Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ziff. 1 des Erlasses des Finanzministers des Landes Schleswig- Holstein vom 4. Februar 1965 (BStBl 1965 II S. 36) betreffend die Auswirkungen des zur VOL ergangenen Urteils des Bundesfinanzhofs IV 11/64 S vom 5. November 1964 (BStBl 1964 III S. 602) ist eine im Rahmen des § 131 AO ergangene, von den Steuergerichten zu beachtende Anpassungsregelung.

 

Normenkette

EStG § 29/1/1, § 13; VOL § 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, von welchem Zeitpunkt an ein Landwirt, dessen Gewinn nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) vom 2. Juni 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - 1949 S. 95) ermittelt wurde, wegen überschreitens der Umsatzgrenze von 40.000 DM (§ 1 Ziff. 3 VOL) als sogenannter Schätzungslandwirt zu behandeln ist.

Der steuerpflichtige Ehemann (Steuerpflichtiger) ist nichtbuchführender Landwirt. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft wurde zunächst nach der VOL ermittelt. Das Finanzamt ging von einem nach Durchschnittsätzen ermittelten Jahresumsatz von jeweils 37.616 DM aus. Der Steuerpflichtige führte keine Einnahmeaufzeichnungen im Sinne des § 15 Abs. 3 UStDB.

Auf Grund des Ergebnisses einer sich auf die Kalenderjahre 1953 bis 1960 erstreckenden Steuerfahndungsprüfung im Jahre 1961 schätzte das Finanzamt die Umsätze wie folgt: 1954 41.000 DM, 1955 bis 1957 je 45.000 DM, 1958 bis 1960 je 55.000 DM. Ausgehend von diesen auf Wirtschaftsjahre umgerechneten Umsätzen schätzte das Finanzamt vom Wirtschaftsjahr 1955/56 einschließlich ab auch die Gewinne. Es erließ für die Veranlagungszeiträume 1955 und 1956 Berichtigungsbescheide; für die Veranlagungszeiträume 1957 bis 1960 führte es erstmalige Veranlagungen durch.

Der Einspruch der steuerpflichtigen Eheleute blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht gab ihrer Berufung zum überwiegenden Teil statt. Es führte aus, daß die Gewinne bis einschließlich Wirtschaftsjahr 1958/59 nach der VOL und erst für die Folgezeit durch Schätzung zu ermitteln seien. Der Steuerpflichtige unterliege solange der Gewinnermittlung nach der VOL, als das Finanzamt ihm sein Ausscheiden aus dieser Gewinnermittlungsart durch Hinweis auf den Beginn seiner Buchführungspflicht und auf das überschreiten der Umsatzgrenze von 40.000 DM nicht mitgeteilt habe. Der Steuerpflichtige sei erstmals im Einkommensteuerbescheid für 1959 vom 27. April 1961 auf seine Verpflichtung zur Buchführung hingewiesen worden. Seine Buchführungspflicht und damit sein Ausscheiden aus der VOL- Besteuerung seien hiernach grundsätzlich erst zum 1. Juli 1961 eingetreten. Auch die überschreitung der Umsatzgrenze von 40.000 DM, die die spätere Steuerfahndung ergeben habe, führe noch nicht zu einem Ausscheiden aus der VOL- Besteuerung. Der Grundsatz von Treu und Glauben verlange indessen im Streitfall eine Ausnahme. Danach könne der Steuerpflichtige nur bis 30. Juni 1959 als VOL- Landwirt behandelt werden. Denn er habe für die Folgezeit seine Mitwirkungspflicht (besonders hinsichtlich seiner Sondereinnahmen) in erheblicher Weise verletzt. Das Finanzamt hätte bei Erfüllung der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an eine überschreitung der Umsatzgrenze festgestellt. Für die Zeit ab 1. Juli 1959 sei der Gewinn durch Schätzung (§ 217 AO) zu ermitteln.

Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit der Rb., daß das Finanzgericht den Steuerpflichtigen für die Streitjahre 1955 bis 1959 als VOL-Landwirt behandelt habe.

Der Steuerpflichtige wendet sich mit der Rb. gegen die Vorentscheidung, soweit sie die Veranlagungszeiträume 1959 und 1960 betrifft. Er ist der Ansicht, die Vorschriften der VOL müßten solange für die Gewinnermittlung angewendet werden, bis das Finanzamt den Steuerpflichtigen zur Buchführung auffordere, also im Streitfall bis einschließlich Wirtschaftsjahr 1960/61.

Der Bundesminister der Finanzen ist auf Ersuchen des Senats dem Verfahren nach § 287 Ziff. 2 AO beigetreten. Der Senat gab außerdem dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, sowie dem Zentralausschuß der deutschen Landwirtschaft Gelegenheit zur äußerung. Die Stellungnahmen, die vor allem die eingangs bezeichnete Grundsatzfrage betrafen, sind in der Entscheidung des erkennenden Senats IV 11/64 S vom 5. November 1964 (BStBl 1964 III S. 602, Slg. Bd. 80 S. 356) im wesentlichen wiedergegeben. Darauf wird Bezug benommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der erkennende Senat entschied im Urteil IV 11/64 S, daß der landwirtschaftliche Gewinn von dem Wirtschaftsjahr an nicht mehr nach den Vorschriften der VOL ermittelt werden kann, in dem der Umsatz die in § 1 Ziff. 3 VOL bezeichnete Grenze überschreitet. Für den übergang von der Gewinnermittlung nach der VOL zur Schätzung des Gewinns kommt es ausschließlich auf die objektive überschreitung dieser Umsatzgrenze an. Die Schätzung setzt nicht voraus, daß das Finanzamt den Steuerpflichtigen auf die überschreitung der Umsatzgrenze hingewiesen hat.

