Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Betriebsprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Die für eine Waldaufnahme notwendige Begang der für die Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1956 zu bewertenden Forstbetriebe des Privatwaldbesitzes findet in der Vorschrift des § 173 AO seine Rechtsgrundlage.

 

Normenkette

AO §§ 173, 201

 

Tatbestand

Das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg hat den Bundesfinanzhof nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 in Verbindung mit § 63 der Reichsabgabenordnung um Erstattung eines Gutachtens über folgende Rechtsfrage gebeten:

"Findet der für eine Waldaufnahme notwendige Begang der für die Hauptfeststellung auf 1. Januar 1956 zu bewertenden Forstbetriebe des Kleinprivatwaldbesitzes in den Bestimmungen der Reichsabgabenordnung eine Rechtsgrundlage?"

 

Entscheidungsgründe

Der II. Senat des Bundesfinanzhofs hat hierzu in der Sitzung vom 21. Juli 1955 wie folgt Stellung genommen:

I. Die vom Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg teils in Aussicht genommene, teils auch schon begonnene und in einzelnen Landesteilen durchgeführte Aufnahme des Kleinprivatwaldbesitzes stellt eine vorbereitende Maßnahme für die auf den 1. Januar 1956 oder später vorgesehene Hauptfeststellung der Einheitswerte dar. Sie soll dem Zwecke dienen, die Gleichmäßigkeit der Einheitsbewertung sicherzustellen. Im einzelnen erfolgen die teils begonnenen, teils geplanten Erhebungen im Zuge der Ausführung eines Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 9. April 1953 - IV S 3141 - 8/53 -, in dem der Bundesminister der Finanzen die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder zur Erfüllung des oben genannten Zweckes gebeten hat, zu veranlassen, daß die Oberfinanzdirektionen die Erhebungen nach den folgenden vom Bewertungsbeirat beschlossenen Grundsätzen durchführen:

"1. Für Kleinprivatforsten (Bauernwald), das sind Betriebe unter 50 ha Forstbetriebsgröße, sind die Bewertungsmerkmale nach dem unter Ziff. 2 bis 6 erläuterten vereinfachten Erhebungsverfahren zu erstellen, wenn kein Betriebswerk (Forsteinrichtung) vorliegt.

Grundsätzlich sollen die einzelnen Bestandsmerkmale, Holzart, Alter, Ertragsklasse und Bestockungsgrad, ziffernmäßig erhoben werden. Es ist erwünscht, daß der Eigentümer bei dieser Erhebung mitwirkt.

Die Holzartenanteile von Mischbeständen sind flächenmäßig auszuscheiden. Dabei können Holzarten, die sich im Rohertrag annähernd gleichen, zusammengefaßt und Beimischungen unter 10 % der Hauptholzart zugeschlagen werden.

Bei häufigem Wechsel auf kleiner Fläche oder bei starker Ungleichaltrigkeit innerhalb einer Parzelle wird nur das Durchschnittsalter festgestellt. Es sind die üblichen 20jährigen Altersklassen zu bilden.

An Stelle der üblichen Einschätzung nach Ertragsklassen können relative Standortstufen, und zwar "gut" "mittel" und "gering" benutzt werden, wenn sich daraus eine Vereinfachung für die Erhebung ergibt und die wirklichen Verhältnisse für eine gleichmäßige Bewertung genügend genau erfaßt werden. Die jeweilige Bedeutung dieser Stufen, bezogen auf absolute Ertragsklassen der Wiedemannschen Ertragstafeln, ist dann für bestimmte Wuchsbezirke und Wuchsgebiete durch die Oberfinanzdirektionen festzusetzen.

Von der bestockten Fläche sind nur die klar in Erscheinung tretenden Blößen und Lücken abzusetzen. Darüber hinaus darf bei einer geringeren Bestockung keine Zuweisung an die Blöße erfolgen, weil diese Verhältnisse durch das allgemeine Bewertungsverfahren und im Rahmen einer besonderen Abrechnung für den Kleinprivatwald mit berücksichtigt werden.

Können die Bewertungsmerkmale in Gemarkungen, deren Forstbetriebsgrößen vorwiegend unter 2 ha liegen, aus erhebungstechnischen oder anderen Gründen nicht nach dem vereinfachten Verfahren (Ziff. 2 bis 6) beschafft werden, so kann eine noch weitergehende Vereinfachung entsprechend den jeweiligen Verhältnissen mit dem Ziel einer pauschalen Bewertung vorgenommen werden.

