Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufsicht über Lohnsteuerhilfevereine

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht

2. Die OFD als Aufsichtsbehörde über die Lohnsteuerhilfevereine hat insbesondere darüber zu wachen, daß deren Charakter als Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen für ihre Mitglieder (§ 13 Abs. 1 StBerG) gewahrt wird.

3. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß die OFD berechtigt ist, vom Vorsitzenden des Lohnsteuerhilfevereins eine Aufstellung über die Beträge zu verlangen, die an die Vereinsorgane, an deren nahe Angehörige oder an Gesellschaften, bei denen diese Personen beteiligt sind, sowie an das Beratungspersonal gezahlt worden sind. Dieses Auskunftsverlangen kann mit Zwangsgeld durchgesetzt werden.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3, 2 S. 2; VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; StBerG § 13 ff., §§ 27-28, 159

 

Tatbestand

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) ist erste Vorsitzende des Vorstandes eines Lohnsteuerhilfevereins (Verein). In dem Bericht über die Geschäftsprüfung des Vereins gemäß § 22 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) für das Jahr 1977 wird die Übereinstimmung der Geschäftsführung des Vereins mit seinen satzungsmäßigen Aufgaben festgestellt. Während des späteren Klageverfahrens ergänzten die Geschäftsprüfer den Bericht wie folgt: ,,Wir bestätigen hierdurch, daß bei der Prüfung des vorbezeichneten Jahresabschlusses auch Feststellungen über die Angemessenheit der Vergütungen der Vereinsorgane und der Beratungsstellenleiter getroffen wurden. Als Prüfungsmaßstab wurden insbesondere vergleichbare Bezüge leitender Angehöriger des steuerberatenden Berufs zugrunde gelegt. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung sind die betreffenden Vergütungen angemessen." Die einzelnen Aufwandspositionen der Gewinn- und Verlustrechnung waren nicht erläutert. Ebenso fehlten im Bericht Angaben über die an die Vereinsorgane oder deren Angehörige und an das Beratungspersonal gezahlten Bezüge. Der Aufforderung der Beklagten, Revisionsbeklagten und Antragsgegnerin (Oberfinanzdirektion - OFD -), hierzu ergänzende Feststellungen treffen zu lassen und vorzulegen, kam der Verein nicht nach.

Daraufhin forderte die OFD die Antragstellerin am 30. März 1979 in ihrer Eigenschaft als erste Vorsitzende des Vorstands des Vereins auf, bis zum 10. Mai 1979

a) eine Erläuterung der Aufwandspositionen der Gewinn- und Verlustrechnung des Vereins für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1977 und

b) eine Aufstellung über die Beträge, die an die Vereinsorgane, an deren nahe Angehörige oder an Gesellschaften, bei denen diese Personen beteiligt sind, sowie an das Beratungsstellenpersonal gezahlt wurden, vorzulegen. Für den Fall, daß die Antragstellerin dem Verlangen nicht nachkomme, drohte sie nach § 159 Abs. 1 und 3 StBerG die Festsetzung von Zwangsgeldern von je 500 DM wegen Nichtvorlage der Erläuterung der Aufwandspositionen und der Aufstellung über die gezahlten Beträge an. Nachdem die Antragstellerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, setzte die OFD durch Verfügung vom 23. Mai 1979 die angedrohten Zwangsgelder fest und bat nochmals, die angeforderten Erläuterungen und Aufstellungen nunmehr unverzüglich vorzulegen.

Mit ihren Beschwerden gegen die Verfügungen vom 30. März 1979 und 23. Mai 1979 machte die Antragstellerin im wesentlichen geltend, die Androhung und Festsetzung der Zwangsgelder sei rechtswidrig, weil die Anordnung zur Erläuterung und Ergänzung des Geschäftsprüfungsberichts durch das Gesetz nicht gedeckt sei. Die OFD sah die Beschwerden der Antragstellerin auch als gegen die Anordnung zur Erläuterung und Ergänzung des Geschäftsprüfungsberichts gerichtet an. Sie wies sie durch Beschwerdeentscheidungen mit der Begründung zurück, die Anordnung und ihre Durchsetzung mit Zwangsmitteln sei rechtmäßig, weil die OFD als Aufsichtsbehörde auch prüfen müsse, ob die Geschäftsführung des Vereins dessen Charakter als Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern entspräche.

