Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wiedereinsetzung bei Verschulden des Prozeßbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

Ein Kläger ist nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Frist zur Begründung der Revision einzuhalten, wenn der Prozeßbevollmächtigte es erkennbar versäumt hat, sich über die Rechtslage für die Revisionsbegründungsfrist Klarheit zu verschaffen und dies zur Versäumung der Revisionsbegründungsfrist führt. Der Kläger muß sich das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten als eigenes Verschulden anrechnen lassen.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 120 Abs. 1 S. 1

 

Gründe

1. Die Revision ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht begründet worden ist (§ 124 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Da der Vorbescheid am 29. Juli . . . zugestellt worden ist, ist die Revisionsbegründungsfrist nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO am 29. Oktober . . . abgelaufen. Diese Frist ist eine Einmonatsfrist und beginnt - anders als etwa die Revisionsbegründungsfrist nach § 554 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) - mit dem Ablauf der Frist für die Einlegung der Revision (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Rz. 20) und nicht mit der Einlegung der Revision, wie die Klägerin erkennbar meint. Auch wenn die Revision gegen einen Vorbescheid gerichtet ist, beginnt die Revisionsbegründungsfrist mit Ablauf der Einlegungsfrist, die dann in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Vorbescheid nach § 90 Abs. 3 Satz 3 FGO als Urteil wirkt; diese Wirkung tritt mit Ablauf des Monats nach Zustellung des Vorbescheids ein, in dem nach § 90 Abs. 3 Satz 2 FGO mündliche Verhandlung beantragt werden kann (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 90 Rz. 39, § 120 Rz. 20).

2. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO nicht gewährt werden, weil die Klägerin nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist zur Begründung der Revision einzuhalten.

Das Verschulden ergibt sich daraus, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin sich mit der Rechtslage über den Beginn und Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nach der FGO nicht hinreichend vertraut gemacht hat.

Das ergibt sich aus den Ausführungen der Klägerin zur Begründung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diese Ausführungen lassen erkennen, daß der Prozeßbevollmächtigte bei der Bearbeitung der Revision einschließlich deren Begründung davon ausgegangen ist, die Revisionsbegründungsfrist nach der FGO beginne - etwa wie die nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO - mit der Einlegung der Revision. Das ist vor allem den Ausführungen zu entnehmen, die Bürovorsteherin habe den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist irrtümlich für den 4. November . . . notiert, obwohl die Revision am 28. September . . . beim FG eingegangen sei, sowie den weiteren Ausführungen, die Vorlage der Akten am 29. Oktober . . . sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Revisionsbegründungsfrist bereits um einen Tag abgelaufen gewesen sei. Auch die Anweisung des Prozeßbevollmächtigten an die Bürovorsteherin, die Revisionsbegründungsfrist erst nach Zugang der Nachricht vom Eingang der Einlegung der Revision beim FG zu notieren, erhält nur dann einen Sinn, wenn davon ausgegangen wird, daß der Prozeßbevollmächtigte der Auffassung war, die Revisionsbegründungsfrist werde mit Einlegung der Revision beginnen. Die Ausführungen über den Eingang der Revisionsschrift beim FG wären entbehrlich gewesen, wenn der Prozeßbevollmächtigte die Rechtslage für die Revisionsbegründungsfrist nach der FGO gekannt hätte.

Dieser Mangel ist auch für die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ursächlich geworden. Hätte der Prozeßbevollmächtigte die Rechtslage für die Revisionsbegründungsfrist nach der FGO gekannt, so hätte er keinen Grund gehabt, die Notierung des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist von der Kenntnis des Tages des Eingangs der Revisionsschrift beim FG abhängig zu machen und die Bürovorsteherin entsprechend anzuhalten. Bei sachgerechter Behandlung wäre es angebracht gewesen, den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist unabhängig vom Eingang der Revision beim FG spätestens in dem Zeitpunkt zu notieren, in dem die Revisionsschrift abgesandt worden ist. Der Prozeßbevollmächtigte hätte deshalb darauf hinwirken müssen, sicherzustellen, daß spätestens zu diesem Zeitpunkt die notwendigen Eintragungen zur Wahrung der Revisionsbegründungsfrist gemacht worden wären. Hätte der Prozeßbevollmächtigte sich so verhalten, so wäre vermieden worden, daß die Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist von der Behandlung des Rückscheins durch die Bürovorsteherin abhängig geworden wäre. Dieses Verhalten hätte dann nicht zur Versäumung der Revisionsbegründungsfrist führen können. Daß die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist auf das Fehlverhalten des Prozeßbevollmächtigten zurückzuführen ist, zeigt sich auch daran, daß die Revisionsbegründungsfrist in noch stärkerem Maße überschritten worden wäre, wenn der Rückschein - etwa um zwei Wochen - später eingegangen wäre.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin war verpflichtet, sich über die Rechtslage für die Revisionsbegründungsfrist nach der FGO zu informieren. Wer als Prozeßbevollmächtigter diese Pflicht vernachlässigt, handelt schuldhaft (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 56 Rz. 25).

Da der Prozeßbevollmächtigte es erkennbar versäumt hat, sich über die Rechtslage für die Revisionsbegründungsfrist nach der FGO Klarheit zu verschaffen und schon deshalb seine Bürovorsteherin nicht über die Erfordernisse zur Wahrung der Revisionsbegründungsfrist informieren konnte, kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob der Prozeßbevollmächtigte seiner Bürovorsteherin überhaupt die Berechnung der Revisionsbegründungsfrist überlassen durfte (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 56 Anm. 36).

Die Klägerin muß sich das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten als eigenes Verschulden anrechnen lassen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 56 Rz. 6).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417268

BFH/NV 1991, 254

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