Leitsatz (amtlich)

Das berechtigte Interesse an einer baldigen Feststellung, das beklagte FA sei für die Besteuerung des Klägers zuständig, kann nicht mit der Behauptung begründet werden, für den Kläger bestehe die Gefahr, sowohl von dem beklagten als auch von einem anderen FA herangezogen zu werden, wenn das beklagte FA erklärt hat, keine Steuerbescheide gegen den Steuerpflichtigen zu erlassen, solange das andere FA seine Zuständigkeit bejaht.

 

Normenkette

FGO § 41; AO §§ 71 ff.

 

Tatbestand

Die Klägerin - eine KG - klagt als Rechtsnachfolger einer GmbH, die im Juli 1970 in diese KG umgewandelt worden ist. Die GmbH hatte ursprünglich ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Bremen. Sie hat den Sitz im Laufe des Jahres 1966 nach Berlin-West verlegt. Das beklagte FA in Berlin ist ursprünglich davon ausgegangen, die Geschäftsleitung der GmbH sei in seinen Bereich verlegt worden. Auf Grund von Ermittlungen gab das beklagte FA die Akten an das FA Bremen-Mitte zurück, das die Besteuerung bisher durchgeführt hatte. Die Geschäftsleitung der GmbH sei in diesem Land geblieben; die Geschäftsführer der GmbH seien in Berlin (West) niemals erreichbar gewesen; die Bücher und Bilanzen der GmbH seien in Bremen geführt bzw. erstellt worden.

Als es das beklagte FA den Bevollmächtigten der GmbH gegenüber ablehnte, die Besteuerung dieser GmbH wieder zu übernehmen, erhob diese Klage mit dem Antrag,

festzustellen, daß die Zuständigkeit der beklagten Behörde für die Besteuerung vom Umsatz und Ertrag über den 1. Januar 1967 hinaus bis zum 7. Juli 1970 bestanden hat.

Ihr Interesse an der begehrten Feststellung begründete sie mit der Gefahr, von beiden FÄ in Anspruch genommen zu werden. Sie begehre nicht irgendwelche Vergünstigungen für in Berlin (West) ansässige Gewerbetreibende. Vielmehr habe sie ihren Sitz auf Grund einer Gebietsschutzvereinbarung mit ausländischen Geschäftspartnern ihrer Gesellschafter von Bremen nach Berlin (West) verlegt.

Das FG, das das FA Bremen-Mitte beigeladen hat, hat die Klage mangels Interesses an baldiger Feststellung abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter; hilfsweise beantragt sie, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das Gericht habe nicht geprüft, ob § 78 Abs. 1 AO im Streitfall anwendbar sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet. Die mündliche Verhandlung hat dem Senat keinen Anlaß gegeben, von der im Vorbescheid vom 23. Juni 1971 vertretenen Rechtsauffassung abzuweichen.

Gemäß § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat; Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift schließt das Klagerecht aus, soweit der Kläger sein Recht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

1. Der Klageantrag bedarf der Auslegung. Die Klägerin möchte in Wirklichkeit festgestellt wissen, daß die beklagte Behörde in Vollziehung des UStG, KStG und GewStG für alle Besteuerungsmaßnahmen zuständig ist, die sich aus der Tatsache ergeben, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin während des Zeitraumes vom 1. Januar 1967 bis zum 7. Juli 1970 (Tag des Erlöschens der GmbH gemäß §§ 5, 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 20 UmwG 1956, BStBl I 1957, 471) Steuersubjekt auf Grund des UStG, KStG und GewStG war. Sie will nicht, wie die reine Wortauslegung des Antrages ergäbe, festgestellt wissen, daß die Zuständigkeit des Beklagten nur während dieses Zeitraumes bestanden habe.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine in dem vorstehend dargelegten Sinne verstandene Feststellung auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist und wer das Subjekt eines solchen Rechtsverhältnisses sein könnte. Zugunsten der Klägerin kann ohne nähere Prüfung unterstellt werden, ihr formal gegen die beklagte Behörde gerichteter Antrag sei auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 41 FGO gerichtet. Auch in diesem Falle ist die Klage unzulässig.

