Entscheidungsstichwort (Thema)

Zufluß von Honorarforderungen bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

 

Leitsatz (NV)

1. Betriebseinnahmen im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Auch die wirksame Aufrechnung mit einer Honorarforderung stellt einen Geldzugang dar.

2. Eine Honorarforderung kann in gewinnerhöhender Weise entnommen werden. Willigt der Stpfl. dagegen lediglich ein, daß das Honorar an einen Dritten erbracht werden soll, ohne daß es zur Tilgung der Honorarforderung kommt, so liegt keine Entnahme vor.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Notar selbständig tätig und ermittelt seinen Gewinn durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben; der Gewinn wird vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) gesondert festgestellt.

Dem Kläger standen aus Beurkundungsvorgängen Honorarforderungen gegen verschiedene Personengesellschaften sowie gegen die Mitglieder von Bauherrengemeinschaften zu, deren Initiator jeweils W war. Aus einigen dieser Vorgänge waren Honoraransprüche von X DM entstanden. Im Oktober 1977 wurde zwischen dem Kläger und W vereinbart, daß dieser die Honorarverbindlichkeit in eigener Person übernehme, daß die Ehefrau des Klägers Mitglied einer von W ins Leben gerufenen Bauherrengemeinschaft werden sollte und daß W die Honorarverbindlichkeit in der Weise erfülle, daß er den Betrag zugunsten der Ehefrau auf das von ihr aufzubringende Eigenkapital einzahle.

Aufgrund dieser Vereinbarung trat die Ehefrau des Klägers verschiedenen Bauherrengemeinschaften bei und verpflichtete sich zu Eigenkapitalleistungen in Höhe von . . . DM. Diese Einzahlungen wurden vom Kläger bis auf den Betrag von X DM im Jahre 1978 erbracht. Im April 1978 teilte der Kläger dem W mit, daß er im Hinblick auf die im Oktober 1977 getroffene Vereinbarung seine Honorarforderung in Höhe von X DM mit der Einzahlungsverpflichtung seiner Ehefrau aufrechne; den Betrag verbuchte er als Betriebseinnahme. W kam seiner Zahlungsverpflichtung jedoch nicht nach, sondern leistete später die Offenbarungsversicherung. Daraufhin mußte der Kläger im Jahre 1980 die Einzahlung für seine Ehefrau erbringen.

Gegenüber der Gewinnfeststellung für 1978 machte der Kläger geltend, daß der fragliche Betrag nie beglichen worden sei und deshalb keine Einnahme darstelle. Einspruch und Klage hatten jedoch keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Jahre 1978 auf . . . DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der fragliche Honorarbetrag ist dem Kläger nicht zugeflossen; er hat die Honorarforderung auch nicht entnommen.

1. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn durch eine Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), d. h. durch die Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben. Die Rechtsprechung bezeichnet als Betriebseinnahmen alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt sind (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526; vom 18. März 1982 IV R 183/78, BFHE 136, 76, BStBl II 1982, 587). Dabei ist nicht erheblich, ob die für eine Betriebsleistung erlangte Gegenleistung in den betrieblichen oder in den privaten Bereich des Steuerpflichtigen gelangt. Eine Betriebseinnahme setzt nicht voraus, daß die erlangte Leistung Betriebsvermögen wird (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210; vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607); es bedarf daher nicht der Vorstellung, daß die Gegenleistung zunächst in den betrieblichen Bereich gelangt und vom Steuerpflichtigen entnommen worden ist. Deswegen sind auch Gegenleistungen, die auf einem privaten Bankkonto des Steuerpflichtigen eingehen, als Betriebseinnahmen anzusehen.

2. Im Streitfall haben die Honorarforderungen des Klägers weder im betrieblichen noch im privaten Bereich zu einem Geldzugang geführt. Er hat auch keinen anderen Vermögenswert erlangt; ein solcher Wert ist ihm auch nicht im Wege der Aufrechnung zugeflossen. Der Kläger hat im April 1978 gegenüber W zwar erklärt, er rechne mit seiner Honorarforderung gegen die Einzahlungsverpflichtung seiner Ehefrau auf. Das Finanzgericht (FG) hat hierzu zu Recht bemerkt, daß diese Erklärung wirkungslos bleiben mußte, weil es an der Aufrechnungslage, d. h. der Gegenseitigkeit der Forderungen (vgl. § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) fehlte; die Honorarforderung stand dem Kläger zu, während die Einzahlungsverbindlichkeit seine Ehefrau traf. Die Vereinbarung kann auch nicht als Verrechnungsvertrag bezeichnet werden; denn sie hatte nicht zur Folge, daß die Einzahlungsverpflichtung der Ehefrau des Klägers erlosch. Diese Verpflichtung bestand entweder gegenüber der Gemeinschaft der Bauherren oder, wie das FG angenommen hat, gegenüber der finanzierenden Bank, nicht aber gegenüber W; zu ihrer Tilgung hätte es einer Leistung an den Gläubiger bedurft. Infolgedessen ist auch der Ehefrau des Klägers kein Vermögenswert zugegangen, der dem Kläger als Betriebseinnahme zugerechnet werden könnte.

3. Das FG hat demgegenüber angenommen, der Kläger habe im Hinblick auf die mit W getroffene Vereinbarung seine Honorarforderung in das Privatvermögen entnommen; dafür spreche, daß er in Höhe dieser Forderung eine Betriebseinnahme verbucht und die Forderung im Kostenbuch ausgetragen habe. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Zwar sind auch bei einer Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG Privatentnahmen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, denen durch den Ansatz einer Betriebseinnahme Rechnung zu tragen ist; Gegenstand einer Entnahme mag auch eine Honorarforderung sein können, insbesondere, wenn der Steuerpflichtige sie aus privaten Gründen erläßt (BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526, 528).

Die zwischen dem Kläger und W getroffene Vereinbarung kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, daß die Honorarforderung unter Auflösung des betrieblichen Zusammenhangs nunmehr Prvatvermögen des Klägers sein sollte, wie dies unter Umständen bei der Umgestaltung in ein Darlehen angenommen werden könnte. Die Vereinbarung beinhaltete lediglich die Abrede, daß W als Honorarschuldner nicht an den Kläger, sondern an seine Ehefrau zahlen solle. Wie die Revision zu Recht vorträgt, lag darin lediglich eine Einwilligung des Klägers zur Erbringung der unverändert geschuldeten Honorarleistung an einen Dritten; mit der Leistung an die Ehefrau des Klägers wäre damit die Honorarforderung getilgt worden (vgl. § 362 Abs. 2 BGB). Hierzu ist es aber nicht gekommen.

Dem Umstand, daß der Kläger die Honorarforderung als Einnahme verbucht und im Kostenbuch ausgetragen hat, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Diese Sachbehandlung war unzutreffend. Sie ist ersichtlich dadurch verursacht worden, daß die Absprache über die Berichtigung der fraglichen Honorarforderung Teil einer umfassenderen Regelung für einen erheblich höheren Honorarbetrag war, der von W dann tatsächlich auf ein Konto des Klägers geleistet und von ihm teilweise für die Begleichung weiterer Einzahlungsverpflichtungen seiner Ehefrau verwendet worden ist. Hierfür mußte eine Betriebseinnahme angesetzt werden; für die noch offenstehende Restforderung ist dies zu Unrecht geschehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61252

BFH/NV 1987, 495

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