Die gegen die Verfügungen vom 30. März 1979 und vom 23. Mai 1979 und die dazu ergangenen Beschwerdeentscheidungen gerichteten Klagen der Antragstellerin hatten teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verband die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und hob die Verwaltungsakte vom 30. März 1979 und 23. Mai 1979 sowie die Beschwerdeentscheidungen insoweit auf, als sie die Antragstellerin zur Vorlage einer Erläuterung der Aufwandspositionen der Gewinn- und Verlustrechnung des Vereins verpflichten und wegen Nichtvorlage der Erläuterung der Aufwandspositionen ein Zwangsgeld von 500 DM androhen und festsetzen. Im übrigen wies es die Klage ab.

Zur Begründung führte das FG aus: Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung seien die Anordnungsverfügung, die (Zwangsgeld-)Androhungsverfügung und die Festsetzungsverfügung, weil die Verwaltungsakte vom 30. März und 23. Mai 1979 insgesamt angefochten und noch nicht bestandskräftig geworden seien. Die Klage sei hinsichtlich der Anordnung a) in der Verfügung vom 30. März 1979 begründet. Die Aufforderung, eine Erläuterung der Aufwandspositionen der Gewinn- und Verlustrechnung des Vereins vorzulegen, sei inhaltlich nicht klar und eindeutig bestimmt und deshalb aufzuheben. Soweit die Anordnungsverfügung rechtswidrig sei, müßten auch die Androhungs- und Festsetzungsverfügung hinsichtlich des Zwangsgeldes aufgehoben werden, weil diesen insoweit die Grundlage entzogen sei. Dagegen sei die Anordnung b), eine Aufstellung der Beträge vorzulegen, die an die Vereinsorgane, an deren nahe Angehörige oder an Gesellschaften, bei denen diese Personen beteiligt sind, sowie an das Beratungspersonal gezahlt wurden, eindeutig bestimmt und rechtlich nicht zu beanstanden. Mit ihr verfolge die OFD als Aufsichtsbehörde den Zweck, den Aufwand des Vereins unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen, ob dieser seinen Charakter als Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern (§ 13 Abs. 1 StBerG) wahre. Dazu sei sie nach dem Gesetz berechtigt und verpflichtet.

Die in § 28 Abs. 1 StBerG geregelte Verpflichtung der Mitglieder des Vorstands eines Lohnsteuerhilfevereins, vor der Aufsichtsbehörde zu erscheinen, Auskunft zu geben sowie Handakten und Geschäftsunterlagen vorzulegen, stehe in einem engen Zusammenhang mit der Aufsichtsfunktion der OFD über Lohnsteuerhilfevereine (§ 27 Abs. 1 StBerG). Das ergebe sich zunächst aus der Stellung der beiden Vorschriften in einem mit ,,Aufsicht" überschriebenen Unterabschnitt des StBerG sowie aus der Formulierung in § 28 Abs. 1 StBerG), wonach die Mitglieder der Vorstandschaft vor der Aufsichtsbehörde zu erscheinen hätten. Aus der Anordnung beider Vorschriften sei deshalb der Schluß zu ziehen, daß sich die Auskunftsverpflichtung auf alle Anordnungen beziehe, die die Aufsichtsbehörde im Rahmen der von ihr ausgeübten Aufsicht über die Lohnsteuerhilfevereine getroffen habe. Diese Auslegung werde ferner durch den Sinn und Zweck beider Vorschriften bestätigt. Die Aufsichtsbehörde könne die ihr gesetzlich übertragene Aufsichtsfunktion nur erfüllen, wenn ihr die rechtliche Befugnis eingeräumt werde, auch die notwendigen Sachverhaltsermittlungen durchzuführen.

