Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für Studium der Zahnmedizin als vorab entstandene Werbungskosten

 

Leitsatz (NV)

Die Aufwendungen eines Humanmediziners, der Kieferchirurg werden will, für das Studium der Zahnmedizin können dann vorab entstandene Werbungskosten sein, wenn sie in einem konkreten und engen Zusammenhang mit den Einkünften aus einer ärztlichen Tätigkeit stehen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) begann im Streitjahr 1989 mit dem Studium der Zahnmedizin, um Kieferchirurg zu werden. Er hatte zuvor das Studium der Humanmedizin erfolgreich abgeschlossen. Er arbeitete im Streitjahr zunächst als Krankenpfleger. Seit 1990 ist er nebenberuflich als Arzt tätig.

Der Kläger machte seine Aufwendungen für das Studium als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erkannte 900 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, das Zahnmedizinstudium des Klägers gehöre zum Erststudium, da der Kläger es unmittelbar nach dem Abschluß des Humanmedizinstudiums begonnen habe, ohne vorher als Arzt tätig gewesen zu sein. Es stelle sich als Teil einer einheitlichen Ausbildung zum Kieferchirurgen dar.

Der Kläger stützt seine Revision auf eine Verletzung des § 9 EStG und macht geltend, das angefochtene Urteil weiche von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Mai 1992 VI R 134/88 (BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965) ab. In jenem Fall habe der BFH gerade nicht entscheidend darauf abgestellt, ob der dortige Kläger zuvor bereits zwei Jahre als Humanmediziner tätig gewesen sei.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es ist der Auffassung, im Streitfall lägen deshalb Ausbildungskosten vor, weil der Kläger zuvor nicht den Beruf als Arzt ausgeübt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind die Aufwendungen des Klägers für das Studium der Zahnmedizin nicht als Berufsausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7, 1. Alternative EStG zu beurteilen. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz reichen jedoch nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob es sich bei den Aufwendungen des Klägers für das Zweitstudium um in vollem Um fang abziehbare, vorab entstandene Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG oder um Aufwendungen für die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7, 2. Alternative EStG handelt, die nur bis zu einem Betrag von 900 DM abgezogen werden können.

1. Der Senat hat mit Urteil in BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965 entschieden, daß die Aufwendungen eines approbierten Humanmediziners für das Studium der Zahnmedizin mit dem Ziel, Mund-Kiefer- Gesichts-Chirurg zu werden, Fortbildungskosten sind. Für die Beurteilung des Zweitstudiums als Fortbildung und nicht als Berufsausbildung war entscheidungserheblich, daß wegen der Anrechnung von Prüfungen und wegen der Nützlichkeit der im Erststudium erworbenen Kenntnisse das Zweitstudium den Charakter eines Aufbaustudiums hatte. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß sich an den rechtlichen oder tatsächlichen Voraus setzungen für die Anrechnung von Prüfungen und an der Nützlichkeit der Kenntnisse aus dem Erststudium zwischenzeitlich etwas geändert hätte. Dies rechtfertigt es, die Aufwendungen des Klägers für das Studium der Zahnmedizin mit dem unstreitigen Ziel, Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurg zu werden, im Streitfall ebenfalls als Kosten der Fortbildung oder Weiterbildung in seinem Beruf als Humanmediziner zu beurteilen.

2. Der Streitfall unterscheidet sich jedoch von dem Sachverhalt, der dem Urteil in BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965 zugrunde gelegen hat, dadurch, daß dort der Kläger bereits bei Beginn des Zweitstudiums als Arzt tätig war und aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit er zielte. Demgegenüber hat der Kläger im Streitjahr keine Einkünfte aus einer Tätigkeit als Arzt erzielt. Er war lediglich als Krankenpfleger tätig. Gegenüber der Tätigkeit als Krankenpfleger kann ein Zweitstudium an einer Hochschule nicht als Fortbildung oder Weiterbildung, sondern nur als Berufsausbildung beurteilt werden. Deshalb ist entscheidungserheblich, ob im Streitfall einem Abzug der Aufwendungen für das Zweitstudium als Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG die in § 10 Abs. 1 Nr. 7, 2. Alternative EStG getroffene Regelung entgegensteht. Danach sind die Aufwendungen für die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf ebenso wie die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung nur mit einem Betrag bis zu 900 DM im Jahr abziehbar.

In dem Urteil vom 14. Februar 1992 VI R 69/90 (BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961) hat der Senat die Aufwendungen eines hauptamtlichen B-Schein-Kirchenmusikers für ein zweites Hochschulstudium mit dem Ziel, das A-Examen zu machen, in vollem Umfang als Werbungskosten berücksichtigt, obwohl der Kläger das Zweitstudium bereits einige Monate vor Aufnahme seiner Berufstätigkeit als Kirchenmusiker begonnen hatte. Er hat entschieden, daß bei abgeschlossener Berufsausbildung vor Aufnahme der Berufstätigkeit Fortbildungskosten in Form von vorab entstandenen Werbungskosten und nicht Aufwendungen für die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf (§ 10 Abs. 1 Nr. 7, 2. Alternative EStG) vorliegen können. Der Senat hatte im konkreten Fall die stillschweigende Annahme des FG, es seien vorab entstandene Werbungskosten zu bejahen, wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Beginn des Aufbaustudiums und der Aufnahme der Berufstätigkeit revisionsrechtlich nicht beanstandet (BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961, 962).

Im Streitfall hat das FG -- von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht -- keine Feststellungen darüber getroffen, ob der für die Anerkennung von vorab entstandenen Werbungskosten erforderliche, hinreichend konkrete Zusammenhang zwischen den Aufwendungen des Klägers für das Zweitstudium und seiner Tätigkeit als Humanmediziner bestanden hat. Der Umstand, daß der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz im Folgejahr Einkünfte aus einer Tätigkeit als Arzt erzielt hat, deutet auf einen hinreichend konkreten und engen Zusammenhang der Aufwendungen für das Zweitstudium mit der Tätigkeit als Arzt hin. Das FG wird dies aber im zweiten Rechtsgang abschließend zu entscheiden haben.

3. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang die Kosten des Zweitstudiums dem Grunde nach als Werbungskosten beurteilen, so wird der Höhe nach ein Abzug der geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht in Betracht kommen. Zum einen stellen die Fahrten zur Universität keine Dienstreisen dar, so daß die entsprechenden Regelungen der Lohnsteuer-Richt linien über Verpflegungsmehraufwendungen nicht unmittelbar einschlägig sind. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß der Kläger, der täglich in seine Wohnung zurückgekehrt ist, während seines Studiums an der Universität dort den gleichen Verpflegungsbedingungen unterworfen gewesen ist wie Arbeitnehmer, die dort dauerhaft beschäftigt sind und denen keine Mehraufwendungen für Verpflegung als Werbungskosten zustehen. Die Anerkennung eines Verpflegungsmehraufwandes würde deshalb nach den in dem Urteil vom 18. Februar 1994 VI R 65/92 (BFHE 174, 69, BStBl II 1994, 532) aufgestellten Grundsätzen zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420424

BFH/NV 1995, 594

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