Ist die Erhebung bereits nach einem anderen Verfahren, z. B. nach dem Richtbestandsverfahren, vorgenommen worden, so kann dieses Verfahren beibehalten werden, wenn sichergestellt ist, daß die künftige Bewertung nicht zu wesentlich anderen Ergebnissen führt als nach dem vorstehenden Verfahren."

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß das Finanzministerium Baden-Württemberg und die ihm nachgeordneten Dienststellen die Waldaufnahme gemäß den vorstehenden, vom Bewertungsbeirat beschlossenen Grundsätzen durchführen sollen.

II. Der Bewertungsbeirat übt seine Befugnisse auf Grund des Gesetzes über die Bildung des vorläufigen Bewertungsbeirats vom 28. September 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1950 Teil I S. 682 f.) aus. Dieses Gesetz ist als Bundesgesetz erlassen worden, nachdem der Gesetzesbeschluß vom Bundestag unter Zustimmung des Bundesrats gefaßt worden war. Bedenken gegen seine verfassungsmäßige Gültigkeit bestehen nicht.

III. Nach § 1 des vorgenannten Gesetzes wird der vorläufige Bewertungsbeirat zum Zwecke der Vorbereitung einer neuen Hauptfeststellung der Einheitswerte für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens beim Bundesministerium der Finanzen gebildet.

Gemäß § 4 des Gesetzes übernimmt er auch die Befugnisse des früheren Reichsschätzungsbeirats.

In Ausübung dieser Befugnisse steht es dem vorläufigen Bewertungsbeirat zu, in allen Teilen des Bundesgebiets ausgewählte Bodenflächen als Musterstücke zu schätzen. Im übrigen ist der vorläufige Bewertungsbeirat berechtigt, zur Vorbereitung der neuen Hauptfeststellung im gesamten Bundesgebiet Amtshandlungen vorzunehmen; er hat dabei die Befugnisse, die dem Finanzamt im Steuerermittlungsverfahren zustehen (§ 3 Abs. 3 des Gesetzes über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirats).

Nach dieser ihm vom Gesetz verliehenen Rechtsstellung vereinigt der vorläufige Bewertungsbeirat in sich die Aufgaben und Befugnisse des früheren Reichsbewertungsbeirats und des früheren Reichsschätzungsbeirats - allerdings mit gewissen Einschränkungen, die sich aus der lediglich die künftige Hauptfeststellung vorbereitenden Tätigkeit des vorläufigen Bewertungsbeirats ergeben, die aber im Hinblick auf die zur Erörterung stehenden Befugnisse des Bewertungsbeirats ohne Bedeutung sind. Das entscheidende Moment für die Beantwortung der gestellten Frage bleibt jedenfalls die Tatsache, daß § 3 des Gesetzes über die Bildung des vorläufigen Bewertungsbeirats in wörtlicher übereinstimmung mit § 42 des Bewertungsgesetzes (BewG) auch dem vorläufigen Bewertungsbeirat die Befugnisse einräumt, die dem Finanzamt im steuerlichen Ermittlungsverfahren zustehen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die in den §§ 41 bis 44 BewG enthaltenen Bestimmungen über den Reichsbewertungsbeirat noch Gültigkeit besitzen oder ob sie, ohne ausdrücklich aufgehoben zu sein, nach dem Erlaß des Gesetzes über die Bildung des vorläufigen Bewertungsbeirats gegenstandslos geworden sind. Ebenso bedarf es keiner Erörterung darüber, ob etwa die dem Reichsbewertungsbeirat eingeräumten Befugnisse nur für die Hauptfeststellung 1935 Gültigkeit besitzen sollten. Denn entscheidend bleibt in jedem Falle, daß durch die gesetzliche Neuregelung vom 28. September 1950 die dem früheren Reichsbewertungsbeirat nach dem Reichsbewertungsgesetz eingeräumten Rechte für den vorläufigen Bewertungsbeirat zwecks Vorbereitung der bevorstehenden Hauptfeststellung bestätigt bzw. neu begründet worden sind.

IV. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß der Bewertungsbeirat auf Grund des § 3 Abs. 3 des Gesetzes über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirats berechtigt wäre, selbst die von ihm gewünschten Erhebungen in allen Bundesländern ungeachtet ihrer Hoheitsrechte durchzuführen. Diese Rechtsstellung des Bewertungsbeirats schließt aber auch die Befugnis in sich, die gleichen Erhebungen, die der Bewertungsbeirat selbst durchzuführen berechtigt wäre, im Wege des Amtsersuchens durch die Landesorgane durchführen zu lassen.