Die strittigen Anordnungen seien Maßnahmen, die der Aufsicht dienten. Die OFD habe die Verpflichtung, alle Maßnahmen zu ergreifen, die eine Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen für Lohnsteuerhilfevereine sicherten. Dazu gehöre auch die Prüfung, ob der Lohnsteuerhilfeverein als Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern auftrete und für seine Mitglieder als Selbsthilfeeinrichtung tätig werde (§ 13 Abs. 1 StBerG). Durch die Betonung des Selbsthilfecharakters der Lohnsteuerhilfevereine komme zum Ausdruck, daß die Vereine trotz ihrer wirtschaftlichen Betätigung sich nicht praktisch in gewerbliche Unternehmen verwandeln dürften, die nicht mehr auf die Interessenwahrung für die Vereinsmitglieder abstellten, sondern deren geschäftliche Erfolge nur wenigen Personen zugute kämen. Somit könne durch eine unangemessen hohe Entlohnung von Vorstandsmitgliedern oder deren Angehörigen gegen den Selbsthilfecharakter eines Lohnsteuerhilfevereins verstoßen und der Verein praktisch in ein geschäftliches Unternehmen des Vorstandes umgewandelt werden. Ob das der Fall sei, müsse die OFD als Aufsichtsbehörde prüfen können.

Für die Auffassung der Antragstellerin, die Aufsicht nach § 27 StBerG beschränke sich nur auf die Überwachung der in § 26 StBerG geregelten Berufspflichten der Lohnsteuerhilfevereine, seien keine Anhaltspunkte gegeben. Vielmehr erstreckten sich nach Auffassung des Senats die Aufsichtsmaßnahmen auf die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften über die Lohnsteuerhilfevereine.

Der Senat folge ferner nicht der Meinung der Antragstellerin, das Aufsichtsrecht der OFD über Lohnsteuerhilfevereine erstrecke sich nicht auf Sachverhalte, die der Geschäftsprüfung nach § 22 StBerG unterlägen. Gegen diese Auffassung spreche § 22 Abs. 7 Nr. 1 StBerG, wonach der Aufsichtsbehörde eine Abschrift des Geschäftsprüfungsberichts zuzuleiten sei. Hieraus könne entnommen werden, daß die Aufsichtsbehörde den Geschäftsprüfungsbericht zu würdigen habe und bei erkannten Mängeln auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen einleiten dürfe. Deshalb müsse sie auch selbst Sachverhaltsermittlungen durchführen können, wenn die Ausführungen im Geschäftsprüfungsbericht zur Beurteilung, ob Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen seien, nicht ausreichten.

Wenn auch in § 28 Abs. 1 StBerG die Verpflichtung zur schriftlichen Auskunftserteilung nicht enthalten sei, halte der Senat die dahingehende Anordnung der OFD für gerechtfertigt, weil die schriftliche Auskunft die Vorstandsmitglieder des Vereins in einem wesentlich geringeren Umfang belaste als das Erscheinen vor der Aufsichtsbehörde. Soweit danach die nach § 28 StBerG angeordnete Aufsichtsmaßnahme Bestand habe, könne sie gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 StBerG auch mit Zwangsgeld durchgesetzt werden. Die Androhung und die Festsetzung des Zwangsgeldes von 500 DM seien nach den Vorschriften des § 159 Abs. 3 und 5 StBerG im Streitfall nicht zu beanstanden.

Die Antragstellerin hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt, die das FG zugelassen hat. Ferner hat sie im vorliegenden Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt, die Vollziehung der Zwangsgeldfestsetzung, soweit diese nicht durch das FG aufgehoben worden ist, auszusetzen.

