Leitsatz (amtlich)

Eine Lehrkraft, die unter Fortfall ihrer Dienstbezüge vom inländischen Arbeitgeber beurlaubt und von einem französischen Schulträger angestellt ist, um an einer Schule in Frankreich zu unterrichten, ist nicht gemäß § 1 Abs.2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig, auch wenn sie vom Bundesverwaltungsamt Zuwendungen gemäß § 44 BHO erhält. Die Bundesrepublik Deutschland ist in diesem Fall nicht inländischer Arbeitgeber.

 

Orientierungssatz

1. Arbeitslohn ist alles, was als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, wobei es weniger auf den rechtlichen als auf den tatsächlichen Zusammenhang der Einnahmen ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 17.7.1981 VI R 205/78).

2. Im Verfahren, das nur die Festsetzung der Einkommensteuer betrifft, kann nicht über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen gemäß § 36 EStG oder die Erstattung gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 eines höheren Betrages an einbehaltener Lohnsteuer entschieden werden (vgl. BFH-Urteil vom 26.2.1982 VI R 123/78).

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 2, §§ 36, 38; AO 1977 § 37 Abs. 2; LStDV § 1 Abs. 2; GG Art. 3; DBA FRA Art. 14; BHO § 44; LStDV § 2; EStG § 19 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger war als Studienrat im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg tätig. Er schloß mit dem Deutschen Schulverein in Paris --einem rechtsfähigen Verein nach französischem Zivilrecht-- einen Dienstvertrag ab und verpflichtete sich, ab dem ... an der Deutschen Schule Paris zu unterrichten. Das Bundesverwaltungsamt, Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, stimmte dem Vertrag zu. Der Kläger wurde vom Land Baden-Württemberg mit Wirkung ab dem ... unter Wegfall der Dienstbezüge in den Auslandsschuldienst beurlaubt. Er erhielt wie andere Auslandsschullehrer Zuwendungen gemäß § 44 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) von dem Bundesverwaltungsamt. Diese Zuwendungen sind freiwillige Leistungen, die im Rahmen der Haushaltsmittel gewährt werden. Die Zeit der Beurlaubung wurde auf das Besoldungsdienstalter des Klägers voll angerechnet. Der Kläger zog mit seiner Familie nach Frankreich um.

Für den Veranlagungszeitraum 1977 ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) eine Einkommensteuerschuld in Höhe von 3 458 DM, auf die die für den Zeitraum vom 1.Januar bis zum 31.August 1977 entfallende Lohnsteuer angerechnet wurde. Dabei berücksichtigte das FA die Einnahmen und Ausgaben nur insoweit, als sie in der Zeit bis zum 30.September 1977 (Aufgabe des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland --Bundesrepublik--) vereinnahmt und verausgabt worden waren. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid 1977 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung und das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1977 auf 6 462 DM festzusetzen. Ferner beantragen sie die Anrechnung der für den Zeitraum vom 1.Oktober bis 31.Dezember 1977 einbehaltenen Lohnsteuer auf die Einkommensteuerschuld. Hilfsweise möge sich der Senat mit der Rechtmäßigkeit des ab 1.September 1977 vorgenommenen Lohnsteuerabzugs befassen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet, sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Den von den Klägern gerügten Verfahrensfehler hält der Senat für nicht durchgreifend. Er sieht gemäß Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8.Juli 1975 (BGBl I, 1861, BStBl I, 932) i.d.F. des Gesetzes vom 3.Dezember 1987 (BGBl I, 2442, BStBl I, 800) von einer Begründung ab.

2. Die Kläger waren in der Zeit ab dem 1.Oktober 1977 nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Unbeschränkte Steuerpflicht der Kläger, die im September ihren Wohnsitz aufgegeben und von da ab keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr im Inland hatten (§ 1 Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--), könnte nur unter den Voraussetzungen des § 1 Abs.2 EStG bestanden haben.

