Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur fristgerechten Antragstellung nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG 1975

 

Leitsatz (NV)

1. Beantragt ein Steuerpflichtiger die Verlängerung der Frist zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärung 1975 und wird dieser Antrag nicht beschieden (bearbeitet), so fehlt es an einer Verlängerung der Frist für eine Antragstellung nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG 1975.

2. Die Begründung eines Vertrauenstatbestandes beim Steuerpflichtigen durch Schweigen oder Unterlassen einer Finanzbehörde setzt voraus, daß der Steuerpflichtige Erklärungen oder Handlungen der Finanzbehörde erwarten konnte und durfte.

3. Unter einer Steuererklärung ist eine formalisierte, innerhalb einer bestimmten Frist abzugebende Auskunft des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters zu verstehen, die dem FA die Festsetzung der Steuer oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermöglichen soll und in der Regel zum Erlaß eines Steuerbescheides führt.

 

Normenkette

KStG 1975 §§ 6, 19 Abs. 4 S. 2; AO §§ 165e, 167 Abs. 1 S. 1, § 168 S. 1; EStDV § 56 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Klägerin, einer personenbezogenen Kapitalgesellschaft i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG 1975, war die Frist zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärung 1975 bis zum 31. Dezember 1976 verlängert worden. Sie übergab im Rahmen einer bei ihr anberaumten Außenprüfung dem Außenprüfer am 5. November 1976 die Körperschaftsteuererklärung 1975. Diese Erklärung war von dem Geschäftsführer der Klägerin unterschrieben und auch im übrigen vollständig ausgefüllt. In Zeile 118 war jedoch der Antrag auf Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1975 nicht angekreuzt.

Die Klägerin beantragte am 12. Januar 1977 eine weitere Fristverlängerung für die Abgabe der Körperschaftsteuererklärung 1975 bis zum 28. Februar 1977. Am 24. Februar 1977 reichte sie sodann eine ,,berichtigte" Körperschaftsteuererklärung ein, in der nunmehr der Antrag nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG gestellt war. Das FA sah diesen Antrag als verspätet gestellt an. Einspruch, Klage und Revision blieben ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Klägerin kann für das Streitjahr 1975 nicht wie eine Publikumsgesellschaft besteuert werden.

1. Nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG ist der Antrag einer personenbezogenen Kapitalgesellschaft, wie eine Publikumsgesellschaft besteuert zu werden, schriftlich und innerhalb der Frist zur Abgabe der Steuererklärung für das Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) zu stellen, für das der Antrag erstmals gelten soll. Der erkennende Senat hat in seinen Urteilen vom 9. April 1975 I R 241/73 (BFHE 115, 384, 384, BStBl II 1975, 587) und vom 20. Mai 1981 I R 229/78 (BFHE 133, 290, BStBl II 1981, 626) entschieden, daß unter ,,Frist zur Abgabe der Steuererklärung" i. S. des § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG 1975 die allgemeine oder die im Einzelfall verlängerte Frist für die Abgabe der Steuererklärung zu verstehen ist. Sie ist eine Ausschlußfrist, deren Wesen darin besteht, daß das Antragsrecht nach Ablauf der Frist nicht mehr geltend gemacht werden kann.

2. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hatte das FG gegenüber der Klägerin die Frist zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärung 1975 bis zum 31. Dezember 1976 verlängert. Eine darüber hinausgehende Fristverlängerung wurde nicht verfügt. Deshalb lief die Frist für die Antragstellung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG 1975 im Streitfall am 31. Dezember 1976 ab. Bis zum Ablauf dieses Tages hat die Klägerin keinen Antrag nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG 1975 gestellt.

3. Die Klägerin ist auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht so zu behandeln, als ob das FA die Frist zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärung 1975 bis zum 28. Februar 1977 verlängert hätte. Zwar hat das FA den Fristverlängerungsantrag der Klägerin vom 12. Januar 1977 nicht förmlich beschieden. Auch kann ein Vertrauenstatbestand beim Steuerpflichtigen durch Schweigen oder Unterlassen einer Finanzbehörde begründet werden. Dies setzt jedoch voraus, daß der Steuerpflichtige Erklärungen oder Handlungen der Finanzbehörde erwarten konnte und durfte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. November 1961 V 218/59 U, BFHE 74, 250, BStBl III 1962, 94). Daran fehlt es, wenn der Steuerpflichtige einen Antrag auf Verlängerung der Frist für die Abgabe einer Steuererklärung stellt, die er beim FA bereits eingereicht hat. Dazu ist davon auszugehen, daß die von der Klägerin am 5. November 1976 dem Außenprüfer übergebene Körperschaftsteuererklärung 1975 eine solche i. S. der §§ 168 ff. der Reichsabgabenordnung (AO), § 6 KStG 1975, § 56 Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) war, durch die die Klägerin ihre Verpflichtung zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärung 1975 erfüllte. Unter einer Steuererklärung ist eine formalisierte, innerhalb einer bestimmten Frist abzugebende Auskunft des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters zu verstehen, die dem FA die Festsetzung der Steuer oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermöglichen soll und in der Regel zum Erlaß eines Steuerbescheides führt (vgl. Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 2. Aufl., § 149 Rz. 2). Ein Steuerpflichtiger hat deshalb seine Verpflichtung zur Abgabe einer bestimmten Steuererklärung erfüllt, wenn er dem FA die formalisierte Auskunft über den Besteuerungstatbestand und seine Bemessungsgrundlage in einer Weise erteilt, daß dieses die Steuer festsetzen bzw. die Besteuerungsgrundlagen feststellen kann. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt, weil die Klägerin die Körperschaftsteuererklärung 1975 auf dem dafür vorgesehenen Vordruck eingereicht hat. Die Erklärung war von dem Geschäftsführer der Klägerin unterschrieben und enthielt alle für die Festsetzung der Körperschaftsteuer 1975 notwendigen Angaben.

