Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften zusammenveranlagter Ehegatten?

 

Leitsatz (NV)

Erzielen Eheleute, die in Gütergemeinschaft leben, gemeinschaftliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, so ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung dieser Einkünfte nach bestandskräftiger Zusammenveranlagung der Ehegatten zur Einkommensteuer nicht mehr durchzuführen, wenn ein Fall von geringerer Bedeutung im Sinne von § 215 Abs. 4 AO (nunmehr: § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO 1977) anzunehmen ist.

 

Normenkette

AO § 215 Abs. 4; AO 1977 §§ 173, 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3; EStG § 13

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für die Jahre 1974 bis 1976 erstmalig gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide für erzielte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erlassen sind, obwohl diese Einkünfte bereits in bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden erfaßt worden sind.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) leben laut Ehe- und Erbvertrag vom 27. Dezember 1973 in Gütergemeinschaft. Sie haben am 27. Dezember 1973 den 53,34 ha großen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb von der Mutter des Klägers übernommen. Diese war buchführungspflichtig. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb gehört zum Gesamtgut der Kläger und wird von ihnen gemeinsam bewirtschaftet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) forderte die Kläger zunächst nicht auf, für den übernommenen Betrieb Bücher zu führen. Der Einheitswert zum 1. Januar 1972 betrug 78 000 DM, zum 1. Januar 1974 101 700 DM und zum 1. Januar 1977 126 200 DM.

Mit den Einkommensteuererklärungen 1974 (Eingang 17. September 1975) und 1975 (Eingang 2. November 1976) reichten die Kläger auch die ausgefüllte Anlage L ein. Diese enthält in der Rubrik 3 die erforderlichen Flächenangaben, wenn der Gewinn nicht nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln ist. Das FA berechnete entsprechend diesen Angaben nach dem sog. Bayerischen Schätzungsverfahren den Gewinn für die Wirtschaftsjahre 1974/75 mit . . . DM und demnach für das zweite Halbjahr 1974 mit . . . DM und setzte für das vorhergehende Halbjahr des Wirtschaftsjahres 1973/74 die Hälfte des Gewinns von . . . DM an. Das ergab im Einkommensteuerbescheid 1974 vom 27. Februar 1976 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von insgesamt . . . DM.

Entsprechend verfuhr das FA bei den Einkommensteuerveranlagungen 1975 und 1976.

Die Kläger haben die Einkommensteuerbescheide 1974 bis 1976 nicht angefochten. Nachdem sie gegenüber der Aufforderung des FA, ab dem 1. Juli 1979 Bücher zu führen, bereits geltend gemacht hatten, im Fall der vorweggenommenen Erbfolge gehe die Buchführungspflicht nicht über, beantragten sie mit Schreiben vom 14. Juli 1979, die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für die Jahre 1974 bis 1976 nachzuholen. Das FA lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 24. August 1979 ab. Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft seien im Rahmen der nachzuholenden Gewinnfeststellung nach § 12 des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen (GDL) und § 13 a EStG zu ermitteln. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage brachten die Kläger vor, sie seien Mitunternehmer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes; da kein Fall geringerer Bedeutung i. S. von § 180 Abs. 3, 2. Alternative der Abgabenordnung (AO 1977) vorliege, dürfe das Feststellungsverfahren nicht unterbleiben.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) - wegen grundsätzlicher Bedeutung - zugelassenen Revision machen die Kläger die Verletzung von § 179 Abs. 2 i. V. m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 175 Abs. 1 Nr. 1 und § 173 AO 1977 sowie § 215 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 218 Abs. 4 und § 222 der Reichsabgabenordnung (AO) geltend.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, ihre Einkünfte aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb für die Jahre 1974 bis 1976 gesondert und einheitlich festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FA es abgelehnt, die Einkünfte der beiden Kläger aus dem von der Mutter des Klägers übernommenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb für die Streitjahre (1974 bis 1976) noch nachträglich gesondert und einheitlich festzustellen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Eine dahingehende Verpflichtung des FA hat nicht bestanden.

1. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 11. Oktober 1984 IV R 153/82 (BFHE 142, 398, BStBl II 1985, 189) im einzelnen dargelegt hat, kann eine gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung grundsätzlich auch dann noch durchgeführt werden, wenn die Einkommensteuerveranlagungen der Personen, denen die einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünfte anteilig zugerechnet werden sollen, bereits ergangen und bestandskräftig sind. Das hat zur Folge, daß die vor Erlaß des Grundlagenbescheides ergangenen und bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide entsprechend dem Inhalt der gesonderten und einheitlichen Feststellung zu ändern sind (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977).