Nach § 1 Abs.2 Satz 1 EStG sind auch deutsche Staatsangehörige, die weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, jedoch zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer öffentlichen Kasse beziehen, sowie zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, unbeschränkt steuerpflichtig. Diese Voraussetzungen sind jedoch in der Person der Kläger nicht erfüllt.

a) Das FG hat aus dem vorgelegten Dienstvertrag geschlossen, daß der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zu dem französischen Schulträger stand. An diese tatsächliche Würdigung ist das Revisionsgericht gebunden (§ 118 Abs.2 FGO). Das FG hat bei der tatsächlichen Würdigung des von ihm festgestellten Sachverhaltes nicht gegen allgemeine Auslegungs- oder Erfahrungsgrundsätze verstoßen. Gegen die tatsächliche Würdigung des FG spricht insbesondere nicht, daß die Bundesrepublik die Vergütung des Klägers übernahm. Diese Übernahme schließt es nicht aus, daß der Kläger vertraglich nur gegenüber dem französischen Schulträger gebunden war.

b) Das FG hat revisionsrechtlich fehlerfrei den Einwand des Klägers, sein Arbeitsvertrag sei nichtig, weil die Höhe der Vergütung nicht vereinbart worden sei, mit dem Hinweis auf die Grundsätze, die für faktische Vertragsverhältnisse gelten, als nicht entscheidungserheblich dahingestellt sein lassen.

c) Die Behauptungen des Klägers, der Dienstvertrag mit dem französischen Schulträger sei ein Scheingeschäft und die Beteiligten hätten mißbräuchlich eine besondere Vertragsform gewählt, sind neue Tatsachenvorträge, die revisionsrechtlich gemäß § 118 Abs.2 FGO nicht gewürdigt werden können, weil das Revisionsgericht an die Tatsachenfeststellungen des FG gebunden ist.

3. Ob der Kläger Arbeitslohn für ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts bezogen hat, ist revisionsrechtlich nachprüfbar (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., Anm.19 zu § 118) soweit die Frage die Auslegung des § 1 Abs.2 EStG betrifft. Das FG hat zu Recht verneint, daß der Kläger Arbeitslohn für ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts bezogen hat.

a) Arbeitslohn ist alles, was als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, wobei es weniger auf den rechtlichen als auf den tatsächlichen Zusammenhang der Einnahmen ankommt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.Juli 1981 VI R 205/78, BFHE 133, 553, BStBl II 1981, 773). Die nichtselbständige Arbeit des Klägers bestand darin, an der Deutschen Schule in Paris Unterricht zu geben. Für diese Arbeit wurde er bezahlt. Daß die Entlohnung von einem Dritten (Bundesrepublik) und nicht von dem eingetragenen Verein in Paris bezahlt wurde, ändert nichts daran, daß seine erhaltenen Bezüge Ertrag aus dieser Tätigkeit waren.

b) Dieser Arbeitslohn wurde nicht für, d.h. zur Erfüllung eines Dienstverhältnisses zu einer inländischen juristischen Person gezahlt. Denn der Kläger war unter Wegfall der Bezüge vom Land Baden-Württemberg beurlaubt. Die Zuwendung gemäß § 44 BHO wurde weder für seine Stellung als beurlaubter Beamter bezahlt noch weil er in Paris arbeitete, sondern weil die Bundesrepublik im Rahmen der kulturellen Verflechtungen ein Interesse an der Tätigkeit des Klägers an einer Deutschen Schule in Paris hatte. Zwar verpflichtete sich der Kläger durch Unterschrift gemäß Nr.7 der Allgemeinen Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen an im Ausland tätige Lehrkräfte vom 1.Januar 1977, die Pflichten aus dem Vertrag mit dem französischen Schulträger zu erfüllen und darüber hinaus im Rahmen der Förderung weitere Tätigkeiten im Interesse des kulturellen Austausches auszuüben. Zudem konnte die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen die Auslandslehrkraft mit besonderen Aufgaben betrauen. Des weiteren mußte sich der Kläger verpflichten (§ 9 der Allgemeinen Richtlinie), das Ansehen der Bundesrepublik im Gastland nicht zu schädigen. Dennoch erhielt der Kläger seinen Arbeitslohn nicht aufgrund dieser Verpflichtungen. Die Pflichten gemäß Nr.7 ff der Allgemeinen Richtlinie waren unentgeltliche Pflichten, denen der Kläger wegen seiner besonderen Stellung als deutscher Lehrer an einer ausländischen Schule unterlag.

c) Das FG hat auch den Begriff des Dienstverhältnisses i.S. des § 1 Abs.2 EStG auf den Streitfall richtig angewendet.

