Leitsatz (amtlich)

Zur summarischen einkommensteuerrechtlichen Beurteilung von Provisionen für die Vermittlung neuer Kommanditisten.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 2; AktG § 153 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1975 und 1976, ob Provisionen für die Vermittlung von Kommanditisten sofort abzugsfähige Betriebsausgaben sind.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine durch Gesellschaftsvertrag vom 20. Mai 1975 gegründete und im Dezember 1975 ins Handelsregister eingetragene Kommanditgesellschaft. Gegenstand ihres Unternehmens sind die Beteiligung an und der Betrieb von Produktions- und Handelsunternehmen, insbesondere die Beteiligung an der X Ltd. in USA - § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages -. Persönlich haftende Gesellschafterin ohne Kapitalbeteiligung ist die Firma X GmbH. Alleiniger Gründungskommanditist war Herr G mit einer Kommanditeinlage von 24 000 DM und einem Gesellschafterdarlehen von 96 000 DM (§ 4 des Gesellschaftsvertrages). Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages sollte sich die geplante gesamte Investitionssumme auf 16 Millionen DM belaufen und sich aus Kommanditkapital von 20 v. H. (3,2 Millionen DM) und Gesellschafterdarlehen von 80 v. H. (12,8 Millionen DM) zusammensetzen. Die Komplementärin ist ermächtigt, neue Gesellschafter/Darlehensgeber (Aufteilung der Zeichnungssumme jeweils 20 v. H. Kapitaleinlage und 80 v. H. Darlehen) bis zur Höhe der geplanten Investitionssumme aufzunehmen.

Die Antragstellerin schloß am 11. August 1975 mit der Firma K einen Vertrag zum Zwecke der Anwerbung von Kommanditisten. Nach dem Vertrag steht der Firma K eine Provision von 10 v. H. der jeweils vermittelten Zeichnungssumme zu.

Bis zum 31. Dezember 1975 waren Vertriebskosten in Höhe von 1 197 000 DM (10 v. H. von 11 970 000 DM vermittelter Zeichnungssumme) angefallen, die die Antragstellerin als Aufwand behandelte. Im Jahre 1976 fielen weitere Vertriebskosten in Höhe von 187 891,50 DM an. Diese behandelte die Antragstellerin ebenfalls als Aufwand.

Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für die Jahre 1975 und 1976 verminderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) die erklärten Verluste von 1 384 182 DM bzw. 2 329 062 DM um die vorbezeichneten Beträge, da sie jeweils Teil der Anschaffungskosten der eingetretenen Gesellschafter seien. Über die gegen die Feststellungsbescheide 1975 und 1976 erhobenen Einsprüche ist noch nicht entschieden.

Nachdem die Antragstellerin beim FA vergeblich die Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide begehrt hatte, beantragte sie beim Finanzgericht (FG), im Wege einstweiliger Anordnung vorläufige Feststellungsbescheide mit den erklärten Verlusten zu erlassen. Im Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens vertrat sie die Auffassung, die Vollziehung der Feststellungsbescheide sei auszusetzen, damit bei den Folgebescheiden der Kommanditisten ein entsprechend höherer Verlust berücksichtigt werden könne.

Das FG setzte die Vollziehung der angefochtenen Feststellungsbescheide mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 403 (EFG 1979, 403) veröffentlichten Gründen aus.

Mit der - vom FG nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) zugelassenen - Beschwerde beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben. Diese könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil der von der Antragstellerin begehrte Rechtsschutz nur im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gewährt werden könne. Nach der vom Bundesminister der Finanzen (BdF) vertretenen Auffassung (Schreiben vom 30. März 1976, BStBl I 1976, 283) seien die Vermittlungsprovisionen zu aktivieren.

Die Antragstellerin hat sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des FA ist unbegründet.

1. Zu Unrecht macht das FA geltend, gegen einen Feststellungsbescheid, mit dem ein Verlust aus Gewerbebetrieb niedriger als erklärt festgestellt werde, könne vorläufiger Rechtsschutz nicht durch Aussetzung der Vollziehung, sondern nur durch einstweilige Anordnung gewährt werden. Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluß vom 10. Juli 1979 VIII B 84/78 (BFHE 128, 164, BStBl II 1979, 567) entschieden, daß in einem solchen Falle vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides zu gewähren ist. Der erkennende Senat hat diesem Beschluß zugestimmt. Damit ist der Beschluß des Senats vom 10. August 1978 IV B 41/77 (BFHE 125, 356, BStBl II 1978, 584) überholt. Die angefochtene Entscheidung des FG entspricht insoweit bereits der neueren Rechtsprechung des BFH, insbesondere dem Beschluß in BFHE 128, 164, BStBl II 1979, 567.

Der Senat braucht in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung umgedeutet werden kann. Im finanzgerichtlichen Verfahren hat die Antragstellerin erkennen lassen, daß ihr Begehren auch auf Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide gerichtet war.