a) Soweit das beigeladene FA Maßnahmen in Vollziehung des UStG, KStG und GewStG im Hinblick auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin getroffen hat, ist die Feststellungsklage nicht gegeben, weil die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin entsprechende Verwaltungsakte gegenüber der beigeladenen Behörde mit dem Ziel der Aufhebung wegen Unzuständigkeit dieser Behörde hätte verfolgen können bzw. verfolgen kann (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO). Es braucht nicht geprüft zu werden, in welchem Umfange das beigeladene FA gegenüber der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin in Vollziehung der genannten Steuergesetze seit dem 1. Januar 1967 tätig geworden ist. Da die Feststellungsklage im übrigen mangels eines berechtigten Interesses der Klägerin an der baldigen Feststellung unzulässig ist, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, daß das FG nicht festgestellt hat, welche Maßnahmen das beigeladene FA seit dem 1. Januar 1967 im einzelnen getroffen hat.

b) Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, daß die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung gegenüber dem beklagten FA hat, sind nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Das berechtigte Interesse an einer baldigen Feststellung des begehrten Inhalts kann nicht mit der Behauptung begründet werden, für die Klägerin bestehe die Gefahr, sowohl von dem beklagten als auch von dem beigeladenen FA als Rechtsnachfolgerin der GmbH herangezogen zu werden. Das beklagte FA hat erklärt, keine Steuerbescheide gegen die Klägerin (als Rechtsnachfolgerin der GmbH) zu erlassen, solange die beigeladene Behörde ihre Zuständigkeit bejahe.

Auch aus einem anderen Grunde kann ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO gerade gegenüber der beklagten Behörde nicht anerkannt werden. Das FG hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Klage nur formal gegen das beklagte FA gerichtet ist. Die Klägerin erhofft sich von einer Entscheidung im Sinne des Klageantrages, daß sich das beigeladene FA jeglicher Besteuerungsmaßnahmen in Vollziehung des KStG, GewStG und UStG im Hinblick auf ihre Rechtsvorgängerin enthält und die beklagte Behörde die Besteuerung übernimmt. Die Klägerin will also bestehende oder drohende Eingriffe durch das beigeladene FA dadurch abwehren, daß sie einen Ausspruch gegen das beklagte FA erstrebt, diese Behörde sei für solche Maßnahmen zuständig. Ihr Interesse an einem gesetzmäßigen Verfahren kann bei objektiver Betrachtung nur darauf gerichtet sein, Verwaltungsakte der Eingriffsverwaltung, die wegen Unzuständigkeit der sie erlassenden Behörde rechtswidrig sind, abzuwehren. Rechtlich schutzwürdige Interessen der Klägerin werden aber nicht berührt, wenn die (nach ihrer Ansicht) zuständige Behörde Eingriffsakte im Bereich des Abgabenrechts unterläßt; die Klägerin wird dadurch nicht beeinträchtigt.

3. Auch der Hilfsantrag kann der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen. Hierbei mag dahingestellt bleiben, ob § 78 AO Fälle der vorliegenden Art trifft. Auf Grund des Feststellungsantrages hatte das FG keinen Anlaß, zu prüfen, ob das beklagte FA und das beigeladene FA eine Zuständigkeitsvereinbarung hätten treffen sollen oder müssen. Mit der Feststellungsklage kann eine solche Vereinbarung auf keinen Fall erreicht werden.

4. Da die Abweisung der Klage als unzulässig bestätigt wird, braucht der Senat nicht zu prüfen, ob die Beiladung zulässig war und welche Rechtskraftwirkung das Urteil gegenüber der beigeladenen Behörde im Falle der Unzulässigkeit der Beiladung haben würde, wenn die Klage erfolgreich gewesen wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425930

BStBl II 1972, 353

BFHE 1972, 303

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