Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Zur ergänzenden Wechselwirkung der Vergünstigungsvorschriften der §§ 3 Ziff. 2, 6 Abs. 2 GrEStG, wenn bei Vollbeendigung einer zweigliedrigen KG durch den Tod des einen Gesellschafters ein Grundstück auf den überlebenden Gesellschafter übergeht, der zugleich Erbe des verstorbenen Gesellschafters ist.

Zur Ermittlung des Vermögensanteils im Sinne des § 6 Abs. 2 GrEStG, insbesondere im Falle eines negativen Kapitalkontos des überlebenden Gesellschafters.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Ziff. 2, § 6 Abs. 2

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob bei Vollbeendigung einer zweigliedrigen KG durch den Tod des einen Gesellschafters der übergang eines Grundstücks auf den überlebenden Gesellschafter und zugleich Miterben der Grunderwerbsteuer unterliegt und ob gegebenenfalls § 6 Abs. 2 GrEStG wegen eines "negativen Kapitalkontos" des überlebenden Gesellschafters nicht anwendbar ist.

I. - Der am ... Oktober 1960 verstorbene, von den Bfinnen. beerbte Fabrikant X. (Steuerpflichtiger) war persönlich haftender Gesellschafter einer KG. Kommanditistin war seine Mutter; nach deren Tod am ... Januar 1958 ging die KG mit allen Aktiven und Passiven auf den Steuerpflichtigen über, der das Unternehmen auf Grund des Gesellschaftsvertrages als Einzelfirma fortführte.

In dem Erwerb des zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücks erblickte das Finanzamt einen grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG und setzte eine Grunderwerbsteuer von 1.110 DM fest; als Wert der Gegenleistung legte es die in der "Einkommensteuerbilanz per ... April 1958" ausgewiesenen Werte für Grund und Boden und Gebäude zugrunde. § 6 Abs. 2 wandte das Finanzamt nicht an, da der Steuerpflichtige zur Zeit des übergangs nicht über ein positives Kapitalkonto verfügt habe.

Mit dem Einspruch begehrte der Steuerpflichtige Freistellung von der Grunderwerbsteuer. Durch den Tod der Kommanditistin sei die KG aufgelöst und er der Alleininhaber der Firma und damit auch ohne Eigentumsübertragung Alleineigentümer des Grundstücks geworden. Eine bloße Grundbuchberichtigung könne keine Grunderwerbsteuerpflicht auslösen. Zumindest könne die Steuer nicht von dem ganzen Grundstückswert berechnet werden, da er bereits vorher anteilig Eigentümer des Grundstücks gewesen sei.

Das Finanzamt wies den Einspruch unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats II 167/53 S vom 11. November 1953 (BStBl 1953 III S. 372, Slg. Bd. 58 S. 211) als unbegründet zurück.

Mit der außer auf § 6 GrEStG auch auf § 3 GrEStG gestützten Berufung machte der Steuerpflichtige ergänzend geltend, daß er neben seinen Schwestern zu 1/3 Miterbe seiner Mutter geworden sei, und daß die Abreden im Rahmen des Gesellschaftsvertrages nicht nur rein gesellschaftsrechtlicher, sondern auch erbrechtlicher Natur zumindest hinsichtlich seiner Erbeinsetzung bezüglich des Grundstücks gewesen seien, so daß er das Grundstück durch Erbgang erhalten habe. Außerdem müßten bei Errechnung seines Kapitalanteils am Gesamtvermögen die wahren Vermögenswerte unter Berücksichtigung der stillen Reserven ermittelt werden.

Das Finanzgericht teilte die Auffassung des Finanzamts und lehnte die Anwendung des § 3 Ziff. 2 und Ziff. 6 GrEStG ab, da das Grundstück nicht kraft Erbrechts, sondern kraft Gesellschaftsrechts auf den Steuerpflichtigen übergegangen sei und eine KG begrifflich mit niemandem verwandt sein könne. Ebenso sei § 6 GrEStG wegen des laut Bilanz negativen Kapitalkontos nicht anwendbar, die wegen etwaiger stiller Reserven nicht korrigiert werden dürfe.