Ein Dienstverhältnis ist anzunehmen, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber (öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvorstand) seine Arbeitskraft schuldet (vgl. § 1 Abs.2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung --LStDV--), d.h. wenn die tätige Person unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein solches Dienstverhältnis lag zwischen dem französischen Schulträger und dem Kläger vor, nicht jedoch zwischen dem Kläger und der Bundesrepublik, wie das FG revisionsrechtlich fehlerfrei festgestellt hat. Denn der Kläger schuldete seine Arbeitskraft primär dem Verein. Zwar muß der Arbeitgeber nicht selbst Empfänger der Arbeitsleistung sein; zu ihm kann ein Dienstverhältnis auch dann bestehen, wenn die Arbeit einem Dritten zu leisten ist (Urteil des BFH vom 29.November 1966 I 216/64, BFHE 88, 370, BStBl III 1967, 392). Jedoch muß dann dem Auftraggeber ausdrücklich die Befugnis eingeräumt sein, sein Recht auf Dienstleistung einem anderen zu überlassen. Im Streitfall bestand jedoch keinerlei Wahlrecht der Bundesrepublik, den Kläger anderweitig einzusetzen. Dies zeigt, daß die Dienstleistung dem französischen Verein geschuldet wurde und die Zuwendungszusage den Zweck verfolgte, diese Verpflichtung gegenüber dem Verein dem Kläger wirtschaftlich zu ermöglichen und den Verein von seiner finanziellen Verpflichtung freizustellen.

Die Rüge des Klägers, nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise müsse ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person bestanden haben, greift nicht durch. Es geht in § 1 Abs.2 EStG nicht um eine an dem Gehalt der Steuerrechtsnorm orientierte und vom Zivilrecht abweichende Bestimmung des Begriffs "Dienstverhältnis" (vgl. Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 6.Aufl., Anm.13 a zu § 2 EStG). Dieser Begriff ist bereits in einer Steuerrechtsnorm (§ 1 Abs.2 LStDV) festgelegt.

4. Da § 1 Abs.2 Satz 1 EStG tatbestandlich nicht erfüllt ist, kann auch dahinstehen, ob die Voraussetzungen des Satzes 2 gegeben sind.

5. Die Annahme der unbeschränkten Steuerpflicht nur bis zum 30.September 1977 stellt keine Verletzung des Art.3 des Grundgesetzes (GG) dar. Die Kläger vergleichen einen privaten Arbeitnehmer, der in Frankreich einen Wohnsitz hat und von einem deutschen Arbeitgeber bezahlt wird, mit einer Person, die i.S. des Art.14 des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich (DBA-Frankreich) Bezüge von einer inländischen Kasse erhält. Diese Vergleichsperson wird nach Ansicht der Kläger ungleich behandelt, weil der private Arbeitnehmer in Frankreich unbeschränkt steuerpflichtig sei, der öffentlich Bedienstete aber nicht.

Diese Beurteilung entspricht jedoch nicht der Rechtslage nach dem französischen und deutschen Steuerrecht; denn beide Personengruppen sind, sofern sie in Frankreich einen Wohnsitz haben, dort unbeschränkt steuerpflichtig. Die Kläger unterfallen jedoch nicht, wie sie irrig annehmen, einer dieser Gruppen. Denn die Bezüge des Klägers sind nicht solche nach Art.14 DBA-Frankreich, da der Kläger keinen inländischen Arbeitgeber (auch i.S. des § 38 Abs.1 EStG) hat. Bezogen auf dieses Vergleichspaar ist somit der Kläger nicht ungleich betroffen.

6. Über den Hilfsantrag der Kläger --die Rechtmäßigkeit des Lohnsteuerabzugs vom 1.September 1977 bis 31.Dezember 1977 soll geprüft werden-- kann der Senat in dem anhängigen Verfahren nicht befinden. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1977 betrifft nur die Festsetzung der Einkommensteuer. Die Anrechnung gemäß § 36 EStG oder die Erstattung gemäß § 37 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) eines höheren Betrages an einbehaltener Lohnsteuer ist in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen (Urteil vom 26.Februar 1982 VI R 123/78, BFHE 135, 211, BStBl II 1982, 403).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62025

BStBl II 1988, 768

BFHE 153, 215

BFHE 1989, 215

DB 1988, 1980-1981 (LT)

HFR 1988, 501 (LT1)

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