Leitsatz (amtlich)

Sind im finanzgerichtlichen Verfahren über die Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Vermögensabgabe die Vermögensverhältnisse beider Ehegatten derart streitig, daß die Feststellung der Vermögensverhältnisse des einen Ehegatten von unmittelbarer Auswirkung auf die Feststellung der Vermögensverhältnisse des anderen ist, so kann die Entscheidung nur in einem einheitlichen Verfahren getroffen werden, an dem beide Ehegatten beteiligt sein müssen. Ist ein Ehegatte am Verfahren nicht beteiligt, so führt dies auch ohne Rüge zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG.

 

Normenkette

AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung: § 239 Abs. 3; FGO § 60 Abs. 3; LAG § 29 Abs. 1, § 55 c Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzamt – FA – (Revisionsbeklagter) hatte im endgültigen Vermögensabgabebescheid vom September 1959 als gesamtes der Vermögensabgabe unterliegendes Vermögen einen Betrag von 20 000 DM angesetzt, der sich aus dem Einheitswert eines Einfamilienhauses, dem Einheitswert für ein unbebautes Grundstück und einem Schuldenabzug ergab. Der ursprüngliche Vierteljahrsbetrag wurde unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 5 000 DM festgesetzt. Nachdem sich der Abgabepflichtige (Revisionskläger) mit dem Einspruch vergeblich um die Berücksichtigung einer Kriegssachschadensermäßigung bemüht hatte, begehrte er mit der Berufung die Zuerkennung eines weiteren Freibetrags von 5 000 DM für die Ehefrau, die bei der Eheschließung ein größeres Vermögen mit in die Ehe gebracht habe, das die beiden Eheleute zum Ankauf des Grundstücks des Ehemannes verwendet hätten. Seine Ehefrau habe in den zwanziger Jahren ein ihr gehöriges Grundstück zur Verfügung gestellt, um die Miterben nach seinem Vater abzufinden. Er nehme an, daß das von seiner Ehefrau im Rahmen der Erbregulierung zur Verfügung gestellte Grundstück damals einen Wert von etwa 40 000 Goldmark gehabt habe. Zwischen seiner Ehefrau und ihm seien zwar keine schriftlichen Vereinbarungen getroffen worden, doch sei er der Ansicht, daß seiner Ehefrau mindestens die Hälfte des am Währungsstichtag verbliebenen Vermögens zustehe. Zwischen den Eheleuten habe Einvernehmen darüber bestanden, daß ihr Vermögen ihnen gemeinschaftlich gehören sollte. So hätten sie auch gemeinschaftlich die eingetretenen Verluste getragen. Die Richtigkeit dieser Angaben könne seine Ehefrau bestätigen. Auch habe seine Ehefrau außer dem erwähnten Grundstück noch rund 100 000 Mark im Jahre 1918 in die Ehe eingebracht.

Das Finanzgericht (FG) wies die Berufung als unbegründet zurück. Nach den Vermögensteuerakten habe die Ehefrau kein eigenes Vermögen besessen. In den Vermögenserklärungen 1940 und 1946 habe der Ehemann keine Schulden an seine Ehefrau angegeben. Es möge zutreffen, daß die Ehefrau des Revisionsklägers seinerzeit Mittel zum Kauf des Grundstücks beigesteuert habe. Aus der Grundakte ergebe sich jedoch nichts, was auf eine Forderung, ein Grundpfandrecht oder einen Miteigentumsanteil der Ehefrau schließen lasse. Der frühere Vertreter des Abgabepflichtigen habe zwar vorgetragen, letzterer habe seiner Ehefrau zwei Eigentümergrundschulden übertragen; eine Bestätigung hierfür habe sich jedoch aus der Grundakte nicht herleiten lassen. Auch sei der Abgabepflichtige nach dem Grundbuch stets der Alleinberechtigte gewesen. Die Grundakte lasse mithin keinen Schluß in der Richtung zu, daß die Ehefrau an dem Grundstück als Miteigentümerin beteiligt sei oder daß sie ein Grundpfandrecht gegen ihren Ehemann besessen habe. Nach den Bekundungen des Abgabepflichtigen könne zwar unterstellt werden, daß seine Ehefrau seinerzeit erhebliche Vermögenswerte bei der Eheschließung eingebracht habe. Irgendwelche rechtlich fixierten Abmachungen über den Inhalt und die Ausgestaltung der vermögensrechtlichen Beziehungen der Eheleute fehlten indes. Für die Gewährung eines zweiten Freibetrags gemäß § 55 c LAG könnten nur solche Rechte und Verbindlichkeiten steuerlich berücksichtigt werden, mit deren Geltendmachung am Währungsstichtag ernstlich zu rechnen gewesen sei. In dieser Beziehung habe sich jedoch die Kammer nicht davon überzeugen können, daß der Ehefrau eigene Vermögenswerte zugestanden hätten. Die gesamten Umstände böten keinen hinreichenden Anhalt dafür, daß der Ehemann sich seiner Ehefrau gegenüber rechtlich und wirtschaftlich verpflichtet gefühlt hätte, ihr 10 000 DM zu zahlen.

Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wird vorgetragen, es sei zwar richtig, daß die Eheleute keine notariell beglaubigten Verträge gemacht hätten, wie es unter Fremden üblich gewesen wäre. Es sei jedoch nachgewiesen und könne erforderlichenfalls auch jetzt noch durch weitere Beweise erhärtet werden, daß die Ehefrau das größere Vermögen gehabt habe. Unter ordentlichen Eheleuten gelte auch jede mündliche Vereinbarung als rechtsgültig. Daß diese mündliche Vereinbarung bestanden habe, sei genügend dargetan.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.

Im außergerichtlichen Vorverfahren war die Frage der Berücksichtigung von Kriegssachschäden bei der Berechnung der Vermögensabgabe streitig gewesen. Demgegenüber wurde im finanzgerichtlichen Verfahren, worauf das FG in seinem Urteil ausdrücklich hingewiesen hat, nur noch geltend gemacht, bei der Vermögensabgabeveranlagung hätte gemäß § 29 Abs. 1 LAG ein weiterer Freibetrag von 5 000 DM für die Ehefrau des Revisionsklägers berücksichtigt werden müssen, da sie eigenes Vermögen in Form von Forderungen gegenüber ihrem Ehemann besessen habe, während andererseits beim Ehemann in gleicher Höhe ein Schuldenabzug bei der Vermögensabgabe in Betracht komme. In der Berufungsinstanz waren somit die Vermögensverhältnisse beider Ehegatten streitig. Insbesondere war zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe am Währungsstichtag Forderungen der Ehefrau gegenüber dem Ehemann (Revisionskläger) und dementsprechend Schulden des Ehemanns gegenüber der Ehefrau bestanden haben, die auf die Berechnung des gesamten der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens von Bedeutung gewesen wären. Nach dem Vorbringen des Revisionsklägers handelt es sich um Aktiv- und Passivwerte der Eheleute, die in welchselseitiger Beziehung zueinander stehen. Die Feststellung der Vermögensverhältnisse des einen Ehegatten wäre somit von unmittelbarer Auswirkung auf die Feststellung der Vermögensverhältnisse des anderen Ehegatten. Die sachgerechte Durchführung solcher wechselseitig bedingten Feststellungen ist nur in einem für beide Ehegatten gemeinsamen und einheitlichen Verfahren gewährleistet. Nur auf diese Weise wird mit einer beide Ehegatten gleichzeitig bindenden Wirkung festgestellt, daß gegebenenfalls ein und derselbe Betrag bei dem einen Ehegatten voll als Forderung und bei dem anderen voll als Schuld besteht, und damit erreicht, daß durch eine solche Wertverschiebung Überschneidungen bei der Berechnung des der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens der Eheleute vermieden werden. Wie in den Prozessen über die Anwendung oder die Nichtanwendung des § 55 c Abs. 1 LAG grundsätzlich nur für beide Ehegatten einheitlich und gleichzeitig mit Wirkung für beide Ehegatten entschieden werden kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – III 342/63 vom 16. Dezember 1966, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 87 S. 361, BStBl III 1967, 104), so kann auch im Streitfall, in dem es zwar nicht um dir Anwendung des § 55 c Abs. 1 LAG, sondern um die Veranlagung zur Vermögensabgabe geht, nur einheitlich und gleichzeitig gegenüber beiden Ehegatten entschieden werden. Eine solche Entscheidung setzt ihrem Wesen nach mehrere Beteiligte, nämlich die Beteiligung beider Eheleute am Verfahren voraus. Handelt es sich hiernach um ein streitiges Rechtsverhältnis, an dem nach dem Vorbringen des Revisionsklägers beide Eheleute materiell-rechtlich derart beteiligt sind, daß die Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats der Zuziehung des anderen Ehegatten zum Verfahren. Auch muß der andere Teil an den Verhandlungen und gegebenenfalls Beweiserhebungen, die sein eigenes Vermögen und die Gewährung seines eigenen Freibetrags betreffen, teilnehmen können und im Verfahren gehört werden. Die Vorinstanz hat über die Vermögensverhältnisse und über die Zuerkennung eines weiteren Freibetrags der Ehefrau zu deren Ungunsten entschieden, ohne ihr durch Beteiligung am Verfahren überhaupt Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu diesen streitigen und sie selbst angehenden Fragen zu äußern. War ein Ehegatte nicht beteiligt, so mußte er in entsprechender Anwendung des § 239 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung von Amts wegen zum Verfahren zugezogen weiden (jetzt ein Fall der notwendigen Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 FGO). Die Nichtbeteiligung der Ehefrau am finanzgerichtlichen Verfahren stellt einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, war daher von Amts wegen zu berücksichtigen und mußte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG führen.

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG nach Beiladung der Ehefrau die bisher ergangene und veröffentlichte Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 55 c Abs. 1 LAG entsprechend zu berücksichtigen haben, zumal die Vorinstanz als zutreffend unterstellt, daß die Ehefrau erhebliche Vermögenswerte bei der Eheschließung eingebracht habe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514496

BFHE 1968, 492

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