Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Frage, ob beim Tausch von Beteiligungen von einer Gewinnverwirklichung abgesehen werden kann, weil die hingegebenen und eingetauschten Anteile wirtschaftlich identisch sind, ist zur Bejahung der Gleichartigkeit nicht erforderlich, daß die getauschten Anteile an der gleichen Gesellschaft bestehen.

Es spricht für die Funktionsgleichheit von Beteiligungen, wenn die Gesellschaften, deren Anteile getauscht worden sind, der gleichen Branche angehören.

Auch wenn eine Schachtelbeteiligung gegen eine geringere Beteiligung an einer anderen Gesellschaft getauscht wird, ist Funktionsgleichheit zu bejahen, wenn nach dem Gesamtbild die Einflußnahme in der neuen Form dem sich aus der früheren Beteiligung ergebenden Einfluß vergleichbar ist.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1; EStG § § 5, 6/1/1, § 6/1/2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Tausch von Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften zu einer Realisierung der in den Buchwerten der hingegebenen Anteile enthaltenen stillen Reserven führt.

Die Bfin. ist eine AG; sie befaßt sich mit der Herstellung von Glas. Zum 31. Dezember 1959 war die Bfin. mit 25,39 % an der B-AG beteiligt, die sich in der Hauptsache mit der Herstellung von Drahtglas usw. befaßt. Die Aktien dieser Gesellschaft standen bei der Bfin. per 31. Dezember 1959 mit 8 000 000 DM zu Buch. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Bfin. war Mitglied des Aufsichtsrats der B-AG. Im Jahre 1960 gab die Bfin. ihre Beteiligung an der B- AG an die C-Company, USA, ab. Diese Firma befaßt sich wie die B- AG mit der Produktion von Glas. Nominal 1 000 000 DM Aktien mit einem Buchwert von 3 000 000 DM wurden zum Kurse von 500 % verkauft. Der Gewinn hieraus wurde ordnungsmäßig versteuert. Weitere nominal 3 000 000 DM Aktien mit einem Buchwert von 5 500 000 DM wurden gegen 34 000 Stück Aktien der C-Company im Nennwert von insgesamt 200 000 Dollar unter Zugrundelegung der jeweiligen Kurswerte eines bestimmten Tages eingetauscht. Hinsichtlich dieses Teils sah die Bfin. von einer entsprechenden Gewinnverwirklichung ab und übertrug die insoweit in dem Aktienpaket der B-AG ruhenden stillen Reserven auf die eingetauschten C-Aktien. Da die C-Company vorher bereits von X, dem Großaktionär der B-AG, einen Teil der B-Aktien erhalten hatte, besaß die amerikanische Firma nach dem Aktienerwerb von der Bfin. nunmehr die Aktienmehrheit an der B-AG. Die Bfin. erwarb ihrerseits durch dieses Geschäft eine Beteiligung von 3 bis 4 % an dem gesamten Aktienkapital der amerikanischen Gesellschaft. Außerdem wurde der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Bfin. in den Aufsichtsrat der C-Company gewählt, während die Aufsichtsratsvorsitzende der Bfin. aus dem Aufsichtsrat der B-AG ausschied.

Das Finanzamt erkannte bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1960 die übertragung der stillen Reserven auf die erworbenen C- Aktien nicht an und zog den Veräußerungsgewinn aus dem Aktientausch abzüglich der darauf entfallenden Gewerbesteuerbelastung zur Besteuerung mit heran.

Die Bfin. ist der Ansicht, daß nach den Grundsätzen des Gutachtens des Bundesfinanzhofs I D 1/57 S vom 16. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 30, Slg. Bd. 68 S. 78) im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine übertragung der stillen Reserven auf die eingetauschten Aktien gegeben seien. Bei wirtschaftlicher Betrachtung seien die hingegebenen und die eingetauschten Anteile identisch, da sie gleichwertig, gleichartig und funktionsgleich seien.

Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führt u. a. aus, beim Tausch von Wirtschaftsgütern trete grundsätzlich Gewinnrealisierung ein. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz im Sinne des Gutachtens des Bundesfinanzhofs I D 1/57 S liege nicht vor; die getauschten Anteile seien zwar gleichwertig, aber nicht artgleich, da die Betriebsvermögen, die durch die Wertpapiere repräsentiert werden, völlig verschieden seien. In diesem Zusammenhang gewinne auch die Tatsache an Bedeutung, daß es sich bei den im Tauschwege erworbenen Anteilsrechten um solche einer ausländischen Gesellschaft handele. Dieser Auffassung stehe auch nicht entgegen, daß die Bfin. über ihre Anteile an der amerikanischen Gesellschaft und über ihren Sitz im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft, die zudem die Aktienmehrheit an der B-AG besitze, mittelbar doch den gleich hohen Einfluß auf die B-AG ausüben könne. Es fehle aber auch an der Funktionsgleichheit; die erworbenen Anteile an der amerikanischen Gesellschaft erfüllten zwar die gleiche betriebliche Funktion wie die hingegebenen B- Aktien. Diese Funktion der Kapitalanlage reiche aber selbst beim Vorliegen der Funktionsgleichheit allein nicht aus, um die wirtschaftliche Nämlichkeit der getauschten Anteilsrechte annehmen zu können. Der Sinn und Zweck eines solchen Anteilsbesitzes bestehe grundsätzlich in der Anlage zur Zeit nicht gebrauchter Betriebsmittel und in der Möglichkeit kurzfristiger Verwertung. Geschehe diese Verwertung dann im Wege des Tausches, so erfülle dieser Anteilsbesitz beim Tausch nicht weniger seine betriebliche Funktion als im Falle der Veräußerung. Da der eingetauschte Anteil ein völlig anderes Betriebsvermögen repräsentiere als der hingegebene Anteil und der Eintausch des hingegebenen Anteils im Rahmen seiner Zweckbestimmung liege, bestehe keine Veranlassung, den Tausch anders als die Veräußerung zu behandeln. Bei Kaufleuten, zumindest aber bei Kapitalgesellschaften, müsse mit dem Erwerb und dem Besitz von Anteilen an Kapitalgesellschaften ein besonderer betrieblicher Zweck, der sich nicht in der bloßen Kapitalanlage erschöpfe, verbunden sein (z. B. Einflußnahme auf die Gesellschaft, Belieferung von Waren usw.), um von einer betrieblichen Funktion der Anteilsrechte und damit beim Tausch von Anteilsrechten von einer Funktionsgleichheit sprechen zu können. Zudem habe die Beteiligung an der amerikanischen Gesellschaft nicht den gleichen Zweck der günstigen Kapitalanlage erfüllt, denn nach dem eigenen Vorbringen der Bfin. seien die Kurse der C-Aktien erheblich gefallen, während die der B-Aktien fast konstant geblieben seien. Es sei auch von Bedeutung, daß die Bfin. durch die Abgabe der B-Aktien das Schachtelprivileg des § 9 des Körperschaftsteuergesetzes verloren habe. Dieser Verlust des Schachtelprivilegs werde in seiner steuerlichen Bedeutung auch nicht durch die geringe Steuerbelastung voll ausgeglichen, die infolge des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA vom 22. Juli 1954 auf die Gewinnanteile aus der Beteiligung an der amerikanischen Gesellschaft entfalle.

 

Entscheidungsgründe

Mit der Rb. wird unrichtige Rechtsanwendung gerügt.

