Entscheidungsstichwort (Thema)

Prüfung der Erfolgsaussicht im PKH-Verfahren (Einfuhrschmuggel)

 

Leitsatz (NV)

1. Zur gerichtlichen Prüfung der Erfolgsaussicht im Verfahren wegen Bewilligung von Prozeßkostenhilfe.

2. Das zollschuldbegründende vorschriftswidrige Verbringen ist eine Tathandlung; Vorstellungen oder Verschulden des Handelnden sind grundsätzlich unerheblich.

3. Zur Anwendung des Anscheinsbeweises im Finanzstreitverfahren.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114; EWGV 2144/87 Art. 2 Abs. 1 Buchst. b; EWGV 1031/88 Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer reiste am 1. Februar 1993 in seinem Pkw in Begleitung einer Polin von Polen nach Deutschland ein. Zollamtlich zur Zollanmeldung aufgefordert, erklärte er, er habe keine Waren, insbesondere keine Zigaretten anzumelden. Bei der anschließenden Überholung wurden im Kofferraum des Wagens, zwischen der Abdeckplatte des Reserverades und der darüber befindlichen Gummimatte, 40 Stangen (8 000 Stück) Zigaretten gefunden. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) nahm den Antragsteller wegen der auf die Zigaretten entfallenden Eingangsabgaben als Abgabenschuldner in Anspruch. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage, über die noch nicht entschieden ist, und beantragte zugleich die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH). Diesen Antrag lehnte das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, die Rechtsverfolgung biete unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten und des Akteninhalts keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Einlassung des Antragstellers, die ihm unbekannte Begleiterin oder Dritte in Polen müßten Zugang zum Wagen gehabt und die Zigaretten dort versteckt haben, begegne erheblichen Zweifeln. Es widerspreche der Lebenserfahrung, daß ein Fahrzeughalter unbekannten Personen unbeaufsichtigt Zugang zum Fahrzeug gewähre und ihnen damit die Möglichkeit biete, dieses als Mittel zur Begehung von steuerstrafrechtlich erheblichen Handlungen zu verwenden. Die Umstände sprächen jedenfalls dafür, daß dem Antragsteller das Vorhandensein der Zigaretten im Wagen, die er hätte gestellen müssen, bekannt gewesen sei.

Zur Begründung seiner gegen diesen Beschluß gerichteten Beschwerde trägt der Antragsteller vor, das FG dürfe die fehlende Erfolgsaussicht der Klage nicht mit Zweifeln am Klagevorbringen begründen. Für eine hinreichende Erfolgsaussicht spreche vielmehr, daß im Hauptverfahren offenbar eine Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung des Abfertigungsbeamten) erforderlich sein werde. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung sei unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Dem Antragsteller kann, wie von der Vorinstanz jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden, PKH nicht gewährt werden, weil es an dem Bewilligungserfordernis der hinreichenen Erfolgsaussicht für das Klageverfahren fehlt (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --, § 114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Richtig ist zwar, daß es für die Bewilligung von PKH genügt, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen besteht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 142 Anm. 7, 18). Es ist indessen Aufgabe des Gerichts, anhand des Streitstoffs darüber zu befinden, ob eine solche Wahrscheinlichkeit besteht. Eine unzulässige Beweisantizipation kann darin nicht gesehen werden. Wäre dem FG, wie der Antragsteller meint, eine -- vorläufige -- Bewertung des Prozeßstoffs ohne Beweiserhebung verwehrt, so müßte das Gericht dem um PKH Nachsuchenden entweder ohne weiteres glauben und die sachliche Bewilligungsvoraussetzung für gegeben halten oder aber im summarischen Verfahren grundsätzlich Beweis erheben, und zwar ggf. auch durch Zeugenvernehmung. Weder die eine noch die andere Vorgehensweise kann ernstlich in Betracht gezogen werden (vgl. § 118 Abs. 2 Satz 1 und 3 ZPO).

Im Streitfall sprechen bereits die feststehenden Umstände dafür, daß der Antragsteller Schuldner der Abgaben für die Zigaretten geworden ist, und zwar nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABl EG -- L 201/15) -- Zollschuld --, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1031/88 des Rates vom 18. April 1988 (ABlEG L 102/5) -- Zollschuldner -- in Verbindung mit den Verbrauchsteuervorschriften. Aufgrund der Feststellungen ist davon auszugehen, daß der Antragsteller als Fahrzeugführer in seinem Pkw Zigaretten eingeführt hat, ohne sie zu gestellen. Sie sind nicht gestellt worden, weil sie versteckt oder durch besondere Vorrichtungen verheimlicht waren und ihr Vorhandensein der Zollstelle nicht offenbart wurde (vgl. Bail/Schädel/Hutter, Zollrecht, F I 10/5-7 Rz. 3; jetzt auch § 8 Satz 2 der Zollverordnung vom 23. Dezember 1993, BGBl I 1993, 2449). Die Waren sind damit vom Antragsteller vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden (Tathandlung; vgl. zum früheren nationalen Recht § 57 Abs. 1 des Zollgesetzes, § 133 der Allgemeinen Zollordnung; Senat, Urteil vom 12. März 1985 VII R 94/82, BFHE 143, 477, 480; zum neuen, mit den im Einfuhrzeitpunkt geltenden Gemeinschaftsvorschriften übereinstimmenden Gemeinschaftsrecht Witte, Zollkodex, 1994, Art. 202 Rz. 1). Auf Vorstellungen oder Verschulden des Handelnden kommt es nicht an. Das -- im übrigen unsubstantiierte -- Vorbringen, die Zigaretten müßten durch unbekannte Dritte ohne Wissen des Antragstellers im Wagen untergebracht worden sein, wird schon aus diesem Grund entscheidungsunerheblich sein und der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.

Eine Ausnahme könnte allenfalls gelten, wenn eine Einfuhr im Reiseverkehr vorgelegen haben sollte (dazu Bail/Schädel/Hutter, a.a.O., B/57-58 Rz. 8 a. E.; vgl. auch Schwarz/Wockenfoth, Zollgesetz, § 57 Anm. 3; zum Begriff "Reiseverkehr" Bail/Schädel/Hutter, a.a.O., B/57-58 Rz. 20 und F I 10/5-7 Rz. 4). Insoweit spricht jedoch zumindest der erste Anschein gegen die Annahme, daß die Zigaretten ohne Wissen des Fahrzeughalters und -führers -- des Antragstellers -- im Wagen untergebracht worden seien (zur Zulässigkeit des Anscheinsbeweises im finanzgerichtlichen Verfahren etwa Senat, Urteil vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, 69, BStBl II 1989, 534). Der Anscheinsbeweis, dessen sich im Ergebnis auch die Vorinstanz bedient hat ("Lebenserfahrung"), darf der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden, solange er nicht durch substantiierte Einwände erschüttert wird, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt.

Das bisherige Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt nicht die Entscheidung, daß der Anscheinsbeweis erschüttert sei. Der Antragsteller hat keine substantiierten Angaben darüber gemacht, wie es der unbekannten Begleiterin oder sonst unbekannten Dritten in Polen ohne sein Wissen gelungen sein sollte, die Zigaretten in das Versteck im Wagen zu schaffen. Mangels entsprechender Hinweise begründet sein Vorbringen auch unter diesem Gesichtspunkt keine ausreichende Aussicht auf einen Erfolg der Klage.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420205

BFH/NV 1996, 375

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