2. Der Senat hält es bei summarischer Überprüfung der Streitsache für ernstlich zweifelhaft, ob die von der Antragstellerin an die Firma K gezahlten Provisionen für die Vermittlung neuer Kommanditisten zu aktivieren sind.

a) Aus der Sicht der Gründungsgesellschafter (GmbH und Gründungskommanditist) mag einiges dafür sprechen, die Provisionen als nicht aktivierungsfähige Kapitalbeschaffungskosten einzuordnen, und zwar entweder als Aufwendungen der Gründungsgesellschafter (Sonderbetriebsausgaben) oder als Aufwendungen der Antragstellerin. Dies liegt besonders nahe bei den auf die Vermittlung der Kommanditistendarlehen (80 v. H. der jeweiligen Zeichnungssumme) entfallenden Provisionen. Bezüglich der auf die Kapitalbeteiligung (20 v. H. der Zeichnungssumme) entfallenden Vermittlungsprovisionen ist zweifelhaft, ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist; denn bei der Ausgestaltung der Antragstellerin haben die einzelnen Kommanditisten primär die Stellung von Kapitalgebern inne. In seinem Urteil vom 4. März 1976 IV R 78/72 (BFHE 121, 318, BStBl II 1977, 380) hat der Senat entschieden, daß ein Darlehensnehmer die von ihm an einen Dritten - also nicht an den Darlehensgeber - gezahlten Darlehens-Vermittlungsprovisionen weder als Anschaffungskosten der Darlehensverbindlichkeit noch als Rechnungsabgrenzungsposten oder als Anschaffungskosten eines immateriellen Wirtschaftsguts aktivieren darf.

b) Zweifelhaft ist auch, ob die für die Anwerbung eines Kommanditisten angefallenen Provisionen in einer Ergänzungsbilanz des jeweiligen Kommanditisten zu aktivieren sind, sei es als Anschaffungskosten eines Geschäftswertes oder einzelner Wirtschaftsgüter der Antragstellerin. Gegen die Annahme von Anschaffungskosten spricht bei summarischer Überprüfung, daß nicht die neu eingetretenen Kommanditisten selbst, sondern die Antragstellerin die Provisionen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen aufgewendet hat, auf die die Kommanditisten keinen Einfluß hatten, weil sie vor ihrem Eintritt abgeschlossen worden waren (vgl. auch Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 6 Anm. 34 c, mit weiteren Nachweisen).

c) Eine andere Frage ist allerdings, ob es einkommensteuerrechtlich zulässig ist, daß den Kommanditisten auch Anteile an einem Verlust zugerechnet werden, der bereits vor ihrem Eintritt in die Antragstellerin angefallen war, sofern man im Streitfall davon ausgeht, daß die streitigen Aufwendungen nicht als Sonderbetriebsausgaben der Gründungsgesellschafter, sondern als Aufwendungen der KG zu werten sind. Der Senat hat in seinem Beschluß vom 25. Oktober 1979 IV B 68/79 (BFHE 129, 47, BStBl II 1980, 66) seine Auffassung dahin zu erkennen gegeben, daß einkommensteuerrechtlich den Kommanditisten nur ein Anteil an dem seit dem Zeitpunkt seines Beitritts erwirtschafteten Verlust als laufender Verlustanteil zugerechnet werden darf. Die Zurechnung eines Anteils an dem bis zum jeweiligen Eintrittszeitpunkt entstandenen Verlust ist danach grundsätzlich durch eine Aktivierung eines gleichhohen Betrages in einer Ergänzungsbilanz der Kommanditisten auszugleichen, da insoweit Anschaffungskosten für einen durch die Kommanditisten entgeltlich erworbenen Anteil an einem von der Gesellschaft selbst geschaffenen Geschäftswert oder an anderen Wirtschaftsgütern vorliegen wird. Auf der Grundlage dieser Auffassung wären auch im Streitfall die Vermittlungsprovisionen betroffen, wenn man davon ausgeht, daß die mit der Anwerbung eines Kommanditisten zusammenhängenden Provisionen bereits vor dessen Eintritt bei der Antragstellerin verlusterhöhend angefallen sind. Der Senat braucht diese Frage vorliegend aber nicht zu vertiefen, da er in seinem oben angeführten Beschluß davon ausgegangen ist, daß ernstliche Zweifel an seiner Rechtsauffassung im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 8. November 1972 I R 227/70 (BFHE 108, 299, BStBl II 1973, 287) im summarischen Verfahren nicht von vornherein ausgeschlossen werden können.

d) Da die Vollziehung der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide schon aus den vorbezeichneten Gründen auszusetzen war, brauchte der Senat nicht mehr dazu Stellung zu nehmen, ob die strittigen Kosten auch unter dem Gesichtspunkt nicht aktivierbarer Gründungskosten beurteilt werden könnten, die entweder nur den Gründungsgesellschaftern oder aber entsprechend ihrer Kapitalbeteiligung sämtlichen Gesellschaftern eines Wirtschaftsjahres zugerechnet werden könnten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73293

BStBl II 1980, 277

BFHE 1980, 555

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