Entscheidungsstichwort (Thema)

Rüge mangelnder Sachaufklärung im Revisionsverfahren

 

Leitsatz (NV)

  1. Eine Revision, die ausschließlich auf Verfahrensmängel gestützt wird, ist nur zulässig, wenn die Verfahrensmängel schlüssig gerügt sind. Die vorgetragenen Tatsachen müssen einen Verfahrensmangel erkennen lassen.
  2. Mangelnde Sachaufklärung wegen Nichtvernehmung von Zeugen ist nur schlüssig gerügt, wenn dargelegt wird, welche Zeugen nicht vernommen worden sind, wann und zu welchem Beweisthema die Vernehmung dieser Zeugen beantragt worden ist, was die Vernehmung der Zeugen voraussichtlich ergeben hätte und inwiefern das Urteil des FG auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann. Ferner ist vorzutragen, dass die Nichtvernehmung der Zeugen in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist, oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist.
 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1, § 118 Abs. 3 S. 1, § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b, § 155; ZPO § 295

 

Verfahrensgang

FG München (Urteil vom 20.11.2002; Aktenzeichen 1 K 4864/01; EFG 2003, 464)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) machten für die Jahre 1999 und 2000 Unterhaltsleistungen an die in der Türkei lebenden Eltern des Klägers, für das Jahr 1999 außerdem Unterhaltszahlungen an die Tochter der Klägerin aus 1. Ehe als außergewöhnliche Belastung nach § 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden für 1999 und 2000 die Unterhaltsaufwendungen nicht. Im Einspruchsverfahren erkannte das FA einen Teilbetrag der Unterhaltsleistungen an die Tochter an, im Übrigen waren die Einsprüche erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich der Unterhaltszahlungen an die Eltern ab, weil deren Bedürftigkeit nicht nachgewiesen sei. Da sie auf eigenem Grund eine kleine Landwirtschaft betrieben, sei zu vermuten, dass die Landwirtschaft nach den Gegebenheiten des Landes eine ausreichende Existenzgrundlage biete. Die Unterhaltszahlungen an die Tochter erkannte das FG dagegen an und ließ wegen der Abweichung insoweit von R 190 Abs. 3 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) die Revision beschränkt auf das Streitjahr 1999 zu. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 464 veröffentlicht.

Die Kläger haben hinsichtlich des Streitjahres 1999 Revision eingelegt, mit der sie ausschließlich Verfahrensfehler rügen.

Sie tragen vor, das FG habe es nicht als erwiesen angesehen, inwieweit der Lebensunterhalt der Eltern des Klägers vor Beginn der Unterstützungsleistungen gesichert gewesen sei. Das FG müsse sich fragen lassen, weshalb es auf die Aussage der angebotenen drei Zeugen verzichtet habe. Da diese im Umkreis der Eltern wohnten, hätten Auskünfte über die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort eingeholt werden können. Der Berichterstatter im finanzgerichtlichen Verfahren habe sich vor der mündlichen Verhandlung die Adressen dieser Zeugen telefonisch durchgeben lassen. Die Prozessvertreterin habe sich erstaunt gezeigt, dass die Zeugen nicht geladen worden seien.

Die Kläger beantragen, "die Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33a EStG steuermindernd anzuerkennen".

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Die Revisionsbegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO. Die Kläger haben die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht schlüssig gerügt. Die von ihnen vorgetragenen Tatsachen lassen keinen Verfahrensmangel erkennen.

1. Wird mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend gemacht, das FG habe einen gestellten Beweisantrag übergangen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darzulegen, welche konkrete Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche bestimmten Beweismittel das FG zu welchen Beweisthemen nicht erhoben hat, die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl, Terminsprotokoll), in denen die Beweismittel und -themen angeführt worden sind, das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme und inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann (z.B. BFH-Urteile vom 10. Dezember 1992 XI R 13/91, BFH/NV 1993, 483, und vom 9. Juli 1998 V R 68/96, BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637).

Kann auf die Beachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften verzichtet werden (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung ―ZPO―), so gehört zur ordnungsgemäßen Rüge eines Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift vor dem FG ordnungsgemäß gerügt worden ist, sofern sich dies nicht aus dem Urteil oder den in Bezug genommenen Unterlagen, insbesondere aus der Sitzungsniederschrift, ergibt, oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 1993, 483; vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152, unter II. 3. c, und in BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637).

2. Das Vorbringen der Kläger genügt diesen Anforderungen nicht.

a) Die Kläger haben in der Revisionsbegründung weder die Namen der drei Zeugen angegeben, noch vorgetragen, dass sie zum Beweis der Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern benannt worden waren. Tatsächlich haben die Kläger nach dem Inhalt der finanzgerichtlichen Akte nur zwei Zeugen benannt (Schriftsatz vom 20. Februar 2002) und diese nur zum Nachweis der Geldübergabe.

b) Abgesehen davon ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das FG Veranlassung zu weiterer Aufklärung und Beweisaufnahme gehabt hätte. Die beiden von den Klägern benannten Zeugen sollten "zur Untermauerung der Angaben hinsichtlich der Geldüberbringung" gehört werden. Das Vorbringen in der Revisionsbegründung, diese Zeugen hätten im Umkreis der Eltern bzw. wenige Kilometer entfernt gewohnt, ist neu. Im finanzgerichtlichen Verfahren hatten die Kläger angegeben, dass die beiden Zeugen in München wohnen.

c) Die Kläger haben auch nicht vorgetragen, dass sie den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt haben bzw. was sie daran gehindert hat, diesen Antrag zu stellen. Das Vorbringen, ihre Prozessvertreterin habe sich erstaunt gezeigt, dass die genannten Zeugen nicht geladen worden seien, lässt keinen Verfahrensfehler des FG erkennen. Denn daraus ergibt sich nicht, dass das FG einen in der mündlichen Verhandlung angebotenen konkreten Beweis übergangen hat. Da es aus der Sicht des FG auf die unter Zeugenbeweis gestellte Frage (Tatsache der Geldübergabe) für die Entscheidung nicht ankam, hätten die Kläger darlegen müssen, dass sie die Vernehmung der Zeugen auch zu der entscheidungserheblichen Frage der Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern beantragt haben. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung enthält keinen Hinweis auf einen entsprechenden Beweisantrag und es ist nichts dafür vorgetragen, dass dies auf einem Verfahrensfehler des Gerichts beruht.

3. Da die Revision allein auf Verfahrensmängel gestützt ist und die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO ―jedenfalls hinsichtlich der allein von den Klägern erhobenen Revision― nicht vorliegen, ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden (§ 118 Abs. 3 Satz 1 FGO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1116673

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