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Zutreffend ist die Vorinstanz bei ihrer Entscheidung von dem Gutachten I D 1/57 S (a. a. O.) ausgegangen, das sich mit der steuerlichen Behandlung des Tausches von Anteilsrechten befaßt. Danach führt der Tausch grundsätzlich zu einer Gewinnrealisierung; beim Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften kann unter wirtschaftlicher Betrachtung eine Gewinnrealisierung ausgeschlossen sein, wenn die hingegebenen und eingetauschten Anteile wirtschaftlich identisch sind. Identität der Anteile ist anzunehmen, wenn die hingegebenen und eingetauschten Anteile gleichwertig, gleichartig und funktionsgleich sind. Da die Gleichwertigkeit der Anteile von den Vorinstanzen zutreffend bejaht worden ist, kommt es hier darauf an, ob auch Artgleichheit und Funktionsgleichheit bestehen.

Wenn das Finanzgericht die Artgleichheit schon deshalb verneinen will, weil bei Anteilsrechten an verschiedenen Kapitalgesellschaften von einer Gleichartigkeit nicht mehr gesprochen werden könne, so kann der Senat dem nicht folgen. Das oben bezeichnete Gutachten hat die Möglichkeit offengelassen, daß auch Anteile an verschiedenen Kapitalgesellschaften als wirtschaftlich identisch angesehen werden können. Es ist wohl richtig, daß die Betriebsvermögen, die durch die Anteile an verschiedenen Gesellschaften repräsentiert werden, verschieden sind. Man kann aber die Gleichartigkeit nicht so eng begrenzen, daß nur Anteile an der gleichen Gesellschaft ohne Gewinnrealisierung ausgetauscht werden könnten. Eine so enge Auslegung ist durch das Gutachten I D 1/57 S nicht geboten, da in den dort erwähnten Beispielen die Gleichartigkeit auch bei den Aktien verschiedener Gesellschaften bejaht wurde.

Da für die Entscheidung über die Nämlichkeit das Gesamtbild maßgebend bleibt und die Begriffe der Gleichartigkeit und Funktionsgleichheit ineinander übergehen, ist die Frage der Funktionsgleichheit in die Prüfung einzubeziehen. Die betriebliche Funktion von Anteilen kann in der Anlage flüssiger Mittel liegen, sich aus betrieblichen Verbindungen zur Kapitalgesellschaft, die z. B. Waren abnimmt oder liefert, ergeben oder auf die Ausübung der Herrschaft über die Kapitalgesellschaft gerichtet sein. Je höher die Beteiligung ist, um so unwahrscheinlicher ist es, daß die Anteile nur der Kapitalanlage dienen (Grieger, Deutsche Steuer-Zeitung A 1959 S. 33, 37).

Die Ansicht des Finanzgerichts, die Funktion der Beteiligung bestehe im vorliegenden Fall lediglich in der Kapitalanlage, erscheint nicht gerechtfertigt. Für die Entscheidung dieser Frage kommt es nicht in erster Linie auf den Vortrag der Beteiligten an, auf den sich das Finanzgericht stützt, sondern auf die rechtliche Beurteilung. Das Finanzgericht selbst hat auf die Möglichkeit der Einflußnahme durch die Beteiligung besonders hingewiesen. Bestände die Funktion der Anteile nur in der Kapitalanlage, so müßte die Funktionsgleichheit allerdings ohne weiteres bejaht werden. Der Umstand, daß die C-Aktien gefallen, während die B- Aktien konstant geblieben seien, könnte die Funktionsgleichheit als Kapitalanlage nicht ausschließen, weil solche Wertveränderungen nicht mit Sicherheit voraussehbar sind. Zudem hat die Bfin. unwidersprochen vorgetragen, der Nettoertrag bei der C-Company sei gleichwohl besser gewesen als bei der B-AG.

Im vorliegenden Fall liegt aber die Funktion der Beteiligung in der Einflußmöglichkeit auf eine Kapitalgesellschaft, hier auf ein Glas herstellendes Unternehmen. Für die Funktionsgleichheit spricht unter diesem Gesichtspunkt, daß die aufgegebene ebenso wie die erworbene Beteiligung an einer Gesellschaft der gleichen Branche, eben der Glasherstellung, besteht.

