Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, daß der Zinssatz einer Hypothekenforderung nicht unerheblich unter dem üblichen Zinssatz liegt, kann eine niedrigere Bewertung der Forderung als mit ihrem Nennwert jedenfalls dann rechtfertigen, wenn durch Kündigungsbeschränkungen die Realisierbarkeit der Forderung für längere Zeit eingeschränkt oder ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

BewG § 14 Abs. 1, § 12/1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer ist Bauer und Eigentümer eines landwirtschaftliches Anwesen in X. Das Finanzamt hat ihn zur Vermögensabgabe herangezogen und die vierteljährlichen Vorauszahlungen zur Vermögensabgabe auf 507 DM bemessen. Es hat seiner Berechnung ein abgabepflichtiges Vermögen im Gesamtbetrage von 76.800 DM zugrunde gelegt, wovon rund 21.450 DM auf land- und forstwirtschaftliches Vermögen, der Rest in Höhe von rund 55.350 DM auf das sonstige Vermögen entfielen, so daß nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für die Berechnung der vierteljährlichen Vorauszahlungen von einem Abgabesatz im gewogenen Mittel von 1,5% auszugehen war.

Der Bf. legte gegen den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamtes Beschwerde ein und brachte darin zum Ausdruck, daß ihm zwar die auf sein Vermögen entfallende Vermögensabgabe in Höhe von 38.400 DM erklärlich sei, daß er aber in Wirklichkeit nach den Berechnungen des Finanzamts viel mehr, nämlich einschließlich der bereits gezahlten Soforthilfeabgabe 59.356 DM zu entrichten habe. Rechne er dazu noch die Vermögensteuer für diesen Zeitraum hinzu, so verblieben ihm von seinem Gesamtvermögen nur noch 8.952 DM. Er glaube nicht, daß eine derartige Besteuerung im Sinne des Gesetzes liege, zumal die Höhe der Abgabe wesentlich von einer zu seinem Vermögen gehörigen Hypothekenforderung im Betrage von 47.599 DM beeinflußt werde, deren Zinssatz jährlich nur 3 v. H. betrage und die überdies in der Zeit des Nationalsozialismus für unkündbar erklärt worden sei.

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Oberfinanzdirektion wies in ihrer ablehnenden Beschwerdeentscheidung darauf hin, daß die Vorauszahlung den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend festgesetzt worden sei. Nach § 21 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) unterliege nämlich der Vermögensabgabe das am 21. Juni 1948 vorhandene Vermögen, das nach den bei der Vermögensteuer für die Ermittlung des Gesamtvermögens maßgeblichen Vorschriften zu errechnen sei. Durch Vermögensteuerbescheid vom 9. Oktober 1953 sei dieses im Streitfall auf 76.800 DM rechtskräftig festgestellt worden.

Auch die vom Bf. mit im wesentlichen gleichlautender Begründung erhobene Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Das Finanzgericht hat sich in seiner Entscheidung im wesentlichen nur mit den Angriffen befaßt, die der Bf. gegen die Höhe der Steuer richtet. Es erblickt darin nichts anderes als eine Kritik an der Höhe des gesetzlichen Steuersatzes, auf die es sich aber nicht einlassen zu können glaubt, weil sowohl die Verwaltungsbehörden als auch die Gerichte an den bezüglich der Abgabensätze völlig eindeutigen Wortlaut des LAG gebunden seien. Insoweit ist der Vorentscheidung unbedenklich beizupflichten.

Wenn aber das Finanzgericht im übrigen in seiner Entscheidung zum Ausdruck bringt, der Bf. wolle selbst nicht bestreiten, daß die Höhe des abgabepflichtigen Vermögens richtig berechnet sei, so muß diese Feststellung Bedenken begegnen. Es soll nicht verkannt werden, daß das vom Bf. als einem Laien formulierte rechtliche Vorbringen in vieler Hinsicht ungeschickt gefaßt ist. Immerhin läßt sich aus den Ausführungen des Bf. doch soviel entnehmen, daß ihm die Anwendung der gesetzlichen Abgabensätze besonders deshalb ungerechtfertigt erscheint, weil sie u. a. auf eine Hypothekenforderung angewendet werden sollen, die wegen ihrer besonderen Bedingungen hinsichtlich Kündbarkeit und Verzinsung die Erfüllung der gesetzlichen Abgabepflicht bei Ansatz des vollen Nennwerts der Forderung nach Ansicht des Bf. untragbar erscheinen läßt. Damit ist aber, wenn nicht ausdrücklich, so doch dem Sinne nach auch die Frage aufgeworfen, ob eine solche Hypothek überhaupt als normale Forderung mit dem vollen Nennwert bewertet werden kann. Daß zum mindesten die Oberfinanzdirektion diese Frage erkannt hat, ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom 24. Februar 1954, in dem sie allerdings erklärt hat, die Verzinsung mit 3 v. H. müsse als normal angesehen werden, zumal es sich bei dem Hypothekenschuldner um den Bruder des Bf. handle. In ihrer vorangegangenen Beschwerdeentscheidung war auch die Oberfinanzdirektion auf diese Frage eingegangen, und zwar offenbar deshalb, weil sie damals die Auffassung vertrat, die Vermögensermittlung bei der Vermögensteuer sei auch für die Vermögensermittlung beim Lastenausgleich bindend und deshalb seien die bei der Vermögensteuer zum Ansatz gebrachten Werte ohne änderung auch bei der Berechnung der Vermögensabgabe zu übernehmen.

