Leitsatz (amtlich)

1. Überträgt der Vater seinen Hof auf seine Tochter und deren Ehemann zunächst in Miteigentum zu je 1/2 und wird dieser erste Übergabevertrag erst, nachdem die Ehegatten zwischenzeitlich Gütergemeinschaft vereinbart haben, dahin geändert, daß der Hof gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten nach ehelicher Gütergemeinschaft sein soll, so liegt darin keine Rückgängigmachung des steuerpflichtigen Erwerbsvorgangs hinsichtlich des Miteigentumsanteils des Ehemannes im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

2. In einem solchen Falle konnte für die Finanzverwaltungsbehörde Anlaß zur Prüfung von Amts wegen bestehen, ob nicht die Einziehung der Steuer nach Lage des Einzelfalles unbillig erscheint.

 

Normenkette

GrEStG § 17 Abs. 1 Nr. 1; AO § 131

 

Tatbestand

Der Bauer J. übertrug durch Vertrag vom 26. April 1963 (Vertrag I) seinen Hof auf seine Tochter und deren Ehemann (Kläger) je zur ideellen Hälfte. Das FA ließ den Erwerb der Ehefrau des Klägers gemäß § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei und setzte durch Steuerbescheid vom 27. August 1963 gegen den Kläger für den Erwerb seines Miteigentumsanteils eine Grunderwerbsteuer fest.

Der Kläger erhob am 29. August 1963 Einspruch. Am 30. September 1963 vereinbarte er mit seiner Ehefrau die Gütergemeinschaft. Durch Abänderungsvertrag vom selben Tag (Vertrag II) hoben der Bauer J. und die Eheleute die Vereinbarung des Vertrags I, wonach die Eheleute den Hof je zur ideellen Hälfte erhalten sollten, auf. Statt dessen überließ der Bauer J. den Hof den Eheleuten als gemeinschaftlichen Eigentümern nach ehelicher Gütergemeinschaft.

Entgegen der Auffassung des Klägers, daß nunmehr die Voraussetzungen des § 3 Nr. 6 bzw. § 17 GrEStG erfüllt seien, wies das FA den Einspruch zurück.

Auch die Berufung war erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ist nicht begründet.

Die Grunderwerbsteuerpflicht entsteht nicht erst mit Eigentumsübergang, sondern bereits mit dem wirksamen Zustandekommen des Verpflichtungsgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), ggf. bei genehmigungspflichtigen Erwerbsvorgängen im Zeitpunkt der Genehmigung (Urteil des BFH II 165/64 vom 5. März 1968, BFH 92, 43, BStBl II 1968, 416). Das FA hat zu Recht Grunderwerbsteuer aus dem auf den Erwerb des Miteigentums des Klägers gerichteten Vertrag I festgesetzt und den Antrag auf Nichterhebung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG abgelehnt. Diese Vergünstigungsvorschrift ist - soweit hier bedeutsam - nur anwendbar, wenn der Erwerbsvorgang wirklich aufgehoben wird, nicht aber, wenn er zwar "aufgehoben", das wirtschaftliche Ergebnis durch die nachfolgende Vereinbarung aber aufrechterhalten wird (BFH-Urteil II 65/52 S vom 12. August 1953, BFH 57, 748, BStBl III 1953, 284; vgl. auch Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 17 Tz. 77 bis 78 a, mit weiteren Nachweisen).

Das FG ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die Beteiligten durch den Vertrag II den Vertrag I nicht aufgehoben, sondern allenfalls geändert haben. Abgesehen davon, daß die Beteiligten selbst den Vertrag II als "Abänderung eines Übergabevertrags" bezeichneten, "blieben" nach dem vorletzten Absatz dieses Vertrags "alle übrigen Bestimmungen des Übergabevertrags vom 26.4.1963 ... unverändert". Insbesondere hoben die Beteiligten ausdrücklich nur den Teil der Vereinbarung, wonach die Eheleute den Hof je zur ideellen Hälfte erhalten sollten, auf mit der Maßgabe, daß der Vater der Ehefrau des Klägers den Hof den Eheleuten zu gemeinschaftlichem Eigentum nach der zuvor vereinbarten ehelichen Gütergemeinschaft überließ. Aus der gesamten Vertragsgestaltung ergibt sich, daß der Vater der Klägerin seinen Hof den Eheleuten von vornherein gemeinsam überlassen wollte, wenn auch ursprünglich zu ideellem Miteigentum und erst später in der stärkeren Bindung als Gesamthandeigentum. Es kann auch in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht bleiben, daß grunderwerbsteuerrechtlich die Gütergemeinschaft in Übereinstimmung mit dem bürgerlichen Recht (vgl. Felgentraeger in Staudinger, 10./11. Aufl., § 1416 BGB, Tz. 5, 6; Scheffler/Königer, Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 10./11. Aufl., § 1416, Anm. 3) kein selbständiger Rechtsträger ist, daß vielmehr auch der Erwerb eines Grundstücks zur gesamten Hand den in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten wie der Erwerb von ideellem Miteigentum als Erwerb je zur Hälfte zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteil II 49/63 vom 4. April 1967, BFH 88, 388). Danach konnte in dem Vertrag II keine so einschneidende Maßnahme erblickt werden, die es rechtfertigen könnte, den Vertrag I als im Sinne des § 17 GrEStG rückgängig gemacht zu bezeichnen. In grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht bewirkte er - unbeschadet der bürgerlich-rechtlichen Unterschiede auch zwischen Miteigentum und Gesamthandeigentum von Ehegatten (vgl. außer § 1419 BGB aber auch §§ 1424, 1426, 1365 BGB) - ohnehin keine Änderung der Rechtslage (vgl. hinsichtlich möglicher günstiger Auswirkungen für die Ehegatten das Urteil des Senats II 151/62 vom 7. Juli 1965, HFR 1965, 549).