Die Antragstellerin macht geltend, für das noch bestehende Auskunftsverlangen der OFD fehle die Rechtsgrundlage. Eine solche dürfe im Bereich der Eingriffsverwaltung nicht extensiv ausgelegt werden. Die Vorschrift des § 28 Abs. 1 StBerG entspreche den §§ 80 StBerG und 56 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und müsse ebenso wie diese ausgelegt werden. Die Auskunftspflicht nach diesen Vorschriften beschränke sich auf Tatsachen, deren Kenntnis für etwaige Maßnahmen der Berufsaufsicht erforderlich sei. Die Berufspflichten des Lohnsteuerhilfevereins seien in § 26 StBerG geregelt und auf sie allein bezögen sich die Aufsichtsregelungen und -befugnisse nach den §§ 27 bis 29 StBerG. Daß der Verein seine Pflichten aus § 26 StBerG verletzt habe, werde von der OFD nicht behauptet. Mit den dort aufgeführten Merkmalen habe die Frage, was ein Vereinsvorstand verdiene und welche Vergütungen an das Beratungsstellenpersonal gezahlt werden, nichts zu tun. Die OFD mische sich deshalb mit ihrem Auskunftsverlangen in Angelegenheiten ein, die sie nach dem Gesetz nichts angingen. Eigene Ermittlungen der OFD seien auch deshalb nicht erforderlich, weil sich alle für ihre Aufsicht bedeutsamen Tatsachen aus dem Geschäftsprüfungsbericht ergäben. Aus dem Bericht gehe hervor, daß die Geschäftsführung dem Zweck des Vereins als einer Selbsthilfeeinrichtung zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen für ihre Mitglieder entspreche. Anhaltspunkte dafür, daß die Tätigkeit mit einem unangemessenen Aufwand verbunden sei, seien nicht vorhanden. Ob der Verein als Selbsthilfeeinrichtung geführt werde, ergebe sich aus der Höhe der Beiträge. Die Mitglieder würden nicht übervorteilt, wenn der Vereinsbeitrag geringer wäre als die Gebühren, die sie an die Vertreter der steuerberatenden Berufe zu zahlen hätten. Solange aber die Beiträge der Mitglieder angemessen seien, bestehe kein Grund für die Annahme, daß die vom Verein gezahlten Vergütungen unangemessen sein könnten. Der Geschäftsprüfer habe darüber hinaus die Angemessenheit der Vergütungen überprüft und festgestellt, daß diese nicht überhöht seien. Es bestehe deshalb kein Anlaß für eine nochmalige Prüfung durch die OFD. Im übrigen könne auch aus § 28 Abs. 1 StBerG keine Verpflichtung zur schriftlichen Auskunftserteilung hergeleitet werden. Zu einer mündlichen Erläuterung sei sie bereit.

Die Antragstellerin beantragt mit der Revision sinngemäß, das Urteil des FG und die Verwaltungsakte der OFD vom 30. März und 23. Mai 1979 auch insoweit aufzuheben, soweit das durch das FG noch nicht geschehen ist. Im vorliegenden Verfahren beantragt sie, die Vollziehung der Verfügung über die Festsetzung des Zwangsgeldes vom 23. Mai 1979 in Höhe des noch bestehenden Betrags von 500 DM auszusetzen.

Die OFD beantragt, die Revision und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurückzuweisen.

Mit Verfügung vom 5. Dezember 1983 forderte die OFD die Antragstellerin auf, das auf 500 DM herabgesetzte Zwangsgeld bis zum 20. Dezember 1983 zu zahlen, um Vollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden. Sie führte gleichzeitig aus, einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung könne sie, falls ein solcher bei ihr gestellt würde, aufgrund der Revisionsbegründung nicht entsprechen.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Verfügung über die Zwangsgeldfestsetzung vom 23. Mai 1979 ist zulässig

Nach Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) ist zwar ein Antrag an das Gericht der Hauptsache nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Aussetzungsantrag ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt aber nicht, wenn die Finanzbehörde zu erkennen gegeben hat, daß sie die Vollziehung nicht aussetzen werde (Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VGFGEntlG). Die Voraussetzungen dieser Ausnahmebestimmung sind erfüllt. Die OFD, die es bereits während des Verwaltungsverfahrens abgelehnt hatte, die Vollziehung der Zwangsgeldfestsetzung auszusetzen, hat in der Verfügung vom 5. Dezember 1983 zu erkennen gegeben, daß sie auch aufgrund der Revisionsbegründung einem bei ihr gestellten Aussetzungsantrag nicht entsprechen werde. Die Antragstellerin war demnach befugt, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unmittelbar bei dem Revisionsgericht zu stellen, bei dem auch die Hauptsache anhängig ist.