Mit der Rb. rügen die Bfinnen. Versagung des rechtlichen Gehörs und unrichtige Anwendung des § 6 GrEStG, da die Beteiligung des Steuerpflichtigen an der KG nur auf Grund eines besonderen Vermögensstatuts hätte festgestellt und hierbei die Grundstücke nicht mit dem Einheitswert, sondern mit dem gemeinen Wert hätten angesetzt werden müssen.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rb. hat im Ergebnis Erfolg.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das rechtliche Gehör der Bfinnen. deshalb verletzt ist, weil sie als Erben und Gesamtrechtsnachfolger des Steuerpflichtigen von dem Rechtsstreit verspätet Kenntnis erlangt hatten und sich deshalb in der Tatsacheninstanz nicht zur Sache äußern konnten, wenn auch der Steuerpflichtige durch einen Rechtsanwalt vertreten war, der seinerseits den Tod des Steuerpflichtigen erst nach Ergehen des Urteils des Finanzgerichts mitteilte. Denn die Bfinnen. sind bereits aus anderen Gründen von der angeforderten Grunderwerbsteuer freizustellen. Deshalb ist es im Streitfall auch unerheblich, daß das Finanzamt als Gegenleistung unzutreffend den Bilanzwert des Grundstücks genommen hat, statt die gesamte Gegenleistung aus den gesamten Passiven und evtl. zusätzlichen Leistungen zu ermitteln und im Verhältnis des gemeinen bzw. des Teilwertes des Grundstücks zu entsprechenden Werten der anderen Aktiven zu verteilen; vgl. insoweit Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 11 Tz. 70, 305 ff.

Das Finanzgericht hat in seiner, allerdings zeitlich vor Veröffentlichung des Urteils des Senats II 155/60 U vom 31. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 579, Slg. Bd. 77 S. 706) ergangenen Entscheidung die Anwendung des § 3 Ziff. 2 GrEStG zu Unrecht abgelehnt. Das Finanzgericht ist zwar unter Bezugnahme auf das o. a. Urteil II 167/53 S vom 11. November 1953, a. a. O., zutreffend davon ausgegangen, daß der Steuerpflichtige das anteilige Eigentum an dem Grundstück an sich nicht kraft Erbrechts, sondern kraft gesellschaftsrechtlicher Anwachsung von der KG nach §§ 105 Abs. 2, 138, 142 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB in Verbindung mit dem entsprechend anzuwendenden § 738 BGB erworben hat. Diese Rechtsauffassung hat der Senat auch in dem o. a. Urteil II 155/60 U vom 31. Oktober 1963, a. a. O., aufrechterhalten (vgl. insoweit auch Urteil des Senats II 9/62 U vom 28. April 1965, BStBl 1965 III S. 422, 423 rechte Spalte oben zu II 2); er hat aber gleichzeitig, um entsprechend dem Zweck der Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG eine doppelte Besteuerung durch Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer auszuschließen, diese Vorschrift dahin ausgelegt, daß die Worte "Grundstückserwerb von Todes wegen" im Sinne von "durch Todesfall veranlaßt" zu verstehen sind. In einem ergänzenden Urteil II 130/63 U vom 25. November 1964 (BStBl 1965 III S. 173, Slg. Bd. 81 S. 478) hat der Senat diese Grundsätze auch dann angewendet, wenn der überlebende Gesellschafter nicht Alleinerbe, sondern nur Miterbe des verstorbenen Gesellschafters ist. Dem Unterschied, daß der mit dem Tode der Mitgesellschafterin entstehende Auseinandersetzungsanspruch auch bürgerlich-rechtlich nicht durch Konfusion erlischt, weil er nicht auf den das Unternehmen fortführenden Gesellschafter allein, sondern auf die aus ihm und den anderen Miterben gebildete Erbengemeinschaft übergeht, hat der Senat für die grunderwerbsteuerrechtliche Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG keine Bedeutung beigemessen. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf die beiden Urteile II 155/60 U und II 130/63 U, a. a. O., Bezug genommen.

Nach den insoweit unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Finanzgerichts ist davon auszugehen, daß dem Steuerpflichtigen durch den Tod seiner Mutter als seiner einzigen Mitgesellschafterin deren Anteil am Betriebsvermögen, also auch am Grundstück der KG angewachsen ist. Damit ist aber der Grundstückserwerb im obigen Sinn "durch Todesfall veranlaßt" und nach § 3 Ziff. 2 GrEStG bei Miterben gegebenenfalls in Verbindung mit dem ebenfalls sinngemäß zu lesenden § 3 Ziff. 3 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Dies gilt im Streitfall um so mehr, als der Gesellschaftsvertrag, der - wie die Rechtsmittelführer zutreffend bemerken - zweifellos bereits Elemente einer Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse auf den Todesfall enthält, indem er für den Fall des Todes der Kommanditistin zugunsten des Steuerpflichtigen als ihres Erben eine entsprechende Regelung vorsah, nach der die übrigen Miterben in Geld abzufinden waren.