Entscheidend ist, daß die Eheleute vor Abschluß des Vertrags II den wirksamen Gütergemeinschaftsvertrag vereinbart hatten (§ 1410, §§ 1415 ff. BGB). Gemäß § 1416 BGB wurde das Vermögen der Ehegatten - von den hier nicht in Betracht kommenden §§ 1417, 1418 BGB abgesehen - mit Abschluß des Ehevertrags kraft Gesetzes ohne weitere Übertragungsakte Gesamtgut (vgl. Felgentraeger, a. a. O., § 1416 BGB, Tz. 20 bis 23). Auch der durch den Vertrag I begründete Anspruch der Ehegatten auf Übereignung des Hofes fiel in das Gesamtgut (vgl. RGZ Bd. 84 S. 327) und verwandelte sich ebenfalls kraft Gesetzes in einen gesamthänderischen Anspruch auf Übereignung des Hofes zu Gesamtgut (vgl. Scheffler/Königer, a. a. O., § 1416, Anm. 3). Dementsprechend waren die von den Ehegatten erworbenen, bei Eintritt der Gütergemeinschaft aber noch nicht in das Grundbuch eingetragenen Grundstücke sogleich als Gesamtgut für beide Ehegatten im Grundbuch einzutragen, ohne daß das Grundbuchamt etwa den Antrag nur eines der Ehegatten wegen fehlender Zustimmung des anderen Ehegatten hätte zurückweisen dürfen, da anderenfalls das Grundbuch unrichtig geworden wäre (vgl. Felgentraeger, a. a. O. § 1416 BGB, Tz. 31 bis 35, mit weiteren Nachweisen auch zur Grundbuchordnung). In dieser Sicht konnte der Vertrag II eine Rechtsänderung nicht mehr bewirken, sondern allenfalls deklaratorisch festhalten, was bereits durch den Ehevertrag eingetreten war. Damit scheidet die Anwendung des § 17 GrEStG bereits mangels wirksamer Aufhebung des Vertrags I aus, ohne daß zu prüfen war, ob in der Vertragsgestaltung ein Mißbrauch im Sinne des § 6 des Steueranpassungsgesetzes erblickt werden müßte.

Andererseits ist nicht zu verkennen, daß die Beteiligten ihr Ziel ohne weiteres grunderwerbsteuerfrei in einer ausdrücklich durch das Gesetz gebilligten Weise hätten erreichen können, wenn sie - ohne Änderung im sachlichen Ergebnis - nur eine wenig andere Reihenfolge ihrer Verträge gewählt hätten, etwa derart, daß der Vater den Hof vor oder nach Abschluß des Ehevertrages seiner Tochter allein oder erst nach Abschluß des Ehevertrages auch beiden Eheleuten gemeinsam überlassen hätte (vgl. § 3 Nrn. 4 und 6 GrEStG; Urteil des RFH II A 14/28 vom 8. Februar 1928, RFH Bd. 23 S. 16; BFH-Urteil II 57/61 U vom 19. Juli 1962, BFH 75, 351, BStBl III 1962, 394; Boruttau-Klein, a. a. O., § 3 Tz. 59, 112).

Diese Erwägung kann zwar angesichts der tatsächlich anders gewählten Vertragsgestaltung nicht zur Steuerfreistellung aus Rechtsgründen führen, jedoch immerhin der dafür zunächst zuständigen Finanzverwaltungsbehörde Anlaß zur Prüfung geben, ob die Einziehung der Grunderwerbsteuer nicht nach Lage dieses Einzelfalles wegen unbilliger Härte gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 AO erlassen werden könnte. Der erkennende Senat ist dafür in diesem Verfahren nicht zuständig; allenfalls wäre eine etwa ablehnende Entscheidung der Finanzverwaltungsbehörde im Rechtswege überprüfbar. Es lag immerhin nicht außerhalb des Möglichen, noch während des Einspruchsverfahrens einen Erlaß der Grunderwerbsteuer gemäß § 131 AO zu erwägen. Da dies nicht geschehen ist und der Kläger hierdurch veranlaßt worden ist, den Rechtsweg zu beschreiten, hielt es der Senat für vertretbar, anzuordnen, daß die Kosten des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes nicht zu erheben sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68604

BStBl II 1969, 560

BFHE 1969, 66

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