2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der noch bestehenden Zwangsgeldfestsetzung ist nicht begründet.

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn - wofür im Streitfall nichts vorgetragen ist und keine Anhaltspunkte ersichtlich sind - die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Im Streitfall hängt die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzungsverfügung, für die die Aussetzung der Vollziehung begehrt wird, zunächst davon ab, ob die Anordnung b) in der Verfügung vom 30. März 1979, die die OFD mit Zwangsmitteln durchsetzen will und die ebenfalls mit der Revision angefochten worden ist, rechtmäßig ist. Der Senat gelangt bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, daß die Anordnungs-, Androhungs- und Festsetzungsverfügungen vom 30. März 1979 und vom 23. Mai 1979, soweit sie vom FG nicht aufgehoben worden sind, voraussichtlich auch im Revisionsverfahren Bestand haben werden, so daß eine Aussetzung der Vollziehung der noch bestehenden Zwangsgeldfestsetzung von 500 DM nicht gerechtfertigt erscheint.

b) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß die OFD berechtigt war, von der Antragstellerin eine Aufstellung über die Beträge zu verlangen, die an die Vereinsorgane, an deren nahe Angehörige oder an Gesellschaften, bei denen diese Personen beteiligt sind, sowie an das Beratungspersonal gezahlt worden sind. Dieser vom FG nicht aufgehobene Teil der angefochtenen Anordnungsverfügung ist nicht etwa deshalb unrechtmäßig, weil das Gesetz die von der OFD ergriffene Maßnahme nicht ausdrücklich vorsieht. Ihre Rechtmäßigkeit folgt nach Ansicht des erkennenden Senats aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften über die Lohnsteuerhilfevereine, aus deren Entstehungsgeschichte und aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zur Aufsicht über diese Vereine.

aa) Das Recht der Lohnsteuerhilfevereine ist im Zweiten Abschnitt des Ersten Teils des StBerG (§§ 13 bis 31) geregelt. Dieser bestimmt im Ersten Unterabschnitt unter der Überschrift ,,Aufgaben" den Zweck und den Tätigkeitsbereich der Lohnsteuerhilfevereine. Diese sind danach Selbsthilfeeinrichtungen von Arbeitnehmern zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen für ihre Mitglieder. Je einen eigenständigen Unterabschnitt widmet der Gesetzesabschnitt über die Lohnsteuerhilfevereine deren Pflichten (§§ 21 bis 26 StBerG) und der Aufsicht über die Vereine (§§ 27 bis 30 StBerG). Aus diesem Gesetzesaufbau kann hergeleitet werden, daß die im Vierten Unterabschnitt geregelten Funktionen der OFD als Aufsichtsbehörde (§ 27 Abs. 1 StBerG) sich nicht nur auf die in § 26 StBerG aufgeführten Pflichten der Vereine bei der Hilfeleistung in Lohnsteuersachen, sondern grundsätzlich auf deren gesamten im Dritten Unterabschnitt geregelten Pflichtenkreis beziehen und daß sie sich darüber hinaus auf die Einhaltung sämtlicher Vorschriften über die Lohnsteuerhilfevereine erstrecken, wobei der Wahrung deren gesetzlichen Zwecks als Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern besondere Bedeutung zukommt (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juli 1982 VII R 21/82, BFHE 136, 438, BStBl II 1982, 785, und Mittelsteiner/Gehre, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl., § 27 Anm. 1, wonach sich die Aufsicht darauf erstreckt, daß die Lohnsteuerhilfevereine ihre Pflichten ,,insbesondere" nach § 26 erfüllen).

