Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Wohnfläche für den Ansatz der Kostenmiete

 

Leitsatz (NV)

1. Bei der Berechnung der Wohnfläche, nach der sich bestimmt, ob bei der Ermittlung der für die Höhe des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus (§21 Abs. 2 EStG) maßgeblichen Rohmiete die Marktmiete oder -- wegen Überschreitens der 250 qm-Grenze -- die Kostenmiete anzusetzen ist, sind Balkone stets mit der Hälfte ihrer Grundfläche zu berücksichtigen.

2. Ob die Voraussetzungen für die Anwendung einer Übergangsregelung der Finanzverwaltung erfüllt sind, ist in dem Revisionsverfahren, das allein die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung betrifft, nicht zu überprüfen.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 163, 227; EStG § 21 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eigentümer eines Zweifamilienhauses, das eine von ihnen selbstgenutzte Wohnung, eine vom Vater der Klägerin genutzte Einleigerwohnung und einen als Arztpraxis genutzten Teil enthält. Die Wohnfläche der selbstgenutzten Hauptwohnung beträgt nach der Berechnung des Architekten 251,69 qm. Darin ist die Balkonfläche zu einem Viertel berücksichtigt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) setzte bei der Ermittlung des Nutzungswerts nach §21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Mietwert die Kostenmiete an. Das Finanzgericht (FG) wies mit Rücksicht auf das Senatsurteil vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 (BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98) die Klage ab, weil die Wohnfläche der selbstgenutzten Wohnung mehr als 250 qm betrage.

Die Kläger haben verspätet Revision eingelegt. Sie beantragen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und machen ein entschuldbares Büroversehen geltend. Dazu hat der Berater Kopien des Posteingangsbuchs und des Fristenkontrollbuchs vorgelegt sowie die Praxis der Fristenüberwachung und -prüfung in seiner Kanzlei näher dargelegt.

In der Sache rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Vorentscheidung verstoße gegen §76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FG), weil das FG nicht die Tatsache gewürdigt habe, daß es sich nach Auffassung der Kläger bei der Grenze von 250 qm um keine absolute Festgrenze handele. Für "Altfälle" müsse diese Grenze zur Disposition stehen. Das FG habe auch die Frage nicht geklärt, warum die Kann-Vorschrift des §44 Abs. 2 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BVO) zu Lasten des Steuerpflichtigen anzuwenden sei. Zudem habe das FG unter Verstoß gegen §76 Abs. 1 FGO von seiner eigenständigen Schätzungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht. Die Vorentscheidung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Kläger hätten bei der Genehmigung der Flächenberechnung des Architekten im Jahre 1982 die steuerrechtlichen Konsequenzen, die sich daraus 1993 ergeben könnten, nicht vorhersehen können. Die Übertragung der neuen Rechtsprechung auf den Streitfall sei unbillig.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Den Klägern ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil nach den substantiierten Darlegungen des Prozeßbevollmächtigten von einem entschuldbaren Büroversehen auszugehen ist (§56 FGO).

Die Revision ist jedoch unbegründet.

1. Die von den Klägern erhobene Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Der Senat sieht insoweit gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer weiteren Begründung ab.

2. Das FG hat zutreffend bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung der Kläger gemäß §21 Abs. 2 EStG als Mietwert die Kostenmiete angesetzt, weil die Wohnfläche mehr als 250 qm beträgt (vgl. Senatsurteil in BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98). Die insoweit maßgebende Wohnfläche beträgt im Streitfall 257,24 qm und ist damit größer als die vom FG zugrunde gelegte Fläche (251,69 qm), weil die -- bisher nur zu einem Viertel berücksichtigte -- Fläche des Balkons (insgesamt 22,2 qm) zur Hälfte anzusetzen ist (Senatsurteil vom 9. September 1997 IX R 52/94, BStBl II 1997, 818, 820). Entgegen der Auffassung der Revision führt das Wahlrecht nach §44 Abs. 2 II. BVO nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Bei der entsprechenden Anwendung der Vorschriften der II. BVO zur Ermittlung der privatgenutzten Wohnfläche sind Balkone stets mit der Hälfte ihrer Grundfläche zu berücksichtigen. Dies kann sich -- je nach Sachlage -- sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirken. Im Interesse der Praktikabilität ist für die Flächenberechnung keine weitere Differenzierung vorzunehmen. Die nach der II. BVO vorgesehenen Wahlrechte bleiben unberücksichtigt, weil der mit der 250-qm- Grenze bezweckte Vereinfachungszweck es erfordert, für die Prüfung leicht festzustellende objektive Merkmale zugrunde zu legen (Senatsurteil in BStBl II 1997, 818, 820).

3. Soweit die Kläger sich auf Vertrauensschutz berufen und die Anwendung der neueren Senatsrechtsprechung für unbillig halten, sind diese Einwendungen im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen. Allerdings hat das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 20. Februar 1995 IV B 3 -- S 2253 -- 11/95 (BStBl I 1995, 150) angeordnet, daß die Grundsätze der neueren Senatsrechtsprechung erst ab Veranlagungszeitraum 1995 anzuwenden seien, soweit sie zu einer Verschärfung der Besteuerung gegenüber der bisher geltenden Verwaltungspraxis führten. Ob im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Übergangsregelung erfüllt sind, ist in diesem Revisionsverfahren, das allein die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung betrifft, nicht zu überprüfen. Billigkeitsmaßnahmen (§§163, 227 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) aufgrund einer Übergangsregelung und die gesetzliche Steuerfestsetzung bilden jeweils in getrennten Verfahren ergehende selbständige Verwaltungsakte (ständige Rechtsprechung; Senatsurteil vom 26. Februar 1991 IX R 95/88, BFHE 163, 562, 566, BStBl II 1991, 572).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67096

BFH/NV 1998, 700

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