Daß die letzterwähnte Ansicht nicht richtig ist, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes selbst. Denn Nach § 21 Abs. 1 LAG sind für die Berechnung des abgabepflichtigen Vermögens zwar die für die Vermögensteuer (Hauptveranlagung 1949) maßgeblichen Vorschriften anzuwenden, nicht aber sind die bei der Vermögensteuerveranlagung zugrunde gelegten Wertansätze für die Bemessung der Vermögensabgabe bindend.

Wenn im übrigen die Oberfinanzdirektion in dem genannten Schriftsatz vom 24. Februar 1954 die Meinung vertritt, die Verzinsung der Hypothek mit 3 v. H. müsse im Streitfall als normal angesehen werden, so vermag der Senat auch insoweit ihren Ausführungen nicht zu folgen. Denn nach der derzeitigen, schon z. Zt. der Währungsumstellung bestehenden Kapitalmarktlage sind hypothekarisch gesicherte Kredite normalerweise nicht unter einem Zinssatz von 5 bis 6 v. H. zu erhalten. Abgesehen davon geht auch das Bewertungsgesetz (BewG) in der 1948 geltenden Fassung von einem Durchschnittszinssatz von 5,5 v. H. aus, wie sich aus § 14 Abs. 3 und aus § 15 Abs. 1 BewG ergibt. Obwohl gewisse, in ihrem Ausmaß nicht allzu beträchtliche Abweichungen vom Durchschnittszinssatz im allgemeinen als unschädlich zu betrachten sind und den Ansatz des Nennwerts der fraglichen Forderung nicht hindern, wobei über das zulässige Ausmaß der Zinsabweichung Zweifel bestehen können, so darf doch eine derartige Abweichung wie im Streitfalle, die fast die Hälfte des durchschnittlichen Zinssatzes erreicht, bei der Bewertung der umstrittenen Forderung nicht außer acht gelassen werden. Dabei ist es, wenn nicht weitere, besondere Umstände vorliegen, unerheblich, daß es sich im Streitfalle um eine Forderung unter Verwandten handelt. Berücksichtigt man weiter, daß die wertmindernde Auswirkung, die ein so geringer Zinssatz ohnehin auf die Verwertbarkeit der Hypothek haben muß, im vorliegenden Falle durch die bisher seitens der Verwaltung nicht angezweifelte Unkündbarkeit der Hypothek noch erheblich verstärkt wird, so ergibt sich, daß eine Veräußerung der Hypothek auf große Schwierigkeiten stoßen würde und daß die Verwertung der Forderung zum Nennwert als kaum möglich bezeichnet werden muß.

Da somit besondere Umstände vorliegen, die den Ansatz eines geringeren Wertes wohl begründet erscheinen lassen, hätten die Vorbehörden nicht ohne Prüfung den Nennwert der Forderung in Ansatz bringen dürfen (ß 14 Abs. 1 BewG). Dies gilt auch für das Finanzgericht, das, selbst wenn es die Ausführungen des Bf. vornehmlich auf andere Ziele gerichtet glaubte, zumindest durch Ausübung des Fragerechts hätte klarstellen müssen, ob der Bf. nicht außer dem Angriff auf die Höhe des Abgabensatzes zugleich auch einen niedrigeren Wertansatz der Hypothekenforderung anstrebe.

Da die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts und die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion auf diese Fragen nicht eingegangen sind, zum Teil auch ihre rechtliche Bedeutung für den Streitfall verkannt haben, unterlagen sie der Aufhebung. Die Sache geht zur nochmaligen Entscheidung an das Finanzamt zurück, welches die Richtigkeit der Angaben des Bf. zu prüfen und gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 14 Abs. 1 BewG den Wert der fraglichen Hypothekenforderung abweichend vom Nennwert festzustellen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408351

BStBl III 1956, 49

BFHE 1956, 130

BFHE 62, 130

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