bb) Der Charakter der Lohnsteuerhilfevereine als Selbsthilfeeinrichtungen, deren Wahrung die hier angefochtene Aufsichtsmaßnahme der OFD dient, ist, wie die Entstehungsgeschichte der Regelung über diese Vereine zeigt, vom Gesetzgeber besonders betont worden, um Mißstände, wie sie in der Vergangenheit aufgetreten sind, künftig auszuschließen (vgl. die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Dritten Steuerberatungsänderungsgesetzes, BTDrucks 7/2852 S. 29, 30). Danach sollte durch Einführung einer Gründungskontrolle und einer Aufsicht der Finanzverwaltung über die Vorstände und die die Lohnsteuerberatung ausübenden Personen sowie durch sonstige geeignete Bestimmungen dem Mißbrauch der Satzungsfreiheit zur Schaffung wirtschaftlicher Pfründe für Einzelpersonen vorgebeugt werden (BTDrucks 7/2852 S. 30; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 2. Februar 1982 VII R 82/81, BFHE 135, 136, BStBl II 1982, 360). Die Eigenschaft des Vereins als Selbsthilfeeinrichtung ist eine zwingende Voraussetzung dafür, daß dieser überhaupt als Lohsnteuerhilfeverein anerkannt werden kann (§§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StBerG) und daß diese Anerkennung nicht nachträglich zu widerrufen ist (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 StBerG). Das bedeutet, daß der Verein nur auf kostendeckende Beiträge für seine Leistungen für die Vereinsmitglieder ausgerichtet sein darf und er nicht zu einem Instrument für eine mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene wirtschaftliche Betätigung des Vorstands werden darf (vgl. Späth in Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 13 StBerG Rdnr. 187). Ob das der Fall ist, ist nicht nur bei der Gründung, sondern im Hinblick auf einen etwaigen Widerruf der Anerkennung des Lohnsteuerhilfevereins auch danach laufend zu überprüfen.

Das angefochtene Auskunftsverlangen der OFD gegenüber der Antragstellerin dient der Überprüfung, ob der Selbsthilfecharakter des Vereins gewahrt ist. Denn aus der Höhe der Vergütungen, die an ein Vereinsorgan und dessen nahe Angehörige - wenn auch über Gesellschaften, an denen diese Personen beteiligt sind - sowie an das Beratungsstellenpersonal gezahlt werden, lassen sich Schlüsse darauf ziehen, ob der Verein die Interessen seiner Mitglieder oder den wirtschaftlichen Erfolg einzelner Personen, insbesondere seiner Organe, verfolgt. Es trifft deshalb nicht zu, wie die Antragstellerin meint, daß die Vergütungen dieser Personen die OFD nichts angingen und daß sich der Charakter des Vereins als Selbsthilfeeinrichtung allein aus der Höhe der Mitgliedsbeiträge ergebe. Vielmehr muß sich die Höhe der von den Mitgliedern zu leistenden Beiträge nicht etwa an den Gebühren für Steuerberatungsleistungen, sondern an den notwendigen Aufwendungen des Vereins orientieren. Die Beiträge sind zu ermäßigen oder den Mitgliedern teilweise zu vergüten, soweit sie unter Berücksichtigung angemessener Vergütungen für die Vereinsorgane und die Beratungsstellenleiter zur Deckung des Aufwands des Vereins nicht benötigt werden.

