Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung auf Vornahme von Umbuchungen

 

Leitsatz (NV)

Zu den Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung auf Umbuchung von Steuererstattungsansprüchen.

Dem Organträger sind die Umsatzsteuerzahlungen der Organgesellschaft zuzurechnen. Ihm steht der Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer zu.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1; UStG 1980 § 2 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung forderte das zuständige Finanzamt F. den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) durch Bescheid vom 20. Oktober 1986 auf, innerhalb eines Monats berichtigte Umsatzsteuererklärungen für 1982 bis 1985 vorzulegen, in denen auch die Umsätze seiner mit ihm organschaftlich verbundenen Organgesellschaften, u. a. der A-GmbH und der B-GmbH, enthalten sein sollten. Einziger Gesellschafter der B-GmbH war bis zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile im Oktober 1984 die A-GmbH. Ihr einziger Gesellschafter war der Antragsteller. Die B-GmbH mit Sitz in M wurde von 1981 bis einschließlich September 1984 mit ihrem Einverständnis bei dem für den Antragsteller örtlich zuständigen Finanzamt X ,,aus Praktikabilitätsgründen" unter einer eigenen Steuernummer geführt. Sie hatte ab 1981 bei diesem Finanzamt eigene Steuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben.

Das Finanzamt X setzte die Umsatzsteuer für 1982 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung in dem Bescheid vom 6. Februar 1984 ,,für Firma B" entsprechend der von der B-GmbH abgegebenen Erklärung fest und gab den Bescheid dem Antragsteller bekannt. Die B-GmbH meldete in Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar bis Dezember 1983 und für Januar bis Oktober 1984 Umsatzsteuerschulden an und überwies an die zuständige Finanzkasse des Finanzamts X für 1982 bis Oktober 1984 rd. 1,6 Mio. DM. Nach Beendigung der Organschaft im Oktober 1984 wurde das Finanzamt K für die B-GmbH zuständig. Dieses Finanzamt veranlagte die B-GmbH für 1984 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch Bescheid vom 4. März 1986 aufgrund der von ihr für das gesamte Kalenderjahr erklärten Besteuerungsgrundlagen. Die B-GmbH beantragte beim Finanzamt K die ersatzlose Aufhebung des Steuerbescheids 1982 und der Steuerfestsetzungen aufgrund der Voranmeldungen, weil sie als Organgesellschaft nicht Schuldnerin von Umsatzsteuer für die von 1982 bis Oktober 1984 bewirkten Umsätze geworden sein könne. Sie begehrte Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer für 1982 bis Oktober 1984.

Dagegen wandte sich der Antragsteller mit dem Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) als das für die Erstattung von Umsatzsteuer zuständige Finanzamt durch einstweilige Anordnung anzuweisen, die von der B-GmbH gezahlte Umsatzsteuer nicht an diese zu erstatten, sondern auf das Umsatzsteuerkonto des Organträgers beim Finanzamt X umzubuchen.

Der Antragsteller führte zur Begründung an, die B-GmbH habe Umsatzsteuerschulden auftragsgemäß für den Organträger gezahlt. Wenn ihr diese Beträge erstattet würden, müsse er, der Antragsteller, die Umsatzsteuer für die mit Hilfe der B-GmbH bewirkten Umsätze bezahlen. Durch die Erstattung der Umsatzsteuer für 1982 bis Oktober 1984 an die B-GmbH werde diese bereichert, ohne daß er, der Antragsteller, mit einem Ausgleich rechnen könne. Im Anschluß an die Übertragung der Gesellschaftsanteile der B-GmbH auf den Erwerber sei am 8. Mai 1985 zwischen ihm, dem Antragsteller, und der B-GmbH vereinbart worden, daß mit einer Ausgleichszahlung alle bekannten und unbekannten entstandenen oder noch entstehenden Ansprüche der B-GmbH abgegolten worden seien.

Das FA trat dem Antrag unter Hinweis auf den Widerspruch der B-GmbH entgegen.

Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Erlaß der erwähnten einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung führte es u. a. aus, der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch, wenn der Erstattungsanspruch der B-GmbH zustehe. Sollte der Antragsteller jedoch erstattungsberechtigt sein, fehle ihm ein Anordnungsgrund, weil sein Anspruch bei einer fehlerhaften Zahlung nicht erlöschen könne.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Zur Begründung macht er geltend, die auf die Tätigkeit des Organs entfallende Umsatzsteuer sei eine eigene Steuer des Organs, die nur beim Organträger erhoben werde. Nach § 73 der Abgabenordnung (AO 1977) und aus dem Grundsatz von Treu und Glauben müsse die Erstattung der Umsatzsteuer an die B-GmbH verhindert werden, weil diese ungerechtfertigt bereichert werde und weil die Finanzbehörden die Steuerfestsetzungen gegen die B-GmbH in Kenntnis der Organschaft geduldet hätten.

Der Antragsteller beantragt, den Beschluß des FG vom . . . aufzuheben und die begehrte Umbuchung der Umsatzsteuer 1982 bis Oktober 1984 vorzunehmen.

Das FA beantragt die Abweisung der Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist zutreffend.

1. Das FG hat den Antrag auf Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung (§ 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zu Recht abgelehnt.

Für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung müssen neben den allgemeinen Prozeßvoraussetzungen die besonderen Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 FGO - Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund - dargelegt und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Dies ist dem Antragsteller mindestens hinsichtlich des Anordnungsgrundes nicht gelungen.

a) Anordnungsanspruch i. S. des § 114 Abs. 1 FGO ist die Rechtsposition des Antragstellers in bezug auf das streitige Steuerverhältnis. Nach der Rechtsprechung des Senats sind dem Organträger nicht nur die Umsätze, sondern auch die Umsatzsteuerzahlungen der Organgesellschaft zuzurechnen (Urteil vom 7. Juli 1966 V 20/64, BFHE 86, 541, BStBl III 1966, 613). Eine etwaige Erstattungsforderung steht dem Organträger selbst dann zu, wenn die Organgesellschaft Umsatzsteuer aufgrund eines an sie gerichteten Umsatzsteuerbescheides gezahlt hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1981 V R 35/79, nicht veröffentlicht), sofern die Berufung der Organgesellschaft auf den Wegfall der Steuerschuld nach einer Aufhebung der Steuerfestsetzungsbescheide - wie im Streitfall - gegen Treu und Glauben verstoßen könnte. Der Antragsteller kann sich auf die Anrechnung der Umsatzsteuer berufen, die gegen seine Organgesellschaften in zwischenzeitlich aufgehobenen Steuerbescheiden festgesetzt und gezahlt worden sind (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1984 VII R 70/81, BFHE 142, 207, BStBl II 1985, 114 unter II. 3b), wenn unter Annahme einer Organschaft Steuerbescheide gegen ihn ergehen.

b) Selbst wenn der Antragsteller Erstattungsberechtigter sein sollte (§ 37 Abs. 2 Satz 2, § 218 Abs. 2 Satz 2 AO 1977), läge kein Anordnungsgrund vor. Das FG hat zu Recht ausgeführt, daß eine irrtümliche Erstattung an einen Nichtberechtigten nicht zum Erlöschen des Erstattungsanspruchs gegenüber dem Anspruchsinhaber führt, selbst wenn die Erstattung gutgläubig erfolgt. Die Sicherung oder Regelung des Erstattungsanspruchs des Antragstellers gegen das FA ist nicht von der begehrten Umbuchung abhängig. Die zivilrechtlichen Vereinbarungen des Antragstellers mit der B-GmbH vom 8. Mai 1985 anläßlich der Übertragung der Gesellschaftsanteile der B-GmbH können Erstattungsansprüche des Antragstellers gegen das FA nicht beeinflussen.

Ein Anordnungsgrund i. S. von § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO wäre unter diesen Umständen nur dann ausnahmsweise gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft gemacht hätte (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO), daß seine wirtschaftliche oder persönliche Existenz durch die Ablehnung der Umbuchung unmittelbar und ausschließlich bedroht sei (vgl. BFH-Beschluß vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492). Dies ist - auch im Beschwerdeverfahren - nicht geschehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415294

BFH/NV 1988, 201

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