Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kinderfreibetrag für Fahnenjunker bzw. Fähnrich, der zum Offizier ausgebildet wird

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Kind befindet sich nicht in der Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.1 EStG, wenn sich die Ausbildung im Rahmen eines den vollen Lebensunterhalt sicherstellenden Dienstverhältnisses vollzieht.

2. Nicht in Berufsausbildung in diesem Sinne befindet sich deshalb ein Zeitsoldat mit dem Dienstgrad des Fahnenjunkers bzw. Fähnrichs, der zum Offizier (hier: Strahlflugzeugführer) ausgebildet wird.

 

Orientierungssatz

Aus der zur Abgrenzung von Ausbildungskosten und der als Werbungskosten berücksichtigungsfähigen Fortbildungskosten ergangenen BFH-Rechtsprechung kann für die hier vorzunehmende Abgrenzung nichts hergeleitet werden (Anschluß an BFH-Urteil vom 11.10.1984 VI R 69/83).

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der 1965 geborene Sohn A der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde am 1.Oktober 1986 zum Grundwehrdienst, der damals 15 Monate dauerte, einberufen. Am 31.März 1987 wurde A zum Gefreiten ernannt und mit Wirkung vom 16.September 1987 als Offiziersanwärter mit der Dienstgradbezeichnung "Gefreiter OA" übernommen. Gleichzeitig wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit für 5 Jahre berufen. Vom .. September 1987 bis zum .. Juni 1988 besuchte A mit Erfolg den Offizierslehrgang bei der Offiziersschule der Luftwaffe. Im Lehrgangszeugnis heißt es: "Der Offizieranwärter hat die Offizierprüfung bestanden". Daraufhin erhielt er mit Wirkung vom 1.Juli 1988 den Dienstgrad eines Fahnenjunkers; gleichzeitig wurde er in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 5 eingewiesen.

In der Zeit vom .. November 1988 bis zum .. März 1989 nahm A an einer Eignungsfeststellung für den Dienstbereich "Fliegerischer Dienst" teil, die mit dem Ergebnis abschloß: "Für die Ausbildung zum fliegerischen Dienst geeignet". A wurde daraufhin für die "Ausbildung zum Strahlflugzeugführeroffizier" vorgesehen. Mit Wirkung vom 1.April 1989 erhielt er den Dienstgrad eines Fähnrichs; gleichzeitig wurde er in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 7 eingewiesen.

Im Dezember 1989 wurde A mitgeteilt, daß er den Anforderungen der Ausbildung zum Strahlflugzeugführer nicht genüge; deshalb sei für ihn eine Weiterführung der Ausbildung im Fliegerischen Dienst nicht möglich. Mit Ablauf des .. März 1991 wurde A antragsgemäß aus der Bundeswehr entlassen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte im Einkommensteuerbescheid der Kläger für 1989 den Kinderfreibetrag für A. Auch im Einspruchsverfahren blieb das FA dabei, daß der Kläger als Offizier tätig gewesen und im Rahmen dieses Berufes zum Piloten ausgebildet worden sei. Die Ausbildung sei eine Spezialisierung in diesem Beruf.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß A im Streitjahr 1989 nicht mehr für einen Beruf ausgebildet worden sei. Dieser sei vielmehr bereits am 1.Juli 1988 mit dem erfolgreichen Abschluß des Offizierslehrgangs und der Ernennung zum Fahnenjunker abgeschlossen gewesen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) befinde sich ein Kind dann nicht mehr in der Berufsausbildung, wenn es zwar ein höher gestecktes Berufsziel anstrebe, jedoch bereits einen Beruf ausübe, wie er von vielen Steuerpflichtigen als Dauerberuf ausgeübt werde und ausgeübt werden könne. Ein solcher Zustand sei zwar bei einem typischen Ausbildungsberuf (Lehre, Inspektoranwärter, Referendar) noch nicht erreicht. Entsprechendes gelte auch für die Ausbildung als Offiziersanwärter. Im vorliegenden Fall sei die Ausbildung als Offiziersanwärter jedoch am .. Juni 1988 abgeschlossen worden. Mit der darauf folgenden Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 5 sei die erste Stufe der Offizierslaufbahn erreicht gewesen. Zwar sei diese Laufbahn auf weitere Beförderungen angelegt, jedoch sei auch schon mit der Eingangsstufe eine Besoldungsgruppe (A 5) erreicht, in der andere Steuerpflichtige in einem Dauerberuf tätig seien. Dies gelte erst recht für die Ernennung zum Fähnrich und die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 7 zum .. April 1989.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie führen im wesentlichen aus:

Ein Offiziersanwärter befinde sich so lange in der Ausbildung, bis er das Berufsziel Offizier erreicht habe. Erst nach Bestehen sämtlicher Ausbildungsabschnitte werde der Offiziersanwärter endgültig zum Berufssoldaten ernannt.