cc) Es kann dahinstehen, ob die Auskünfte, die die OFD von der Antragstellerin verlangt und deren Erteilung sie mit Zwangsgeld durchsetzen will, Gegenstand der den Lohnsteuerhilfevereinen nach § 22 StBerG obliegenden jährlichen Geschäftsprüfung sind. Selbst wenn sich die Geschäftsprüfung hierauf erstreckt - dafür spricht, daß der Verein die Übereinstimmung seiner tatsächlichen Geschäftsführung mit den satzungsmäßigen Aufgaben prüfen lassen muß, zu denen auch die Wahrung des Selbsthilfecharakters gehört (vgl. § 22 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StBerG; ferner Gehre, Steuerberatungsgesetz, § 22 Rdnr. 7) - schließt das nicht aus, daß die Aufsichtsbehörde, wenn sie die Feststellungen im Geschäftsprüfungsbericht nicht für ausreichend ansieht, hierzu ergänzende Ermittlungen anstellt. Denn die Geschäftsführung dient auch dazu, der Aufsichtsbehörde eine wirksame Überwachung der Lohnsteuerhilfevereine zu ermöglichen (Mittelsteiner/Gehre, a. a. O., § 22 Anm. 1), weshalb ihr der Prüfungsbericht zuzuleiten ist (§ 22 Abs. 7 Nr. 1 StBerG). Dadurch unterscheidet sich der Zweck der Geschäftsprüfung für Lohnsteuerhilfevereine von der für Genossenschaften vorgeschriebenen Geschäftsprüfung (§§ 53 ff. des Genossenschaftsgesetzes - GenG -); letztere ist allein im Interesse der Genossen durchzuführen, da Genossenschaften nicht der staatlichen Aufsicht unterliegen. Die OFD könnte aber ihre Aufsichtsfunktion (§ 27 StBerG) nicht wirksam erfüllen, wenn sie auf die Feststellungen und Ausführungen der Geschäftsprüfer beschränkt wäre und sie nicht selbst Feststellungen treffen dürfte, wenn sie die Ausführungen im Geschäftsprüfungsbericht für lückenhaft ansieht oder Zweifel an deren Richtigkeit hegt.

Im Streitfall bestand Anlaß für das an die Antragstellerin gerichtete Auskunftsverlangen der OFD deshalb, weil der ursprüngliche Geschäftsprüfungsbericht überhaupt keine Feststellungen zu den von der OFD gewünschten Angaben über die Vergütung der Vereinsorgane und Beratungsstellenleiter enthielt. Der Bericht ist zwar während des Klageverfahrens dahingehend ergänzt worden, daß diese Vergütungen von den Geschäftsprüfern als angemessen bestätigt worden sind. Da aber jegliche Angaben über die betragsmäßige Höhe der gezahlten Vergütungen fehlen, war die nachgereichte Ergänzung nicht geeignet, den einmal entstandenen Zweifel der OFD, ob der Verein noch als Selbsthilfeeinrichtung geführt werde, und damit den Anlaß für die angefochtene Aufsichtsmaßnahme zu beseitigen.

dd) Die Befugnis der OFD, von der Antragstellerin als Vorsitzende des Vorstands des Vereins Auskunft über die an Vereinsorgane, deren Angehörige und das Beratungspersonal gezahlten Beträge zu verlangen, ergibt sich aus § 28 StBerG. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift haben die Mitglieder des Vorstands eines Lohnsteuerhilfevereins auf Verlangen vor der Aufsichtsbehörde zu erscheinen, Auskunft zu geben sowie Handakten und Geschäftsunterlagen vorzulegen. Das Gesetz sagt nichts darüber aus, in welcher Form die Auskunft zu erteilen ist. Daß die Auskunftspflicht im Zusammenhang mit der Pflicht zum Erscheinen vor der Aufsichtsbehörde geregelt ist, schließt nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht aus, daß die OFD auch die Erteilung einer schriftlichen Auskunft verlangen kann, wenn sie dies für sachgerecht hält. Die Vorstandsmitglieder werden dadurch nicht in einem größeren Umfang belastet, als es die Eingriffsnorm in ihrer ausdrücklichen Regelung vorsieht. Denn die Erteilung einer schriftlichen Auskunft der geforderten Art macht weniger Umstände als das persönliche Erscheinen vor der OFD. Auch aus der Tatsache, daß die Antragstellerin verpflichtet ist, die Handakten und die Geschäftsunterlagen des Vereins vorzulegen, folgt, daß von ihr auch die Vorlage einer Aufstellung über an bestimmte Personen gezahlte Beträge, die aus diesen Unterlagen des Vereins zu entnehmen sind, verlangt werden kann.