Die Vorentscheidungen, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen sind, waren wegen Rechtsirrtums aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Unter Aufhebung auch des Steuerbescheids waren die Bfinnen. von der angeforderten Grunderwerbsteuer freizustellen, ohne daß es aus den folgenden Erwägungen hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 6 Abs. 2 GrEStG noch entscheidend auf die weitere Streitfrage über die Höhe eines - wie die Vorinstanzen meinen - angeblich negativen Kapitalkontos des Steuerpflichtigen ankäme. Denn man kann zwar unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der dem überlebenden Gesellschafter zustehende Anteil am Gesellschaftsvermögen nicht zum Nachlaß des erstverstorbenen Gesellschafters gehört, der Meinung sein, daß deshalb die völlige Freistellung des Erwerbs des Grundstücks durch den überlebenden Gesellschafter aus § 3 Ziff. 2 GrEStG allein nicht gerechtfertigt ist. Gleichwohl müßte die Vergünstigungsvorschrift des § 6 Abs. 2 GrEStG in Fällen der streitigen Art ergänzend und in Wechselwirkung zu § 3 Ziff. 2 GrEStG zur völligen Freistellung von der Grunderwerbsteuer führen, und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe der Vermögensanteile (sogenannte "Kapitalsanteile") der bisherigen beiden Gesellschafter an der KG. Hinsichtlich des Vermögensanteils des erstverstorbenen Gesellschafters ergäbe sich die Freistellung aus § 3 Ziff. 2 GrEStG, hinsichtlich des Vermögensanteils des überlebenden Gesellschafters aus § 6 Abs. 2 GrEStG. Wäre der Vermögensanteil des letzteren Gesellschafters 0 DM oder gar negativ, so wäre dementsprechend grunderwerbsteuerrechtlich das ganze Vermögen (einschließlich eines evtl. schuldrechtlichen Ausgleichsanspruchs) dem erstverstorbenen Gesellschafter und somit in vollem Umfang dem Nachlaß mit der Wirkung zuzurechnen, daß zwar die Anwendung des § 6 Abs. 2 GrEStG nicht möglich, aber auch nicht nötig wäre, weil der Grundstückserwerb bereits nach § 3 Ziff. 2 GrEStG in vollem Umfang von der Besteuerung ausgenommen wäre.

Im übrigen richtet sich, wenn - wie im Streitfall - eine abweichende Auseinandersetzungsquote nicht vereinbart ist (ß 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 GrEStG), das Anteilsverhältnis im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG nicht - wie die Vorinstanzen anzunehmen scheinen - nach den Werten der Ertragsteuerbilanzen und auch nicht nach den besonderen Bewertungsvorschriften der §§ 18 bis 77 BewG, sondern nach den Vorschriften des Handelsrechts in Verbindung mit den allgemeinen Bewertungsvorschriften der §§ 2 bis 17a BewG (ß 1 BewG). Gerade bei veränderlichen Kapitalanteilen (§§ 120 Abs. 2, 161 Abs. 2, 167 HGB) wird durch ein negatives Kapitalkonto eine echte Schuld noch nicht ausgewiesen. Für Zwecke der Grunderwerbsteuer als einer Stichtagsteuer muß deshalb erforderlichenfalls auf den Zeitpunkt des Erwerbsvorganges eine besondere Vermögensaufstellung erstellt werden, in der die verschiedenen Wirtschaftsgüter zur Ermittlung des (wirklichen) Reinvermögens mit den Werten nach den o. a. allgemeinen Bewertungsvorschriften anzusetzen sind, insbesondere Grundstücke also nicht mit dem Einheitswert, sondern mit dem gemeinen bzw. mit dem Teilwert nach §§ 10, 12 BewG (vgl. auch Boruttau-Klein, a. a. O., § 6 Tz. 42 bis 47). Es ist also durchaus möglich, daß auch die auf diese Weise berücksichtigten stillen Reserven die Höhe der Anteile der Gesellschafter am Vermögen der KG wesentlich beeinflussen (vgl. auch Boruttau-Klein, a. a. O., § 5 Tz. 26). Zur Ermittlung und Zurechnung dieser Anteile sei hier nur auf die §§ 120 bis 122, 161 Abs. 2, 167 bis 169 HGB, § 3 BewG und § 11 Ziff. 5 des Steueranpassungsgesetzes verwiesen. Denn aus den bereits dargelegten Gründen war es zur Freistellung der Bfinnen. von der Grunderwerbsteuer nicht mehr erforderlich, die wirklichen Anteile der früheren Gesellschafter am Vermögen der KG zu ermitteln.

Nur im Sinne der Grundsätze der beiden vorstehenden Absätze sind auch - dies sei zur Vermeidung von Mißverständnissen noch bemerkt - die für das dortige Ergebnis nicht entscheidenden Ausführungen im Urteil des Senats II 34/62 vom 25. November 1964, vorletzter Absatz (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 Nr. 185 S. 227), zu verstehen, wenn dort bemerkt ist, daß die Privatentnahmen rein buchmäßig zu einem negativen Kapitalkonto des überlebenden Gesellschafters führten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411770

BStBl III 1965, 670

BFHE 1966, 475

BFHE 83, 475

StRK, GrEStG:3 R 40

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