Auch die Tatsache, daß das Prozentverhältnis der Beteiligungen verschieden ist (an der B-AG 25,4 %, an der C-Company 3 bis 4 %), schließt hier die Funktionsgleichheit nicht aus. Im Regelfall ist allerdings der Besitz einer Schachtelbeteiligung funktionsmäßig etwas anderes als der Besitz einzelner Aktien (vgl. Gutachten I D 1/57 S). Denn die Schachtelbeteiligung sichert der Obergesellschaft einen beachtlichen Einfluß auf die Untergesellschaft, der bei einer erheblich geringeren Beteiligung regelmäßig nicht gegeben ist. Der vorliegende Fall liegt aber besonders. Die Anteile der Bfin. an der C-Company verschaffen ihr infolge der weiten Streuung schon bei der hier vorliegenden Beteiligungshöhe einen verhältnismäßig großen Einfluß bei der amerikanischen Gesellschaft. Dieser Umstand hat sich vor allem auch in folgenden ausgewirkt: Auf Grund ihrer Schachtelbeteiligung bei der B-AG hatte die Bfin. einen Sitz im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft inne. Obgleich ihr Besitz von C-Aktien nur 3 bis 4 % des Kapitals betrug, hat die Bfin. aber auch bei der amerikanischen Gesellschaft einen Sitz im "Aufsichtsrat". Der bei der C-Company nach amerikanischen Recht bestehende "Board of Directors", zu dem die Bfin. einen Vertreter entsendet, ist trotz anderer rechtlicher Struktur in seinen Funktionen und Aufgaben dem Aufsichtsrat nach deutschem Recht vergleichbar. Von den 16 Mitgliedern des "Board of Directors" sind bei der C-Company sechs zugleich Angehörige des "Executive Committee" (dem Vorstand nach deutschem Recht vergleichbar); der "Chairman of the Board" ist gleichzeitig der Präsident des Executive Committee. Dem Board obliegt die überwachung der Geschäftsführung und die Beschlußfassung über die Richtlinien der Geschäftspolitik. Die Aufgaben, Pflichten und Zuständigkeiten des "Board of Directors" sind danach dem eines Aufsichtsrates nach deutschem Recht vergleichbar; darum ist ein Sitz im "Board of Directors" bei der C-Company dem Sitz im Aufsichtsrat der B-AG gleichzusetzen. - Dadurch, daß die C-Company ihrerseits nunmehr Mehrheitsaktionärin bei der B-AG ist, hat die Bfin. ferner auch einen indirekten Einfluß auf die B-AG behalten.

Hiernach kann angenommen werden, daß die Bfin. ihre Schachtelbeteiligung an der B-AG und ihren Einfluß auf diese gegen Anteile an der C-Company eingetauscht hat, die ihr einen vergleichbaren Einfluß bei der C-Company und indirekt auch bei deren jetziger Tochtergesellschaft, der B-AG gewähren. Die Funktion der Beteiligung an der C-Company kann danach der der Beteiligung an der B-AG gleichgesetzt werden. Dabei kann es keinen Unterschied machen, daß die Beteiligung an der B-AG die an einer inländischen Gesellschaft und die Beteiligung an der C- Company eine solche an der amerikanischen Muttergesellschaft der inländischen Gesellschaft ist. Die Funktionsgleichheit der früheren und der eingetauschten Beteiligung der Bfin. ist daher anzuerkennen.

Da somit infolge Wert-, Art- und Funktionsgleichheit die hingegebenen und eingetauschten Anteile wirtschaftlich identisch sind, tritt durch den Tausch eine Gewinnrealisierung nicht ein. Die Vorentscheidung ist darum aufzuheben. Die Sache geht an das Finanzamt zur Neuberechnung der Körperschaftsteuer im Einspruchsverfahren zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411838

BStBl III 1966, 127

BFHE 1966, 353

BFHE 84, 353

BB 1966, 274

DB 1966, 365

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge