Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf die Steuerbefreiung eines Grundstücksumsatzes

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Unternehmer kann auf die Steuerbefreiung eines Grundstücksumsatzes verzichten, indem er ihn als steuerpflichtig behandelt. Dies geschieht regelmäßig dadurch, daß er die Lieferung des Grundstücks dem Leistungsempfänger unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung stellt oder in seiner Steueranmeldung als steuerpflichtig behandelt. Es reicht nicht aus, daß er in einem Rechtsstreit, der lediglich den Vorsteuerabzug früherer Jahre betrifft, "hilfsweise" auf die Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes verzichtet.

 

Orientierungssatz

Verzichtet der Unternehmer in einem dem Vorsteuerabzug folgenden Besteuerungszeitraum auf die Steuerfreiheit des Verwendungsumsatzes, so wirkt dies materiell-rechtlich auf den Vorsteuerabzug zurück.

 

Normenkette

UStG 1980 § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 9 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb ein Hotel, das im Januar 1987 durch einen Brand beschädigt wurde. Er versuchte, das Hotel wieder instandzusetzen. Aus den Reparaturrechnungen machte er in den Streitjahren (1987 und 1988) folgende Vorsteuerbeträge geltend:

1987 34 911,11 DM

1988 25 111,46 DM.

Zur Wiederaufnahme des Hotelbetriebs kam es nicht mehr, da die Instandsetzungsarbeiten wegen Finanzierungsproblemen eingestellt werden mußten und das Hotelgrundstück im Dezember 1989 auf Veranlassung der Stadtsparkasse N zu einem Meistgebot von 310 350 DM zwangsversteigert wurde. Der Ersteher führte später den Hotelbetrieb fort.

Im Anschluß an eine Außenprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Vorsteuerabzug, da die Zwangsversteigerung des Grundstücks steuerfrei gewesen sei (§ 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1980) und deshalb den Vorsteuerabzug ausschließe (§ 15 Abs. 2 UStG 1980).

Hiergegen erhob der Kläger Klage mit der Begründung, das Hotelgrundstück sei vor dem Brand zur Erzielung steuerpflichtiger Umsätze verwandt worden und habe auch nach Beendigung der Reparaturarbeiten zur Erzielung steuerpflichtiger Umsätze eingesetzt werden sollen. "Hilfsweise" verzichtete der Kläger in der Klageschrift auf die Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes.

Das Finanzgericht (FG) hielt den Verzicht für wirksam und gab deshalb der Klage gegen die Steuerbescheide wegen des geschilderten Streitpunkts statt.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen und formellen Rechts. Es meint, das Meistgebot sei vom Verkehrswert des Grundstücks abhängig, der ohne Umsatzsteuer zu ermitteln sei. Bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks sei es deshalb nicht möglich, auf die Umsatzsteuerfreiheit zu verzichten und aus dem Meistgebot Umsatzsteuer herauszurechnen (Hinweis auf Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1990, 101, 104 f.). Im übrigen sei der Verzicht auf die Steuerfreiheit auch deshalb nicht möglich gewesen, weil der Kläger gar nicht in der Lage gewesen sei, die Umsatzsteuer für den Grundstücksumsatz zu entrichten. Das FG sei unter Verstoß gegen § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Ergebnis gekommen, daß die aus der Option resultierenden Steuerschulden noch realisiert werden könnten.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß dem Kläger der streitige Vorsteuerabzug nur dann zusteht, wenn er auf die Steuerfreiheit der Grundstücksveräußerung wirksam verzichtet hat und daß ein solcher Verzicht auch bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks in Frage kommt. Dem vom FG festgestellten Sachverhalt kann jedoch nicht entnommen werden, ob der Kläger wirksam auf die Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes verzichtet hat.

a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Hierüber besteht kein Streit.

b) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 ist jedoch die Steuer für die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Maßgebend ist nicht die beabsichtigte, sondern die tatsächliche Verwendung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. November 1989 V R 85/84, BFHE 159, 272, BStBl II 1990, 345). Verzichtet der Unternehmer in einem dem Vorsteuerabzug folgenden Besteuerungszeitraum auf die Steuerfreiheit des Verwendungsumsatzes, so wirkt dies materiell-rechtlich auf den Vorsteuerabzug zurück.

Der Kläger hat die Reparaturleistungen, für die er den Vorsteuerabzug geltend macht, zur Ausführung des nachfolgenden Grundstücksumsatzes bezogen. Zur Ausführung anderer Umsätze im Zusammenhang mit dem Hotelgrundstück kam es nicht mehr.

c) Nach der Rechtsprechung des Senats führt die Zwangsversteigerung eines Grundstücks umsatzsteuerrechtlich zu einer Lieferung des Grundstückseigentümers unmittelbar an den Ersteher. Die Lieferung ist nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 steuerfrei.