In einem Fall der vorliegenden Art sei das Berufsbild erst erreicht, wenn der Offiziersanwärter sowohl die allgemeine militärische Ausbildung als auch die Ausbildung zum Piloten absolviert habe. Andere Offiziere, die nicht zum Piloten ausgebildet würden, studierten an einer der beiden Bundeswehruniversitäten. Auch sie seien in die Besoldungsgruppen A 5 bzw. A 7 eingewiesen. Trotzdem gehe die Rechtsprechung davon aus, daß ein derartiger Student sich in einem Ausbildungsdienstverhältnis befinde. Auch die Anwärterzeit eines Beamten gelte als Ausbildung. Auf die Einkünfteerzielung könne es nicht ankommen. Auszubildende in der freien Wirtschaft verdienten während der Ausbildung wesentlich mehr, als in den Besoldungsgruppen der Beamtenbesoldung A 5 oder A 7 gezahlt werde.

Auch die Begründung des FG, das Streben nach einem höher gesteckten Berufsziel rechtfertige die Annahme der Ausbildung nicht, gehe am Problem vorbei. Denn jeder Student erstrebe mit seinem Studium ein höher gestecktes Berufsziel. Ein Offiziersanwärter übe jedenfalls keinen Beruf aus, wie er von vielen Steuerpflichtigen als Dauerberuf ausgeübt werde. Vielmehr sei die Ausbildung zum Offizier mit der Lehre oder mit der Ausbildung zum Inspektor, mit der Tätigkeit als Referendar oder der Ausbildung zum Finanzbeamten bzw. Rechtspfleger vergleichbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Gemäß § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 1989 geltenden Fassung (EStG) ist ein Kind, das zu Beginn des Streitjahres das 16.Lebensjahr, aber noch nicht das 27.Lebensjahr vollendet hat, zu berücksichtigen, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Der Sohn A der Kläger erfüllte im Streitjahr diese Voraussetzung nicht.

In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 8.November 1972 VI R 309/70, BFHE 107, 450, BStBl II 1973, 139). Hierbei wird das Berufsziel weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt, so daß eine kontinuierlich durchgeführte Ausbildung noch Berufsausbildung sein kann, wenn sie sich in mehreren Stufen vollzieht, von denen zwar an sich schon jede einzelne die Befähigung zur Berufsausübung vermittelt, das angestrebte Ziel aber noch nicht erreicht ist (vgl. BFH-Urteil vom 8.November 1972 VI R 54/70, BFHE 107, 447, BStBl II 1973, 138). Dagegen befindet sich nach der Entscheidung des VI.Senats des BFH vom 11.Oktober 1984 VI R 69/83 (BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91 zu § 32 Abs.6 Nr.1 EStG 1975 ff., jetzt § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.1 EStG) nicht mehr in Berufsausbildung, wer zur Vorbereitung auf ein höher gestecktes Berufsziel einen Beruf ausübt, der von vielen als Dauerberuf ausgeübt wird oder ausgeübt werden kann. Der VI.Senat hat hierzu weiter ausgeführt, in einem solchen Fall liege eine vom Gesetz typisierend unterstellte Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern durch das in Berufsausbildung befindliche Kind nicht vor. Es sei nicht gerechtfertigt, Eltern steuerlich zu entlasten, deren Kind ein höher gestecktes Berufsziel anstrebt, während anderen Eltern für ein Kind, das den Beruf unter sonst gleichen Bedingungen ausübt, aber ohne den Wunsch nach weiterer Qualifikation, eine Entlastung versagt werde.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Sie führt im Streitfall zur Verneinung einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.1 EStG, weil sich die Ausbildung von A im Rahmen eines den vollen Lebensunterhalt sicherstellenden Dienstverhältnisses vollzog.