Einer solchen Gesetzesauslegung stehen auch verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) unterscheidet allerdings verschiedene Formen, unter denen sich die Ausführung der Bundesgesetze vollziehen kann. Es kann sich dabei entweder um eine Ausführung der Bundesgesetze durch die Landesverwaltung handeln, die diese entweder als eigene Angelegenheit oder als Auftragsangelegenheit des Bundes erledigt, oder um eine Ausführung durch Bundesorgane im Wege bundeseigener Verwaltung oder durch bundesunmittelbare Körperschaften. Bei der Ausführung des BewG als eines rezipierten Bundesgesetzes scheidet, sofern man von dem sachlich beschränkten Wirkungskreis des Bewertungsbeirats absieht, die Gesetzesvollziehung durch eigene Bundesorgane aus. Jedenfalls ist die entscheidende Tätigkeit, die Feststellung der Einheitswerte selbst, noch immer die alleinige Aufgabe der Finanzämter, die nach der Regelung des Finanzverwaltungsgesetzes als reine Landesbehörden anzusprechen sind. Insoweit ist die Rechtslage klar. Nicht eindeutig zu beantworten ist aber die Frage, ob die Landesorgane den Vollzug des BewG, insbesondere die Feststellung der Einheitswerte als eigene Angelegenheit oder als Auftragsangelegenheit des Bundes durchzuführen haben, wozu bemerkt werden muß, daß gerade die Beantwortung dieser Frage von entscheidender Bedeutung dafür ist, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Landesorgane Anweisungen der Bundesbehörden zu befolgen haben. Das Bewertungsgesetz selbst läßt diese Frage ebenso unbeantwortet wie die Reichsabgabenordnung (AO) oder das Finanzverwaltungsgesetz, während das GG überhaupt keine ausdrückliche Bezugnahme auf das BewG enthält. Auch aus der Zuständigkeitsregelung für die Durchführung der Vermögensbesteuerung lassen sich keine sicheren Anhaltspunkte gewinnen. Zwar wird die Veranlagung der laufend erhobenen Vermögensteuer sowie der Erbschaft- und Schenkungsteuer in derselben Weise wie die Feststellung der Steuermeßbeträge für die Grund- und Gewerbesteuer von den Finanzämtern als eigene Angelegenheit der Landesverwaltung durchgeführt. Demgegenüber muß aber festgestellt werden, daß die Erhebung der einmaligen Vermögensabgaben, nämlich der Lastenausgleichs- und Soforthilfeabgabe sowie bislang der Reichsfluchtsteuer, im Wege der Auftragsverwaltung erfolgt. Das ergibt sich für die Soforthilfeabgabe und für die Reichsfluchtsteuer, solange diese zur Erhebung gelangte, aus § 34 des Finanzverwaltungsgesetzes, für die Lastenausgleichsabgaben aus § 204 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG).

Ob man aus dem letzteren Umstand in Verb. mit der Tatsache, daß das Gesetz über die Bildung des vorläufigen Bewertungsbeirats eine nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführte Bewertung wenigstens für den Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Vermögensbewertung gewährleisten will, allgemeine Schlüsse auf eine bloße Auftragstätigkeit der Landesorgane im Bereich der Bewertung ziehen kann, erscheint zumindest zweifelhaft. Wäre es der Fall, so würden die Landesbehörden auf Grund des Art. 85 Abs. 3 GG ohne weiteres die Weisungen des vorläufigen Bewertungsbeirats zu befolgen haben. Aber auch wenn man nicht so weit gehen und der Grundsatzregelung des Art. 83 GG folgend in der Durchführung des Bewertungsverfahrens im allgemeinen eine landeseigene Verwaltungstätigkeit erblicken will, wird man die Zulässigkeit und Rechtsgültigkeit der vom Bewertungsbeirat beschlossenen Weisungen an die Landesorgane nicht in Zweifel zu ziehen brauchen. Denn mit der Bildung des vorläufigen Bewertungsbeirats ist gemäß Art. 87 Abs. 3 GG eine selbständige Bundesbehörde geschaffen worden, der mit Zustimmung des Bundesrats die Koordinierung der Bewertungsmaßnahmen für den Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens übertragen worden ist. Aus dieser mit Zustimmung des Bundesrats erfolgten Aufgabenzuweisung wird zu folgern sein, daß der vorläufige Bewertungsbeirat, der sogar zur Durchführung unmittelbarer Erhebungen im Gebiet der einzelnen Länder befugt ist, auch das Recht zur Erteilung allgemeiner Anweisungen darüber besitzt, wie die Landesorgane solche Erhebungen im Interesse einer für das ganze Bundesgebiet gleichmäßigen Bewertung durchzuführen haben.