Daß die Aufsichtsbefugnis der OFD über die Lohnsteuerhilfevereine nicht auf bestimmte Maßnahmen und Sachbereiche beschränkt ist, ergibt sich ferner aus § 28 Abs. 2 StBerG. Die von ihr mit der Aufsicht betrauten Amtsträger sind danach berechtigt, an Ort und Stelle Prüfungen vorzunehmen und sonst Feststellungen zu treffen, ,,die zur Ausübung der Aufsicht für erforderlich gehalten werden". Die Aufsicht bezieht sich demnach - wie bereits oben ausgeführt - nicht nur auf die Prüfung, ob der Verein seine in § 26 StBerG geregelten Pflichten bei der Hilfeleistung in Steuersachen erfüllt. Soweit § 28 Abs. 3 StBerG auf die in § 26 bezeichneten Pflichten Bezug nimmt, handelt es sich um eine spezielle Regelung über die Voraussetzungen für die Schließung einer Beratungsstelle. Der Umfang des Prüfungsrechts der OFD unterliegt nur der Beschränkung, daß die Prüfungsmaßnahmen der Aufsicht über die Geschäftstätigkeit des Lohnsteuerhilfevereins dienen müssen und sie nicht die Überprüfung des einzelnen Steuerfalls bezwecken dürfen (vgl. Späth, a. a. O., § 28 StBerG Rdnr. 289.2). Diese Schranke der Aufsichtsbefugnis hat die OFD mit ihrem Auskunftsverlangen vom 30. März 1979 gewahrt.

Auch aus der Tatsache, daß § 28 Abs. 1 StBerG den Vorschriften der §§ 80 StBerG und 56 BRAO nachgebildet worden ist (vgl. Mittelsteiner/Gehre, a. a. O., § 28 Anm. 1 und § 80 Anm. 1), nach denen Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Rechtsanwälte auf Verlangen vor ihrer Berufskammer bzw. deren Vorstand zu erscheinen, Auskunft zu geben und ihre Handakten vorzulegen haben, kann nicht gefolgert werden, daß sich die Auskunftspflicht der Vorstandsmitglieder des Lohnsteuerhilfevereins gegenüber der OFD allein auf die Einhaltung der in § 26 StBerG geregelten allgemeinen ,,Berufspflichten" beschränkt. Denn während die Berufskammern neben der Wahrung der beruflichen Belange ihrer Mitglieder die Aufgabe haben, die Erfüllung der den Mitgliedern obliegenden beruflichen Pflichten (§§ 57 StBerG, 43 ff. BRAO) zu überwachen (§§ 76 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 StBerG, 73 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 BRAO), gehen die der OFD als Aufsichtsbehörde über die Lohnsteuerhilfevereine obliegenden Aufgaben weiter. Sie hat, wie oben ausgeführt, insbesondere auch zu prüfen, ob der Verein dem Gesetzeszweck entsprechend als Selbsthilfeeinrichtung geführt wird oder ob er durch überhöhte Vergütungen an Einzelpersonen, insbesondere Vorstandsmitglieder, diesen wirtschaftliche Pfründe verschafft. Sie kann deshalb auch Auskünfte verlangen zu Fragen, die sich bei den Berufskammern nach ihrem Aufgabenbereich nicht stellen.

3. Da demnach die Anordnungsverfügung vom 30. März 1979, soweit sie nach Ergehen des Urteils des FG noch Bestand hat, rechtmäßig erscheint, war die OFD nach § 159 Abs. 1 StBerG befugt, ihr Auskunftsverlangen i. S. des § 28 StBerG mit Zwangsgeld durchzusetzen. Sie hat das im Falle der Nichtvorlage der angeforderten Aufstellung über die an Vereinsorgane und sonstige Personen geleisteten Beträge zu zahlende Zwangsgeld von 500 DM nach § 159 Abs. 3 StBerG in der Anordnungsverfügung wirksam angedroht. Nachdem die Antragstellerin die Verpflichtung nach § 28 StBerG innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht erfüllt hat, hat die Aufsichtsbehörde durch Verfügung vom 23. Mai 1979 das Zwangsgeld gemäß § 159 Abs. 5 StBerG auch wirksam festgesetzt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzungsverfügung, die die beantragte Aussetzung ihrer Vollziehung rechtfertigen könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413727

BFH/NV 1986, 701

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