Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung des Verfahrens aufgrund anderer finanzgerichtlicher Parallelverfahren

 

Leitsatz (NV)

Ebensowenig wie beim BFH anhängige Musterprozesse können Parallelverfahren bei anderen Finanzgerichten eine Aussetzung des Verfahrens rechtfertigen.

 

Normenkette

FGO § 74

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

...

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Der Aussetzungsbeschluß war aufzuheben mit der Folge, daß das Verfahren fortzusetzen ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO lagen nicht vor.

Voraussetzung für eine Aussetzung gemäß § 74 FGO ist, daß die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Danach braucht die Entscheidung des anderen Rechtsstreits zwar nicht bindend zu sein; sie muß jedoch vorgreiflich sein. Die Entscheidung in dem anhängigen Verfahren muß deshalb dasselbe Rechtsverhältnis betreffen und kraft Gesetzes oder rechtslogisch vom Bestehen oder Nichtbestehen des in dem anderen Verfahren anhängigen Rechtsverhältnisses abhängen (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. August 1986 VI B 91/85, BFH/NV 1987, 43). Eine Aussetzung des Verfahrens kommt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon deshalb in Betracht, weil in derselben Rechtsfrage ein Musterprozeß vor dem BFH anhängig ist (z. B. BFH-Beschlüsse vom 8. Juni 1990 III R 41/90, BFHE 161, 1, BStBl II 1990, 944; vom 8. Mai 1992 III B 138/92, BFH/NV 1993, 106; in BFH/NV 1987, 43). Das gilt erst recht für anhängige Parallelverfahren vor dem FG.

Nichts anderes ergibt sich aus dem BFH- Beschluß vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90 (BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641). Diese Entscheidung, wonach unter bestimmten Voraussetzungen eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO bei Musterverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für zulässig erachtet wird, betrifft nur Verfahren vor dem BVerfG und sie berücksichtigt deren Besonderheiten hinsichtlich der Bindung der Entscheidungen des BVerfG (ausführlich BFH in BFHE 164, 194, 195, BStBl II 1991, 641).

Auch ein Ruhen des Verfahrens (§ 155 FGO i. V. m. § 251 der Zivilprozeßordnung) kann nicht angeordnet werden; insoweit fehlt es -- mangels Einverständnis des FA -- bereits an dem hierfür erforderlichen übereinstimmenden Antrag der Beteiligten.

Eine Kostenentscheidung hat nicht zu ergehen, da es sich vorliegend nur um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt, das von der Kostenentscheidung im Rahmen der endgültigen Streitentscheidung miterfaßt wird (BFH-Beschluß vom 18. Februar 1994 VI B 123/93, BFH/NV 1994, 548).

 

Fundstellen

Haufe-Index 424513

BFH/NV 1996, 158

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