A war bereits zum .. Juli 1988 als Fahnenjunker in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 5 eingewiesen worden; mit Wirkung vom .. April 1989 wurde ihm der Dienstgrad eines Fähnrichs unter Einweisung in die Besoldungsgruppe A 7 übertragen. Er übte mithin während des ganzen Streitjahres den Beruf eines Soldaten auf Zeit aus. Von anderen, gleichbesoldeten Zeitsoldaten unterschied er sich nur dadurch, daß er noch ein höher gestecktes Berufsziel, nämlich das eines Strahlflugzeugführeroffiziers anstrebte. Der weitergehende Berufswunsch bewirkte jedoch nicht, daß die beruflichen Verhältnisse des A vornehmlich durch die für die weitere Qualifizierung erforderliche Ausbildung gekennzeichnet gewesen wären. Sie waren vielmehr durch seine rechtliche und wirtschaftliche Stellung als Soldat auf Zeit als eines auf gewisse Dauer angelegten Berufs geprägt. Dieser Status, der sich von dem anderer Zeitsoldaten nicht unterschied, war unabhängig von der Ausbildung und ihrem Ergebnis. Das ergibt sich auch daraus, daß A, nachdem seine Nichteignung zum Strahlflugzeugführer festgestellt worden war, noch über eineinviertel Jahr seinen Beruf als Soldat auf Zeit weiter ausübte, ehe er auf eigenen Antrag aus der Bundeswehr ausschied.

Daß die beruflichen Verhältnisse des A von seinem --rechtlichen und wirtschaftlichen-- Status als Soldat auf Zeit, nicht aber von seiner Ausbildungssituation geprägt waren, ergibt sich auch aus der Art seiner Vergütung. Denn anders als etwa ein Beamtenanwärter erhielt er keine Anwärterbezüge, sondern die einer vollen beamtenrechtlichen Bezahlung entsprechende Vergütung der jeweiligen Besoldungsgruppe. Während aber die dem früheren Unterhaltszuschuß entsprechenden Anwärterbezüge eines Beamtenanwärters (§ 59 des Bundesbesoldungsgesetzes) nur bezwecken, die wirtschaftliche Lage dieses Beamten im Vorbereitungsdienst zu erleichtern, nicht aber seinen Unterhalt sicherzustellen, sind die Dienstbezüge eines Beamten (bzw. Soldaten) dazu bestimmt, den angemessenen Lebensunterhalt des Beamten im Rahmen des geltenden Alimentationsprinzips zu sichern (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 9.März 1989 -2 C 59.86 m.w.N. in Schütz, Entscheidungssammlung Beamtenrecht, ES/CI2). Auf diesen Unterschied in der Art der Vergütung stellt auch das Bundessozialgericht (BSG) bei seiner Auslegung des Begriffs der Berufsausbildung i.S. des § 2 Abs.2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) ab (vgl. Urteil vom 19.Dezember 1974 8/7 RKg 6/73, Sozialrecht 5870 § 2 BKGG Nr.2 m.w.N.). Damit besteht (insoweit) Einheitlichkeit in der Auslegung der weder im BKGG noch im EStG näher bestimmten Merkmale der Berufsausbildung. Der Senat ist der Auffassung, daß eine einheitliche Auslegung wegen des sog. dualen Systems des Kinderlastenausgleichs durch Gewährung von Kindergeld und steuerlichen Entlastungen in Form des Kinderfreibetrags wünschenswert und geboten ist.

Unerheblich ist demgegenüber, ob bei Bundeswehrsoldaten, die nach ihrem Ausbildungsstand und ihrer besoldungsrechtlichen Einstufung mit A vergleichbar sind, aber an einer der beiden Bundeswehruniversitäten studieren, vom Vorliegen eines sog. Ausbildungsdienstverhältnisses ausgegangen werden kann. Zwar sind Aufwendungen im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, die im Hinblick auf das Ausbildungsziel getätigt werden, Werbungskosten (BFH-Urteil vom 7.August 1987 VI R 60/84, BFHE 150, 435, BStBl II 1987, 780 m.w.N.). Aus der zur Abgrenzung von Ausbildungskosten und einschlägigen Werbungskosten ergangenen Rechtsprechung kann jedoch für die hier vorzunehmende Abgrenzung nichts hergeleitet werden. Darauf hat bereits der VI.Senat im Urteil in BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91 für die Abgrenzung von Ausbildungskosten zu den als Werbungskosten berücksichtigungsfähigen Fortbildungskosten hingewiesen. Der erkennende Senat schließt sich dem vorerwähnten Urteil des VI.Senats auch insoweit an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64702

BFH/NV 1994, 2

BStBl II 1993, 871

BFHE 172, 62

BFHE 1994, 62

BB 1993, 2295 (L)

DB 1993, 2413-2414 (LT)

DStR 1993, 1782 (KT)

DStZ 1993, 764 (KT)

HFR 1994, 81 (LT)

StE 1993, 611 (K)

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