Inzwischen ist der Erlaß des Finanzministers des Landes Schleswig-Holstein vom 4. Februar 1965 ergangen (BStBl 1965 II S. 36). Dieser bestimmt, daß es bis zum Wirtschaftsjahr 1964/65 einschließlich bei der Regelung des Abschnitts 127 Abs. I Ziff. 1 EStR verbleibt, nach der der Gewinn erst von dem Wirtschaftsjahr ab nicht mehr nach der VOL ermittelt werden soll, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Umsatz von 40.000 DM überschritten wird, wenn diese Regelung für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Nach diesem Erlaß soll es also bei der bisherigen Verwaltungsübung verbleiben. Es handelt sich um eine Anpassungsregelung zur Milderung von Härten, wie sie § 131 Abs. 2 AO vorsieht. Eine solche Regelung ist für die Gerichte bindend (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 39/57 U vom 14. August 1958, BStBl 1958 III S. 409, Slg. Bd. 67 S. 354; VI 134/58 U vom 1. April 1960, BStBl 1960 III S. 231, Slg. Bd. 70 S. 621), wenn sie sich im Rahmen des § 131 AO hält. Das ist der Fall. Der übergang von der Gewinnermittlung nach der VOL zu der Gewinnermittlung durch Schätzung bedeutet in der Regel eine erhebliche Erhöhung der Steuer. Im Interesse der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen ist es daher vertretbar, die bisherige Handhabung auch in den verhältnismäßig wenigen, noch nicht abgeschlossenen Fällen aus Billigkeitsgründen beizubehalten.

Fraglich kann allerdings sein, ob die jetzige Anordnung der Verwaltung anerkannt werden darf, weil die Regelung in Abschnitt 127 Abs. I Ziff. 1 EStR im Gegensatz zu dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 16240 vom 11. September 1940 (RStBl 1940 S. 1051) stand. Der Reichsfinanzhof hatte die in dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 31. Dezember 1936 (RStBl 1937 S. 37) vertretene Auffassung bestätigt, daß der Umsatz des Kalenderjahres maßgebend ist, in dem das landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr, für das der Gewinn zu ermitteln war, beginnt. Die EStR II/1948 - 1950 enthielten in Abschnitt 133 die gleiche Regelung. Ab 1951 bestimmten die EStR in Abschnitt 133 jedoch, daß der steuerpflichtige Umsatz des Kalenderjahres maßgeblich ist, das dem Beginn des landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahres vorangeht. Diese Regelung war indessen vertretbar, da die Umsatzermittlung normalerweise an das Kalenderjahr anknüpft und da auf diese Weise auch eine rückwirkende Gewinnumstellung vermieden werden konnte. Der Bundesfinanzhof nahm zu den geänderten Richtlinien nicht Stellung. Lediglich in der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidung IV 376/56 vom 17. Dezember 1959 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 161, Rechtsspruch 5) wurde die Anordnung in den Richtlinien für die Fälle eines übernommenen Betriebs abgelehnt, wohingegen zu ihrer Anwendung in Fällen des fortgeführten Betriebes nichts gesagt wurde. Der Senat erwähnte in diesem Urteil die oben geschilderte änderung der Richtlinien, ohne die neue Fassung zu beanstanden. Von einer klar gegen das Gesetz oder gegen eine abweichende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verstoßenden Handhabung durch die Verwaltung kann daher keine Rede sein, so daß der Senat im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung für die Fälle der vorliegenden Art keine Bedenken dagegen trägt, daß die bisherige Behandlung für die noch zu erledigenden Fälle beibehalten wird.

Da das Finanzgericht von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, mußte sein Urteil aufgehoben werden. Das Finanzgericht muß jetzt, da die Höhe der im Kalenderjahr 1954 und in den Folgejahren bis 1958 erzielten Umsätze von der Vorinstanz nicht in einer für die Einkommensbesteuerung bindenden Weise festgestellt ist, prüfen, in welchem Kalenderjahr die Umsatzgrenze überschritten wurde und ob bei den erforderlich werdenden Schätzungen die Schätzungsergebnisse des Finanzamts zugrunde gelegt werden können.

Die Rb. der steuerpflichtigen Eheleute ist unbegründet. Ihnen kann nicht in der Auffassung beigepflichtet werden, daß auch ab 1. Juli 1959 der von ihnen erzielte Gewinn noch nach der VOL zu ermitteln sei, weil sie erst im Jahre 1961 auf die Buchführungspflicht hingewiesen worden seien. Das ergibt sich aus dem oben zu Ziff. 1 Ausgeführten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411603

BStBl III 1965, 432

BFHE 1965, 514

BFHE 82, 514

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