Leitsatz (amtlich)

Der Erwerb eines Einfamilienhauses ist nach Bremischem Grunderwerbsteuerrecht auch dann ein steuerfreier Ersterwerb, wenn ihm ein Erwerbsvorgang voraufgegangen ist, der zwar zur Übergabe des Hauses, infolge Aufhebung des Kaufvertrages innerhalb der Zweijahresfrist des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940, nicht aber zum Eigentumsübergang geführt hat.

 

Normenkette

GrESWG Bremen 1961 § 1 Nr. 3; GrEStG 1940 § 17 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger kaufte 1968 von einer Wohnungsbaugesellschaft ein Einfamilienhaus (Vertrag II). Dieses Haus hatte die Wohnungsbaugesellschaft vorher an eine andere Person verkauft (Vertrag I) und übergeben. Der Vertrag I vom 19. September 1966 war jedoch wegen Nichterfüllung der Vertragspflichten durch den Käufer vor der Eigentumsübertragung am 30. Juli 1968 wieder aufgehoben worden.

Das beklagte FA versagte dem Kläger die beantragte Steuerfreiheit nach § 1 Nr. 3 des Bremischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer in der Fassung vom 19. Dezember 1961 - GrESWG 1961 - (GVBl 1961, 243, BStBl II 1962, 28), weil es den Erwerb des Klägers bereits als Zweiterwerb ansah. Auch die Klage hatte keinen Erfolg (vgl. EFG 1973, 445).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger ist Ersterwerber eines Einfamilienhauses im Sinne des § 1 Nr. 3 GrESWG 1961. Der vorangegangene nach Übergabe des Hauses aber vor Eigentumsübertragung wieder rückgängig gemachte Erwerb ändert hieran nichts.

Wie der Senat zu § 1 Nr. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer in der Fassung vom 6. Oktober 1958 (GVBl 1958, 179, BStBl II 1958, 158) entschieden hat, liegt ein steuerfreier Ersterwerb auch dann vor, wenn ihm ein Erwerbsvorgang vorausgegangen ist, der infolge Rücktritts vom Vertrage oder einvernehmlicher Vertragsaufhebung weder zur Übergabe der Wohnung noch zur Eigentumsübertragung geführt hat (Urteil vom 22. Mai 1974 II R 71/68, BFHE 113, 127, BStBl II 1974, 687). Er ging dabei davon aus, daß es nicht Zweck der Steuervergünstigung für den sozialen Wohnungsbau sei, ausschließlich den Abschluß von Ersterwerbsverträgen zu fördern, sondern vielmehr das mit den begünstigten Verträgen angestrebte rechtliche und wirtschaftliche Ziel: den Eigentumsübergang und die Besitzübergabe.

Im vorliegenden Fall war das wirtschaftliche Ziel des vorangegangenen Erwerbsvorganges zwar insofern erreicht, als der Vertrag I zur Übergabe des Grundstücks geführt hatte. Es fehlte aber noch der Eigentumsübergang. Der Eigentumsübergang ist für die Vollendung eines Erwerbs (nicht im grunderwerbsteuerlichen Sinne, sondern im Sinne des mit einem Kaufvertrage verfolgten Zieles) so wesentlich, daß auch in diesem Falle von einem mißglückten Erwerb gesprochen werden kann, der einen erneuten steuerbegünstigten Ersterwerb ermöglicht. Da für diesen mißglückten Ersterwerb nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 ohne Rücksicht auf etwaige Befreiungsvorschriften ohnehin keine Steuer erhoben werden darf - dies vor allem deshalb nicht, weil der Grundstücksumsatz, den das Grunderwerbsteuergesetz letztlich erfassen will, nicht zustande gekommen ist - erscheint es nach der aus den §§ 1, 17 Abs. 1 GrEStG 1940 folgenden Systematik des Grunderwerbsteuerrechts nur folgerichtig, durch den mißglückten Ersterwerb keinen Verbrauch der Steuerfreiheit für den Ersterwerb eintreten zu lassen. Das gilt jedenfalls in den Fällen, in denen die Aufhebung des nicht durch Eigentumsübergang vollzogenen Vertrages innerhalb der Zweijahresfrist des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 erfolgt, wie dies für den vorliegenden Fall festgestellt worden ist.

Anhaltspunkte dafür, daß der Vertrag I nicht im Sinne des § 17 Abs. 1 GrEStG 1940 rückgängig gemacht worden ist, etwa deshalb nicht, weil es dem Käufer des Vertrages I nicht darauf ankam, vom Vertrag freizukommen, sondern darauf, das Grundstück an einen Dritten weiterzugeben, liegen nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71205

BStBl II 1975, 151

BFHE 1975, 575

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