V. Der vom Bewertungsbeirat über die Länderministerien an die Finanzverwaltungsbehörden der Länder erteilte Auftrag umfaßt auch die Ermächtigung für die Dienststellen, von den ihnen zustehenden Rechten und Befugnissen, die sich aus der AO, dem BewG und den sonst hierfür in Frage kommenden Rechtsvorschriften ergeben, im Rahmen der Vorbereitungsmaßnahmen für die bevorstehende Hauptfeststellung der Einheitswerte Gebrauch zu machen. Allerdings bedeutet der Auftrag zugleich auch eine Begrenzung dieser Rechtsausübung insofern, als zu seiner Durchführung nur solche Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die sich im Rahmen des der bloßen Vorbereitung der künftigen Einheitsbewertung dienenden Auftrags halten.

Da der vorläufige Bewertungsbeirat selbst nur die Befugnisse besitzt, die dem Finanzamt im Steuerermittlungsverfahren zustehen, werden sich auch die Landesbehörden, denen die Ausführung des Auftrags zufällt, auf die Anwendung der ihnen im Steuerermittlungsverfahren zustehenden Rechte beschränken müssen.

Welche der Vorschriften über das Steuerermittlungsverfahren im einzelnen bei der Durchführung der vom vorläufigen Bewertungsbeirat beschlossenen Erhebungen anzuwenden sind, läßt sich nur unter Berücksichtigung der rechtlichen Ausgestaltung des Bewertungsverfahrens selbst beantworten. Es bedarf daher einer kurzen Erörterung der Eigenarten dieses Verfahrens.

VI. Die Besonderheit des land- und forstwirtschaftlichen Bewertungsverfahrens besteht nun darin, daß der dem Einheitswert land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zugrunde zu legende Ertragswert nicht unmittelbar aus den tatsächlich erzielten Erträgen des Einzelbetriebes abgeleitet wird, sondern daß er, um eine gleichmäßige Bewertung aller Betriebe sicherzustellen, durch Vergleich mit den Ertragsverhältnissen anderer Betriebe bzw. durch Ableitung aus dem Ertragswert entsprechender Nachhaltsbetriebe gewonnen wird (§§ 34 bis 39, 45 BewG). Zu diesem Zweck werden für den Bereich der Landwirtschaft Vergleichsbetriebe ausgewählt und ihr Ertragswert zu dem des Spitzenbetriebs in ein zahlenmäßiges Verhältnis gesetzt. In ähnlicher Weise wird der im Einzelfalle zu bewertende Betrieb zu den sogenannten Vergleichsbetrieben in Beziehung gebracht. Auf dem Gebiet der Forstwirtschaft ist dieses Verfahren in gewisser Weise modifiziert. Hier wird der Einheitswert des Einzelbetriebs durch Vergleich aus dem Ertragswert entsprechender Nachhaltsbetriebe abgeleitet. Sonst aber gilt für die forstwirtschaftlichen Betriebe in gleicher Weise wie für die landwirtschaftlichen der Grundsatz, daß nach den geltenden Vorschriften des BewG nur aus der festgestellten Wertbeziehung zum Nachhaltsbetrieb bzw. Vergleichsbetrieb der jeweils im Einzelfalle festzusetzende Einheitswert ermittelt werden kann. Da somit der tatsächliche erzielte Ertrag für die Bewertung des Einzelbetriebs zunächst bedeutungslos ist, so bedarf es insoweit auch keiner Steuererklärung des Betriebsinhabers. Das schließt nicht aus, daß neben Katasterunterlagen, Grundbuchauszügen usw. in gewissem Umfang auch die Auskunftserteilung der Eigentümer land- und forstwirtschaftlicher Betriebe für die Wertfeststellung von Bedeutung sein kann. Für die Bewertung speziell der forstwirtschaftlichen Betriebe werden auch deren Forstbetriebspläne regelmäßig heranzuziehen und von erheblichem Nutzen sein. Obwohl auf diese Weise auch die Eigentümer land- und forstwirtschaftlicher Betriebe am Bewertungsverfahren beteiligt werden können, beruht jedoch die Bewertung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe primär nicht auf irgendwelchen Steuererklärungen ihrer Inhaber, sondern auf dem Vergleich mit anderen Betrieben.

