Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbehelfsbefugnis des ausgeschiedenen Personengesellschafters; Zurechnung des Vorverfahrens der Gesellschaft

 

Leitsatz (NV)

1. "Ausgeschiedener Gesellschafter" i.S.d. § 352 Abs. 1 Nr. 3 AO ist ein Gesellschafter im Fall der Liquidation der Gesellschaft erst nach deren Vollbeendigung.

2. Solange die Personengesellschaft noch einen Rechtsstreit gegen einen Gewerbesteuermessbescheid führt, ist sie nicht vollbeendet.

3. Das von der Personengesellschaft geführte Einspruchsverfahren gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid kann nur einem selbst rechtsbehelfbefugten Gesellschafter als Vorverfahren zugerechnet werden.

 

Normenkette

AO § 352 Abs. 1 Nr. 3, § 360 Abs. 3 S. 2; FGO § 44 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Urteil vom 06.04.2006; Aktenzeichen IV 33/2003)

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.

Die erhobenen Rügen i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 FGO sind nicht begründet, denn das Finanzgericht (FG) hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Klagen der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sämtlich als unzulässig abgewiesen.

a) Die Klage der Klägerin zu 1. war unzulässig, weil sie im Zeitpunkt der Klageerhebung vollbeendet war.

Als Klägerin zu 1. ist in diesem Zusammenhang die Innengesellschaft anzusehen, die an Stelle der mit dem Ausscheiden des Klägers zu 3. aus der bisher nach außen aufgetretenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erloschenen Außengesellschaft errichtet worden war. Einkommensteuerlich ist der Vorgang wie ein nicht zur Gewinnrealisierung führender Formwechsel zu behandeln (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 2007 IV R 10/07, BStBl II 2008, 118, unter II.1.b cc der Gründe). Zivilrechtlich führt das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters (am 6. November 1997) dazu, dass der verbleibende Gesellschafter Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft wird; zugleich wird die Gesellschaft vollbeendet (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. Dezember 1990 II ZR 256/89, BGHZ 113, 132).

Auch die Klägerin zu 1. war im Zeitpunkt der Klageerhebung am 15. Januar 2003 bereits vollbeendet. Nach den insoweit nicht durch ordnungsgemäße Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG verfügte die Klägerin zu 1. über kein Aktivvermögen mehr. Anders als in dem Parallelverfahren IV B 144/06 hat die Klägerin zu 1. auch keine Klage gegen einen gegen sie gerichteten Gewerbesteuermessbescheid erhoben, denn der Gewerbesteuermessbescheid ist in diesem Fall zutreffend an den Kläger zu 2. und nicht an die Innengesellschaft gerichtet worden.

b) Die Klage der Kläger zu 2. und 3. war unzulässig, weil sie kein Vorverfahren geführt haben und das von der Klägerin zu 1. geführte Vorverfahren nicht zu Gunsten der Kläger zu 2. und 3. berücksichtigt werden kann.

aa) Die Kläger zu 2. und 3. haben keinen Einspruch gegen den Gewinnfeststellungsbescheid eingelegt. Das vom jetzigen Prozessbevollmächtigten verfasste Einspruchsschreiben bezeichnet ausdrücklich nur die GbR, also die Klägerin zu 1., als Einspruchsführerin.

