Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Kapitalzinsen am Maßstab des Art. 14 GG ist auf die typische und nicht auf die Auswirkung im Einzelfall abzustellen.

 

Normenkette

GG Art. 14; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 4

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 19.12.1978; Aktenzeichen 1 BvR 335/76, 1 BvR 427/76, 1 BvR 811/76)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) - Eheleute - hatten mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1971 beantragt, ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen (8 674 DM) von der Besteuerung freizustellen. Der Ansatz der Zinsen mit dem Nominalbetrag sei unzutreffend. Den Zinserträgen von durchschnittlich 6,25 v. H. des angelegten Kapitals stünde ein Kaufkraftschwund von 6,3 v. H. gegenüber.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision beantragen die Kläger, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Nominalzinsen bei der Einkommensteuer im Hinblick auf Art. 14 GG herbeizuführen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben. Sie rügen Verletzung materiellen Rechts (Art. 14 GG, § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Sie sind der Meinung, daß eine Mehrheit von Steuerpflichtigen durch die Besteuerung der Kapitaleinkünfte in ihren durch das Grundgesetz garantierten Eigentumsrechten verletzt würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der erkennende Senat hat in seinen Urteilen vom 14. Mai 1974 VIII R 95/72 und VIII R 162/73 (BFHE 112, 546, 567, BStBl II 1974, 572, 582) zur Besteuerung von in den Jahren 1969 und 1971 erzielten Einkünften aus Kapitalvermögen und zur Verfassungsmäßigkeit dieser Besteuerung unter allen dafür in Betracht kommenden Gesichtspunkten Stellung genommen. Er nimmt, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Gründe der angeführten Urteile Bezug.

2. Zu dem von den Klägern erhobenen Einwand, daß Art. 14 GG verletzt sei, weil der Zinssatz für langfristige Sparguthaben in ihrem Falle niedriger als die Geldentwertungsrate sei, hat der Senat in seiner Entscheidung VIII R 162/73 für das Streitjahr 1971 ebenfalls bereits Stellung genommen. Er ließ es - im Anschluß an das Urteil VIII R 95/72 - dahingestellt sein, ob bei einem Überwiegen der Geldentwertungsrate die Besteuerung von Kapitalzinsen gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verstößt, denn die Lebenshaltungskosten für alle privaten Haushalte hatten sich nach Auskunft der Deutschen Bundesbank nominell im Streitjahr um 5,2 v. H. erhöht, während langfristige Sparhuthaben mit 6,85 v. H. und festverzinsliche Wertpapiere mit 8,2 v. H. verzinst wurden. Davon ist auch im Streitfall auszugehen. Es fehlt hier - worauf der BFH schon in seinem Urteil vom 27. Juli 1967 IV 300/64 (BFHE 89, 422, BStBl III 1967, 690) hingewiesen hat - bereits an einem Eingriff in die Vermögenssubstanz. Ein solcher Eingriff aber wäre Voraussetzung für eine verfassungsrechtliche Prüfung am Maßstab des Art. 14 GG. Daß im Streitfall die Kläger tatsächlich niedrigere Zinsen erzielt haben, als sie für langfristige Sparguthaben oder für festverzinsliche Wertpapiere durchschnittlich erzielt wurden, hat auf die verfassungsrechtliche Beurteilung keinen Einfluß. Die Verfassungsmäßigkeit von allgemein geltenden Steuergesetzen kann nur an der Auswirkung gemessen werden, die diese auf eine ungewisse Anzahl von Fällen haben (vgl. BFH-Urteil vom 17. November 1972 III R 149-150/71, BFHE 107, 531, BStBl II 1973, 163, mit weiteren Nachweisen). Es ist also auf die typische und nicht auf die Auswirkung im Einzelfall abzustellen. In diesem Sinne müssen auch die genannten Urteile des erkennenden Senats verstanden werden. Entgegen der Ansicht der Kläger war aber ein Eingriff in die Vermögenssubstanz durch die Besteuerung der Kapitaleinkünfte für eine Mehrheit von Steuerpflichtigen im Jahre 1971 nicht gegeben. Wie der Senat in den mehrfach erwähnten Urteilen ausgeführt hat, kann von einem Eingriff in die Vermögenssubstanz durch eine Steuer solange nicht gesprochen werden, solange der Ertrag von langfristig angelegtem Kapital über der Geldentwertungsrate liegt. Das traf aber für 1971 zu. Ob aus der Differenz von Geldentwertungsrate und Kapitalertrag die Steuer entrichtet werden kann, ist, wie sich aus den Gründen der o. a. Urteile ableiten läßt (vgl. insbesondere das Urteil VIII R 95/72 unter B II 3. ab 7. Absatz), ohne Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71921

BStBl II 1976, 599

BFHE 1977, 75

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