VII. Von dieser Erkenntnis ausgehend müssen für die Frage, welche Befugnisse den Finanzverwaltungsbehörden im Rahmen des Verfahrens zur Vorbereitung der land- und forstwirtschaftlichen Bewertung zustehen, zunächst einmal alle diejenigen Vorschriften ausgeschieden werden, die von der Steuererklärungspflicht der Steuerpflichtigen handeln. Ebenso können die Vorschriften der Abgabenordnung über die Steueraufsicht zum mindesten insoweit nicht berücksichtigt werden, als sie dem Zwecke dienen, die richtige Erfüllung der von den Steuerpflichtigen zu erbringenden Leistungen zu überwachen. Denn das Bewertungsverfahren dient erst der Vorbereitung einer künftigen Besteuerung. Vorschriften, die lediglich die Kontrolle einer Bereits durchgeführten Besteuerung zum Gegenstand haben, müssen daher für die vorliegende Frage außer Betracht bleiben. überhaupt werden Maßnahmen der Steueraufsicht im engeren Sinne bei der Vorbereitung der Bewertung nicht in Betracht kommen, weil sie nur der Sicherung einzelner bestimmter Steuerarten dienen und im übrigen an besondere betriebliche Voraussetzungen geknüpft sind. Als zweifelhaft muß es auch angesehen werden, ob die Befugnisse, die den Finanzämtern im Rahmen der allgemeinen Steueraufsicht im weiteren Sinne (vgl. besonders § 201 Abs. 1 AO) zustehen, zur Begründung herangezogen werden könnten. Die Beantwortung dieser Frage kann dahingestellt bleiben, da nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes über die Bildung des vorläufigen Bewertungsbeirats, der diesem die den Finanzämtern im Steuerermittlungsverfahren zustehenden Befugnisse einräumt, entscheidend darauf abzustellen ist, ob eine den Finanzämtern in diesem Verfahren gegebene Befugnis als Rechtsgrundlage in Betracht kommt.

Als solche ist nach Auffassung des Senats die für das Steuerermittlungsverfahren geltende Bestimmung des § 173 AO anzusehen, die es den Beamten der Finanzämter erlaubt, Grundstücke und Räume der Steuerpflichtigen zu betreten, um im Steuerinteresse an Ort und Stelle Schätzungen vorzunehmen. Daß das gleiche Recht den Beamten der Finanzämter auch zustehen muß, wenn die Maßnahmen nicht unmittelbar der Schätzung selbst, sondern nur der Vorbereitung einer solchen dienen, entspricht einer sinngemäßen Auslegung der Vorschrift.

Gegen die Anwendung des § 173 AO könnte vielleicht sprechen, daß sich die Vorschrift gerade an Bestimmungen über die Steuererklärungen und ihre Nachprüfung (§§ 166 ff.) anschließt und wohl in erster Linie dazu bestimmt ist, auf Grund der Erklärungen der Steuerpflichtigen an Ort und Stelle die nötigen Abschätzungen vorzunehmen. Andererseits ist der Aufbau der AO nicht so einheitlich, daß hieraus zwingende Schlüsse gegen die Anwendung der Vorschrift in der Gutachtensfrage gezogen werden müßten.

Allerdings darf die Besichtigung von Grundstücken und Räumen im Rahmen des § 173 AO nicht dem Zweck der Ermittlung neuer, bisher unbekannter Vermögensgegenstände dienen, wie dies bereits der Reichsfinanzhof in der Entscheidung VI A 54/23 vom 30. Juni 1923, Slg. Bd. 12 S. 252 ff., im einzelnen ausgeführt und begründet hat. Eine solche Absicht kann jedoch den Finanzbehörden bei der Durchführung der geplanten Waldaufnahme schon deshalb nicht unterstellt werden, weil die zu bewertenden Vermögensobjekte, nämlich die einzelnen in Betracht kommenden Waldparzellen, der Finanzverwaltung nach Größe und Flächenumfang bekannt sind. In Wirklichkeit handelt es sich nur darum, im Interesse der Besteuerung an Ort und Stelle diejenigen Feststellungen zu treffen, die eine richtige Schätzung und Bewertung des Waldbesitzes zu ermöglichen geeignet sind. Die Finanzbehörden zur Erfüllung der ihnen im Rahmen der Wertermittlung obliegenden Aufgaben in den Stand zu setzen, entspricht aber durchaus dem Gesetzeszweck, den der § 173 AO bestimmungsgemäß zu erfüllen hat.