Die Vorschriften des § 173 AO 1977 (früher § 222 AO) über die Aufhebung und Änderung von bestandskräftigen Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen und Beweismittel stehen dem nachträglichen Erlaß eines erstmaligen Feststellungsbescheides grundsätzlich nicht entgegen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat allerdings auch ausgesprochen, daß eine nachträgliche gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung unter besonderen Umständen unzulässig sein kann, z. B. wenn die Einkommensteuer, für deren Veranlagung die Feststellung zugrunde zu legen wäre, bereits verjährt ist (Urteil in BFHE 142, 398, 400, BStBl II 1985, 189, 190, unter 3., m.w.N.).

Der erkennende Senat hat es jedoch in dieser Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob als besonderer Umstand, der zur Unzulässigkeit einer nachträglichen gesonderten Gewinnfeststellung führt, auch die Tatsache zu werten ist, daß dem sowohl für den Erlaß des Gewinnfeststellungsbescheides als auch der Einkommensteuerbescheide zuständigen FA der Sachverhalt für die gesonderte Feststellung der betreffenden Einkünfte bei Erlaß der endgültigen und nur unter den Voraussetzungen des § 173 AO 1977 (früher § 222 AO) zu ändernden Einkommensteuerbescheide vollständig bekannt war, das FA also lediglich fehlerhaft anstelle des gebotenen Feststellungsbescheides entsprechende Einkommensteuerbescheide erlassen und dabei den Sachverhalt rechtsirrig gewürdigt hat (Urteil in BFHE 142, 398, 400, 401, BStBl II 1985, 189, 190).

2. Auch im Streitfall braucht diese Frage nicht entschieden zu werden. Es braucht auch nicht geprüft zu werden, ob die Voraussetzungen einer Änderung nach § 173 AO 1977 (§ 222 AO) vorliegen würden. Denn das FA hat die nachträgliche Durchführung gesonderter und einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre, um die es hier allein geht, schon deshalb mit Recht abgelehnt, weil es sich darauf berufen konnte, daß es sich um einen Fall von geringerer Bedeutung i. S. des § 215 Abs. 4 Satz 2 AO gehandelt hatte, bei dem es von einer einheitlichen Gewinnfeststellung absehen konnte und deshalb auch abgesehen hat.

a) Ein Fall von geringerer Bedeutung i. S. des § 215 Abs. 4 Satz 2 AO ist anzunehmen, wenn die Einkünfte leicht zu ermitteln, nach einfachem Schlüssel auf die Beteiligten zu verteilen und insbesondere die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bei den Beteiligten gering oder nahezu ausgeschlossen ist (Urteil des erkennenden Senats vom 4. Juli 1985 IV R 136/83, BFHE 144, 141, BStBl II 1985, 576). Unter diesen Voraussetzungen kann auch die gesonderte und einheitliche Feststellung von gemeinschaftlich erzielten Einkünften von Landwirts-Eheleuten unterbleiben, wenn diese im Güterstand der Gütergemeinschaft leben und der Hof gemeinschaftliches Vermögen der Eheleute (§ 1416 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches) ist.

b) So aber liegen die Verhältnisse im Streitfall. Die Kläger hatten keine Feststellungserklärung abgegeben, vielmehr in der Einkommensteuererklärung Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt und die Zusammenveranlagung beantragt. Dem FA war aber aufgrund der Veräußerungsmitteilung bekannt, daß die als Bauers-Ehegatten bezeichneten Kläger gemeinsam Erwerber des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes waren. Das ergab sich im übrigen auch aus der Mitteilung der Bewertungsstelle vom 28. Mai 1975 über die Wert- und Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1974, in der der Einheitswert mit 101 700 DM und die beiden Kläger als neue Eigentümer zu je ‹ ausgewiesen worden sind. Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen war wegen der beantragten Zusammenveranlagung nahezu ausgeschlossen und die Ermittlung der Einkünfte und ihrer Verteilung auf die Kläger unproblematisch (vgl. Urteil in BFHE 144, 141, BStBl II 1985, 576).

Auch im Hinblick darauf, daß die Kläger erstmalig mit Einkünften aus dem übernommenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb veranlagt wurden, war unter den gegebenen Umständen und mangels eines besonderen Interesses der Kläger ein besonderer Hinweis des FA, es wolle die Besteuerungsgrundlagen insoweit nicht selbständig feststellen, unter Geltung der AO noch entbehrlich, zumal dieser Hinweis keinen Verwaltungsaktcharakter gehabt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1966 IV 166/61, BFHE 85, 399, BStBl III 1966, 556, 559).

Einen Negativbescheid, wie ihn jetzt § 180 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I, 2436, BStBl I, 735) vorsieht (BFH-Beschluß vom 12. Juli 1988 IX B 28/88, BFH/NV 1989, 87, und Urteil vom 1. Dezember 1987 IX R 104/83, BFH/NV 1989, 99), mußten die FÄ unter der Geltung der AO nicht erlassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416465

BFH/NV 1990, 634

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