Eine Auslegung dahingehend, dass die Gesellschafter, also die Kläger zu 2. und 3., gemeint sein sollten, kommt deshalb nicht in Betracht, weil auch die Kläger zu 2. und 3. nicht zulässig hätten Einspruch einlegen können. Insoweit kann sich die Beschwerde nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 IV R 4/03 (BFH/NV 2005, 162) berufen. Im Unterschied zum dortigen Fall hatten die Kläger zu 2. und 3. keine eigene Einspruchsbefugnis. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einspruch der Klägerin zu 1. durch Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2002 lagen die Voraussetzungen des § 352 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) nicht vor. Denn bis dahin war die Klägerin zu 1. noch nicht vollbeendet, so dass die Kläger zu 2. und 3. noch keine "ausgeschiedenen" Gesellschafter i.S. des § 352 AO waren. Die Vollbeendigung trat vielmehr erst dadurch ein, dass mit Bescheid vom 20. Dezember 2002 dem Einspruch der Klägerin zu 1. gegen den an sie gerichteten Gewerbesteuermessbescheid durch dessen Aufhebung abgeholfen wurde. Einspruchsbefugt waren deshalb die Empfangsbevollmächtigten gemäß § 352 Abs. 1 Nr. 1  2. Alternative i.V.m. Abs. 2 AO. Ebenso wie bei einer atypisch stillen Gesellschaft existieren auch bei einer Innen-GbR keine zur Vertretung befugten Geschäftsführer mit der Folge, dass die Rechtsbehelfsbefugnis der Gesellschaft nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO durch den Empfangsbevollmächtigten i.S. des § 352 Abs. 2 AO ausgeübt werden muss (vgl. BFH-Beschluss vom 3. März 1998 VIII B 62/97, BFHE 185, 131, BStBl II 1998, 401). Zu Empfangsbevollmächtigten hatten die Kläger zu 2. und 3. in der Gewinnfeststellungserklärung ihre damaligen steuerlichen Berater bestimmt. Denen war auch der angefochtene Bescheid bekanntgegeben worden. Nur die Empfangsbevollmächtigten bzw. ein von diesen Bevollmächtigter hätten danach einen zulässigen Einspruch erheben können. Weder haben die Empfangsbevollmächtigten aber selbst Einspruch eingelegt noch haben sie dem jetzigen Prozessbevollmächtigten oder den Klägern zu 2. und 3. selbst eine diesbezügliche Vollmacht erteilt. Eine Auslegung des Einspruchsschreibens dahingehend, dass nicht die GbR, sondern die Gesellschafter Einspruchsführer sein sollten, würde mithin nicht zu einem zulässigen Einspruch führen.

bb) Den Klägern zu 2. und 3. kann auch der Einspruch der Klägerin zu 1. nicht als Vorverfahren zugerechnet werden. Zwar hat der beschließende Senat in seinem von den Klägern zitierten Beschluss vom 23. März 2000 IV B 91/99 (BFH/NV 2000, 1217) angenommen, dass ein im Einspruchsverfahren wegen eigener Rechtsbehelfsbefugnis fehlerhaft nicht hinzugezogener Gesellschafter nach Ergehen der Einspruchsentscheidung gegen die Gesellschaft unter Bezugnahme auf das Vorverfahren der Gesellschaft eine zulässige Klage erheben kann. Von dem dort entschiedenen Fall unterscheidet sich der hiesige aber dadurch, dass den Klägern zu 2. und 3. keine eigene Rechtsbehelfsbefugnis zusteht, eine Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren also nicht notwendig gewesen wäre (§ 360 Abs. 3 Satz 2 AO). Deshalb können sich die Kläger zu 2. und 3. nicht auf das Einspruchsverfahren der Klägerin zu 1. berufen. Es kann dahinstehen, ob nicht auch die Unzulässigkeit des Einspruchs einer Zurechnung als Vorverfahren des Gesellschafters entgegenstehen würde.

c) Das Verfahren war nicht nach § 68 FGO als gegen den Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung vom 20. Dezember 2002 gerichtetes Verfahren fortzusetzen.

aa) Allerdings sind die ausdrücklichen Tatbestandsmerkmale des § 68 Satz 1 FGO erfüllt. Danach wird ein den angefochtenen Verwaltungsakt ersetzender Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der ersetzende Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ergeht. Ein Bescheid, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO aufgehoben wird, ersetzt den früheren mit dem Vorbehalt versehenen Verwaltungsakt i.S. des § 68 FGO (BFH-Urteile vom 20. März 2001 VIII R 44/99, BFH/NV 2001, 1133, und vom 26. Juni 2002 IV R 3/01, BFHE 199, 482, BStBl II 2003, 112). Der Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts erging hier am 20. Dezember 2002 und damit nach der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2002.

bb) Die Wirkung des § 68 FGO tritt nach der Rechtsprechung des BFH aber nur ein, wenn die gegen den früheren Verwaltungsakt erhobene Klage zulässig ist (BFH-Beschluss vom 11. Februar 1991 X R 149/90, BFHE 163, 307, BStBl II 1991, 462; BFH-Urteil vom 10. Januar 2007 I R 75/05, BFH/NV 2007, 1506, unter II.5. der Gründe). Nach den vorstehenden Erwägungen war die Klage sämtlicher Kläger jedoch unzulässig, so dass das FG zu Recht die Klage gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2002 als eigenständiges Verfahren behandelt hat (vgl. Beschluss vom heutigen Tag unter Az. IV B 153/06).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1987172

BFH/NV 2008, 1101

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