Ob die Angaben der Klägerin in der abgegebenen Körperschaftsteuererklärung vom 5. November 1976 inhaltlich zutrafen, ist für die wirksame Erfüllung der Erklärungsabgabeverpflichtung unerheblich. Die Abgabe der Erklärung ist losgelöst von ihrer inhaltlichen Richtigkeit oder Vollständigkeit zu beurteilen. Dies folgt im Umkehrschluß aus § 165e AO (§ 153 der Abgabenordnung - AO 1977 -), weil die dort vorgeschriebene Berichtigung einer Steuererklärung undurchführbar wäre, wenn eine unrichtige oder unvollständige Erklärung keine solche i. S. der §§ 168 ff. AO (§§ 149 ff. AO 1977), § 6 KStG 1975, § 56 Abs. 1 Satz 1 EStDV wäre. Zwar werden Steuererklärungen in der Praxis gelegentlich auch als ,,vorläufige" bezeichnet oder mit Vorbehalten versehen. Für den Streitfall bedarf es jedoch keines Eingehens auf die Frage, ob ein Steuerpflichtiger durch die Abgabe einer ,,vorläufigen Steuererklärung" bzw. einer solchen unter Vorbehalt seinen Verpflichtungen aus §§ 168 ff. AO (§§ 149 ff. AO 1977), § 6 KStG, § 56 Abs. 1 Satz 1 EStDV nachkommt (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1968 I R 177/67, BFHE 93, 142, BStBl II 1968, 723), weil die Klägerin ihre Körperschaftsteuererklärung vom 5. November 1976 weder als ,,vorläufige" bezeichnet noch unter irgendeinen Vorbehalt gestellt hat.

Schließlich steht der Annahme des FG, die Klägerin habe ihre Körperschaftsteuererklärung 1975 bereits am 5. November 1976 abgegeben, nicht entgegen, daß damals die Bilanz 1975 von den Gesellschaftern der Klägerin noch nicht genehmigt und über die Gewinnverteilung noch nicht beschlossen war. Zwar folgt aus § 6 KStG 1975 i. V. m. § 60 Abs. 2 EStDV, daß der Körperschaftsteuererklärung 1975 eine Abschrift der Bilanz 1975 beigefügt werden mußte. Nach § 166 Abs. 2 Satz 3 AO (§ 150 Abs. 4 AO 1977) ist die Abschrift der Bilanz deshalb jedoch kein Teil der Steuererklärung, sondern nur eine Unterlage zu derselben. Daraus folgt, daß formelle oder materielle Mängel der Bilanz nicht die Erfüllung der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung berühren.

Hatte deshalb die Klägerin ihre Körperschaftsteuererklärung 1975 bereits am 5. November 1976 beim FA abgegeben, so konnte sie nicht erwarten, daß ihr am 12. Januar 1977 gestellter Antrag auf Fristverlängerung positiv beschieden wurde. Vielmehr mußte sie davon ausgehen, daß das FA den Antrag - wie geschehen - als gegenstandslos behandelte. Wenn die Klägerin dennoch mit einer positiven Bescheidung ihres Antrages gerechnet haben sollte, so verdient ihr Vertrauen rechtlich keinen Schutz, weil es auf eigenes, in sich widersprüchliches Verhalten zurückgeht. Aufgrund des Verhaltens der Klägerin mußte das FA davon ausgehen, daß der Fristverlängerungsantrag irrtümlich gestellt worden war und es keiner Bescheidung bedurfte.

4. Hat die Klägerin den Antrag nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG 1975 nicht rechtzeitig gestellt, so ist sie von der Rechtsfolge der Vorschrift, wie eine Publikumsgesellschaft gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1975 besteuert zu werden, ausgeschlossen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414626

BFH/NV 1987, 704

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