Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus; Auswirkungen einer Rechtsprechungsänderung

 

Leitsatz (NV)

1. Bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus ist als Mietwert die Kostenmiete anzusetzen, wenn die nach der II. BVO ermittelte privat genutzte Wohnfläche dieser Wohnung größer als 250 qm ist oder zu dem Haus eine Schwimmhalle gehört.

2. Die Änderungsbeschränkung des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 betrifft nur Rechtsprechungsänderungen, die zwischen dem Erlaß des ursprünglichen Bescheides und des Änderungsbescheides eintreten.

3. § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 geht davon aus, daß eine Änderung der Rechtsprechung des BFH auf die Beurteilung von Sachverhalten anzuwenden ist, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben.

 

Normenkette

AO 1977 § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; EStG § 21 Abs. 2; II. BVO

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, errichteten im Jahre 1982 ein Zweifamilienhaus zu Herstellungskosten von 1 773 047 DM zuzüglich 45 499 DM für die Gartenanlage. Die Anschaffungskosten des Grundstücks betragen 255 000 DM. Die von den Klägern selbst genutzte Wohnung ist 250 qm groß, die an die Mutter einer Klagepartei vermietete Wohnung 60 qm. Das Grundstück wurde im Sachwertverfahren bewertet. Wie sich aus der Anlage zum Einheitswertbescheid ergibt, berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) bei der Ermittlung des Gebäudewerts einen Zuschlag aus sonstigen Gründen, und zwar für ein 72 qm großes Schwimmbecken im Gebäude und einen Kamin.

Während die Kläger für die Streitjahre (1985 und 1986) für die selbstgenutzte Wohnung einschließlich Garage einen Mietwert von je 21 960 DM erklärten, ermittelte das FA den Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung auf der Grundlage der sog. Kostenmiete, die es für das gesamte Wohngrundstück in Höhe von 6 v. H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten von 2 073 546 DM, also 124 412 DM, berechnete. Von diesem Betrag ordnete das FA in der Einspruchsentscheidung der selbstgenutzten Wohnung einen Anteil von 80,65 v. H., also 100 338 DM, als Mietwert zu.

Mit der Klage begehrten die Kläger, anstatt der Kostenmiete die Marktmiete als Rohmiete anzusetzen. Sie beriefen sich auf Vertrauensschutz nach § 176 der Abgabenordnung (AO 1977).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, als es den Mietwert auf 9,72 DM je qm monatlich und 29 160 DM jährlich bestimmte. Als Mietwert der selbstgenutzten Wohnung sei nie die Kostenmiete, sondern stets nur die höchstens am Markt erzielbare Miete anzusetzen. Die auf die selbstgenutzte Wohnung entfallenden Werbungskosten seien voll abzusetzen. Die der vermieteten Wohnung zuzurechnenden Werbungskosten seien um ein Drittel zu kürzen, weil die monatliche Miete von 6,50 DM je qm um rd. ein Drittel unter der Marktmiete von 9,72 DM je qm monatlich liege. Die Berechnung übertrug das FG dem FA. Im übrigen wies es die Klage ab.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 21 Abs. 2, § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 162 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Als Mietwert der selbstgenutzten Wohnung sei die Kostenmiete anzusetzen.

Während des Revisionsverfahrens erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, mit denen es die Steuerfestsetzung teilweise für vorläufig erklärte. Für 1985 berücksichtigte das FA die rückwirkend erhöhten Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 8 Satz 1 EStG 1983/1985 i.d.F. des § 54 Abs. 1 EStG, Art. 1 Nr. 18 des Steueränderungsgesetzes 1991). Die Änderungsbescheide wurden auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Kläger Gegenstand des Verfahrens (§§ 68, 121 Satz 1, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Die Vorentscheidung verletzt § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG. Das FG hat zu Unrecht nicht die Kostenmiete als Mietwert der selbstgenutzten Wohnung angesetzt.

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 (BFHE 174, 51) und IX R 33/91 (BFHE 174, 120) ausgeführt hat, ist bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus i. S. des § 21 Abs. 2 EStG als Mietwert die Kostenmiete anzusetzen, wenn die nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BVO) ermittelte privat genutzte Wohnfläche dieser Wohnung größer als 250 qm ist oder zu dem Haus eine Schwimmhalle gehört.

2. Das FG ist von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

a) Im Streitfall ist ein Schwimmbad im Gebäude vorhanden. Auf die genaue Wohnungsgröße und die Ausgestaltung und Ausstattung des Hauses im übrigen kommt es danach nicht an.

b) Dem Ansatz der Kostenmiete steht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, daß sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist. Die Rechtsprechungsänderung muß zwischen dem Erlaß des ursprünglichen Bescheides und des Änderungsbescheides eintreten (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. Januar 1991 III R 60/89, unter 3. c, BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5).

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall nicht erfüllt. Das von den Klägern angeführte Senatsurteil vom 21. Januar 1986 IX R 7/79 (BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394) ist bereits vor Erlaß der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre ergangen. Es bedarf daher keiner Prüfung, ob dieses Senats urteil -- bezogen auf den Streitfall -- die Rechtsprechung änderte.§

176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 schließt auch die Anwendung der in den Senatsurteilen in BFHE 174, 51 und 120 dargelegten Voraussetzungen für den Ansatz der Kostenmiete auf den Streitfall nicht aus. Diese Vorschrift geht davon aus, daß eine Änderung der Rechtsprechung des BFH auf die Beurteilung von Sachverhalten anzuwenden ist, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben. Lediglich bei der Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden darf die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1991 II R 49/89, unter 3., BFHE 165, 492, BStBl II 1992, 260).

c) Das FA hat die Höhe der Kostenmiete zutreffend ermittelt.

Der Senat kann unerörtert lassen, ob der Ansatz eines bestimmten Vomhundertsatzes der Anschaffungs- oder Herstellungs kosten des Gebäudes sowie der Anschaffungskosten des Grund und Bodens (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 2. Oktober 1986, BStBl I 1986, 486) eine geeignete Schätzungsmethode für die Kostenmiete ist. Berechnet man die Kostenmiete auf der Grundlage der II. BVO (vgl. dazu Senatsurteile in BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394; BFHE 174, 120), ist sie höher als der Ansatz des FA.

3. Die vom FG vorgenommene Kürzung der auf die vermietete Wohnung entfallenden Werbungskosten ist nicht entscheidungserheblich, weil auch beim Ansatz der geltend gemachten Werbungskosten in voller Höhe die auf der Grundlage der II. BVO ermittelte Kostenmiete nicht ausgeglichen würde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420147

BFH/NV 1995, 298

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