Die Vorschrift des § 173 AO ist wie jede Ermessensvorschrift unter Berücksichtigung der Grundsätze von Recht und Billigkeit zu handhaben. Es ist bei der insoweit erforderlichen Abwägung zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Interessen der Einzelnen nicht ersichtlich, warum die Begehung der Privatwaldungen gegen diese Grundsätze verstoßen sollte; denn sie dient der genauen und gleichmäßigen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, die die möglichst gerechte Verteilung der steuerlichen Lasten fördern soll und damit nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern auch im wohlverstandenen Interesse der einzelnen Steuerpflichtigen selbst liegt.

VIII. Da die Bewertung land- oder forstwirtschaftlicher Besitzungen, wie oben unter VI. bereits dargelegt, unabhängig von irgendwelchen Erklärungen des Steuerpflichtigen im Wege des Betriebsvergleichs erfolgt, es infolgedessen einer Steuererklärung der Pflichtigen im eigentlichen Sinne nicht bedarf, so kann auch der in Aussicht genommene Waldbegang von den Steuerpflichtigen nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Verwaltung verstoße gegen das Deklarationsprinzip, wenn sie ihre Erhebungen bereits durchführe, ehe überhaupt eine Erklärung der Steuerpflichtigen vorliege. Denn so wenig die Verwaltung in diesem Zusammenhang auf Vorschriften zurückgreifen kann, die den Steuerpflichtigen zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichten und die den Inhalt dieser Steuererklärungspflicht im einzelnen regeln, so wenig kann sich umgekehrt der Steuerpflichtige zu seinem Schutze auf Vorschriften und Rechtsgrundsätze berufen, die es der Verwaltung, wie sonst üblich, zur Pflicht machen, ihre Ermittlungstätigkeit nicht zu beginnen, bevor nicht dem Steuerpflichtigen Gelegenheit zu eigenen Erklärungen gegeben worden ist.

IX. Noch weniger kann davon die Rede sein, daß die Landesverwaltungsbehörden in Baden-Württemberg gegen den Grundsatz einer gleichmäßigen Bewertung verstoßen würden, wenn sie die geplante Waldaufnahme zur Grundlage des Bewertungsverfahrens in Baden-Württemberg machen, während in gewissen anderen Ländern der Bundesrepublik die Waldaufnahme entweder ganz unterbleibt oder doch nach einem stark vereinfachten Verfahren durchgeführt wird. Zunächst muß darauf hingewiesen werden, daß nicht nur in Baden- Württemberg, sondern auch in zahlreichen anderen Bundesländern, wie in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und in niedersächsischen Landesteilen derartige Waldaufnahmen erfolgen oder bereits abgeschlossen sind. Das schließt nicht aus, daß für die Ermittlung zutreffender Ertragswerte auch anders geartete, im Ergebnis aber gleichlaufende Ermittlungsmethoden zur Anwendung gelangen können. Wenn sich daher in einzelnen Bundesländern die für die Bewertung des Forstbesitzes unentbehrlichen Grundlagen auch auf andere Weise beschaffen lassen, wie dies z. B. in Bayern auf Grund einer Vereinbarung zwischen der Finanzverwaltung und dem Waldbauernverband der Fall ist, so kann es nicht beanstandet werden, wenn dort mit Zustimmung des Bewertungsbeirats von dem Waldbegang abgesehen wird. Es stellt aber andererseits auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung dar, wenn andere Landesbehörden auf Grund ihrer bisherigen Erfahrungen und nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen die Waldaufnahme auf dem Wege der Forstbegehungen durchführen lassen.

Danach ist die vom Finanzministerium Baden-Württemberg gestellte Frage zu bejahen.

X. Die Grundsätze dieses Gutachtens können auf den sonstigen privaten Forstbesitz unbedenklich übertragen werden, da weder im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen noch im Gange des Bewertungsverfahrens Unterschiede zwischen dem kleinen Privatwaldbesitz und den großen Privatforstbetrieben bestehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423994

BStBl III 1955, 284

BFHE 1956, 225

BFHE 61, 225

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