Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Auszahlung des Kindergeldes an Sozialleistungsträger (sog. Abzweigung)

 

Leitsatz (NV)

  1. Die Frage, ob eine Auszahlung des Kindergeldes an einen Sozialleistungsträger, die zunächst wegen geltend gemachter Erstattungsansprüche (§ 74 Abs. 3 EStG 2000 i.V.m. §§ 102 ff SGB 10) erfolgte, nachträglich auf eine Anordnung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG (sog. Abzweigung) gestützt werden kann, ist eindeutig zu bejahen und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil beide Rechtsinstitute selbständig nebeneinander bestehen.
  2. Die Bestimmung des Kindergeldberechtigten durch das Vormundschaftsgericht (§ 64 Abs. 2 Satz 3 EStG) steht ebenfalls eindeutig einer Abzweigung des Kindergeldes nicht entgegen.
 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 2 S. 3, § 74 Abs. 1 S. 4, Abs. 3; SGB X § 104 Abs. 1 S. 4, Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Im Streitfall sind die beiden von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Rechtsfragen nicht klärungsbedürftig, weil sie sich eindeutig aus dem Gesetz beantworten lassen:

1. Die Abzweigung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 3 (früher 5) EStG sind Rechtsinstitute, die sich nicht ausschließen, sondern nebeneinander bestehen. Die Abzweigung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG unterscheidet sich in Voraussetzungen und Rechtsfolgen von dem Erstattungsanspruch, der in § 74 Abs. 3 EStG 2000 i.V.m. §§ 102 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geregelt ist. Insbesondere setzt ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 SGB X ―im Gegensatz zur Abzweigung― voraus, dass eine Entscheidung des Jugendhilfeträgers hinsichtlich der Heranziehung zu den Kosten der Jugendhilfe vorliegt (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts ―BSG― vom 22. September 1988 2 RU 9/88, BSGE 64, 96, und vom 22. Januar 1998 B 14/10 KG 24/96 R, Sozialrecht 3-1300 § 104 Nr. 13). Deshalb kam schon vor dem Systemwechsel 1996 eine Abzweigung des sozialrechtlichen Kindergeldes nach § 48 Abs. 1 SGB I in Betracht, auch wenn dem von der Abzweigung Begünstigten mangels einer Kostenfeststellungsentscheidung kein Erstattungsanspruch zustand (vgl. BSG-Urteil vom 8. April 1992 10 RKg 31/90, Zentralblatt für Jugendrecht 1993, 555). Daran hat sich durch den Systemwechsel nichts geändert. Das ergibt sich einmal aus der Bezugnahme in § 74 Abs. 3 EStG auf die Vorschriften der §§ 102 ff. SGB X und zum andern aus dem übereinstimmenden Wortlaut von § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 48 Abs. 1 Satz 4 (früher 2) SGB I.

2. Es ist auch nicht klärungsbedürftig, dass die Bestimmung des Kindergeldberechtigten durch das Vormundschaftsgericht nach § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG einer nachfolgenden Abzweigung des Kindergeldes nicht entgegensteht. Die Abzweigung des Kindergeldes gemäß § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG berührt nicht die Anspruchsberechtigung; mit der Abzweigung geht lediglich die Empfangsberechtigung auf den Dritten über (vgl. BSG-Urteil vom 18. März 1999 B 14 KG 6/97 R, BSGE 84, 16, 19, m.w.N. zu § 48 Abs. 1 SGB I).

 

Fundstellen

Haufe-Index 585706

BFH/NV 2001, 898

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