person.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, den Steuerbescheid des HZA und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das HZA hält die Voraussetzungen des § 15 AZO a. F. nicht für gegeben, weil das Zollgut nicht im Frachtraum einer lediglich zwischenlandenden Transitmaschine geblieben, also umgeladen worden sei. Ferner hätten keine durchgehenden Beförderungspapiere von Bangkok nach Toronto vorgelegen. Außerdem habe es sich um einfuhrverbotene Ware gehandelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Eine Zollschuld entsteht nach § 57 Abs. 1 ZG, wenn zollpflichtiges Zollgut erstmals der zollamtlichen Überwachung vorenthalten oder entzogen wird. Dies gilt entsprechend für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld für Waren, die der Einfuhrumsatzsteuer unterliegen (§§ 13 Abs. 3, 21 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Drogen sind von der Einfuhrumsatzsteuer nicht befreit und daher einfuhrumsatzsteuerpflichtig.

Die streitigen Drogen wurden durch ihre Einfuhr Zollgut. Nach den insoweit von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des FG wurden sie der zollamtlichen Überwachung erstmals dadurch vorenthalten, daß sie nicht der zuständigen Zollstelle gestellt wurden. Zutreffend hat das FG eine Gestellungsbefreiung bei der Durchfuhr gemäß § 6 Abs. 8 ZG verneint. Nach der hierzu ergangenen Durchführungsbestimmung des § 15 Abs. 3 AZO a. F. ist Zollgut, das im Luftverkehr durchgeführt wird, von der Gestellung befreit, wenn es nicht umgeladen oder zwar umgeladen wird, jedoch keine neuen Frachtpapiere ausgestellt werden und die zollamtliche Überwachung hinsichtlich sämtlicher Beförderungspapiere bei dem sonst zur Gestellung Verpflichteten sichergestellt ist. Diese Befreiung gilt jedoch nach § 6 Abs. 8 Nr. 1 ZG, § 15 Abs. 5 AZO a. F. nicht, soweit Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze entgegenstehen. Da Marihuana unter das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln i. d. F. vom 10. Januar 1972 (BGBl I 1972, 1) fällt und seine Ein- und Durchfuhr nach der Verordnung über die Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr von Betäubungsmitteln vom 1. April 1930 (RGBl I 1930, 114, BGBl I 1960, 772i Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung SV 06 18) verboten ist, scheidet schon deshalb eine Gestellungsbefreiung aus.

Abgabenschuldner ist nach § 57 Abs. 2 ZG, wer erstmals Zollgut der zollamtlichen Überwachung vorenthält oder entzieht. Zutreffend hat das FG den Kläger deshalb als Abgabenschuldner angesehen, weil er die Weiterbeförderung der drei Gepäckstücke ohne Zollkontrolle veranlaßt hat. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es hierbei nicht darauf an, wer die Ware in das Zollgebiet gebracht hat oder hierfür verantwortlich und dadurch zur Gestellung der Ware verpflichtet ist (§ 6 Abs. 1 Satz 2 ZG). Denn auch ein anderer als der Gestellungspflichtige kann erstmals und ggf. vor einer Verletzung der Gestellungspflicht durch den Gestellungspflichtigen Zollgut der zollamtlichen Überwachung vorenthalten, z. B. ein Dieb (s. Schwarz-Wockenfoth-Rahn, Zollgesetz, Anm. 12 zu § 57). Entgegen der Ansicht des Klägers ist es auch nicht Voraussetzung für den Tatbestand des § 57 Abs. 2 Satz 1 ZG, daß derjenige, der Zollgut der zollamtlichen Überwachung vorenthält, dieses an sich bringt. Es genügt, daß er bewirkt, daß die Ware die für sie vorgesehene Zollkontrolle nicht durchläuft.

Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger die Weiterbeförderung der drei Gepäckstücke ohne Zollkontrolle veranlaßt, indem er die Gepäckanhänger seinem bei einer Fluggesellschaft angestellten Bekannten nach seiner Ankunft am Flughafen übergab und diesen bat, die Gepäckstücke nach Kanada weiterzuleiten. Dadurch hat er bewirkt, daß die Gepäckstücke der Zollkontrolle für nicht von der Gestellung befreites Durchfuhrgut vorenthalten wurden. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, ob und an welchen Gepäckstücken bereits neue Gepäckanhänger angebracht waren, als sie bei einer anderen Zollkontrolle untersucht wurden. Denn das Vorenthalten war bereits dadurch bewirkt, daß der Kläger die Gepäckscheine mit der Bitte um Weiterleitung des Gepäcks an den Bekannten übergeben und er selbst sich zur Reisenden-Zollkontrolle begeben hatte. Dies ergibt sich aus den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des FG. Eine Verletzung der vom Kläger gerügten Vorschriften liegt nicht vor. Daher war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510557

BFHE 1978, 204

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