Der frühere Grundstückseigentümer kann zwar auf die Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes gemäß § 9 UStG 1980 verzichten, und zwar auch noch nach Abschluß des Versteigerungsverfahrens. Dies hat der Senat mehrfach entschieden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 16. März 1993 V R 54/92 BFHE 171, 7, BStBl II 1993, 736, und vom 29. April 1993 V R 93/89, BFH/NV 1994, 510 m.w.N.). Auf die Frage, ob das Meistgebot Umsatzsteuer enthält, kann es bereits deshalb nicht ankommen, weil auf die Steuerfreiheit eines Umsatzes auch nachträglich verzichtet werden kann, ohne daß dies einen Einfluß auf die Höhe des zivilrechtlich geschuldeten Entgelts hat (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch II Rz. 604). Daß auf die Steuerfreiheit einer Grundstückslieferung im Zwangsversteigerungsverfahren verzichtet werden kann, ergibt sich mittlerweile auch aus § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1993, der für diesen Fall die Besteuerung im Abzugsverfahren vorsieht. Die Möglichkeit des Verzichts auf die Steuerfreiheit besteht ebenfalls dann, wenn der Vollstreckungsschuldner --wie in der Regel-- illiquide ist.

Das FG hat demnach grundsätzlich zutreffend entschieden, daß der Kläger auch während des vorliegenden Rechtsstreits bis zur Unanfechtbarkeit der Umsatzsteuerveranlagung für 1989 auf die Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes verzichten konnte.

Dem vom FG festgestellten Sachverhalt kann jedoch nicht entnommen werden, ob der Kläger tatsächlich wirksam auf die Steuerbefreiung verzichtet hat.

Gemäß § 9 Abs. 1 UStG 1980 erfolgt der Verzicht auf die Steuerbefreiung, indem der Unternehmer den Umsatz als steuerpflichtig behandelt. Dies kann dadurch geschehen, daß der leistende Unternehmer die Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer abrechnet oder daß er den Umsatz in seiner Steueranmeldung als steuerpflichtig behandelt (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 9 Bem.43-45; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz § 9 Rz. 22, 23; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch II Rz. 601).

Nach den Feststellungen des FG kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger dem Ersteigerer eine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer erteilt hat. Der Senat kann dem Urteil des FG auch nicht entnehmen, ob der Kläger den Grundstücksumsatz im Rahmen seiner Umsatzsteuerveranlagung für 1989 als steuerpflichtig behandelt hat. Das Urteil enthält keine Feststellungen zum Inhalt der Umsatzsteuererklärung des Klägers für 1989 und der sich anschließenden Veranlagung.

Entgegen der Auffassung des FG ist der hilfsweise Verzicht auf die Steuerbefreiung in der Klageschrift nicht ausreichend. Der Unternehmer behandelt einen an sich steuerfreien Umsatz nicht dadurch als steuerpflichtig, daß er in einem Rechtsstreit, der diesen Umsatz gar nicht betrifft, "hilfsweise" auf die Steuerfreiheit verzichtet. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung ist keine Prozeßerklärung und kann --jedenfalls dann, wenn der an und für sich steuerbefreite Ausgangsumsatz (hier: Grundstücksumsatz) gar nicht rechtshängig ist-- nicht hilfsweise erklärt werden. Durch das Urteil in der vorliegenden Sache kann lediglich die Höhe der Umsatzsteuer für die Streitjahre (1987 und 1988), nicht aber die Höhe der Umsatzsteuer für das Jahr 1989 rechtskräftig festgestellt werden. Es reicht deshalb nicht aus, daß der Kläger in dem Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer 1987 und 1988 hilfsweise auf die Steuerfreiheit des im Jahre 1989 getätigten Grundstücksumsatzes verzichtet hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65064

BFH/NV 1995, 37

BStBl II 1995, 426

BFHE 176, 491

BFHE 1995, 491

BB 1995, 1337

BB 1995, 1337-1338 (LT)

DB 1995, 711-712 (LT)

DStR 1995, 603-604 (KT)

DStZ 1995, 378 (KT)

HFR 1995, 339-340 (LT)

StE 1995, 240-241 (K)

WPg 1995, 520 (L)

StRK, R.25 (LT)

Information StW 1995, 350-351 (KT)

GStB 1995, Beilage zu Nr 6 (L)

UVR 1995, 179 (L)

BuW 1995, 275 (K)

UStR 1995, 400-401 (KT)

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