Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bei unzureichender Sachverhaltsaufklärung, Tatbestandsunrichtigkeiten

 

Leitsatz (NV)

  1. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist die Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nur dann nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn der Finanzbehörde die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre; dabei muss der Stpfl. dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben.
  2. Haben wie im Streitfall sowohl der Kläger ‐ wie er selbst einräumt ‐ als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt hinreichend aufzuklären, trifft in der Regel den Kläger die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann.
  3. Die (vermeintliche) Nicht-Berücksichtigung bestimmter Angaben in der Einkommensteuererklärung des Klägers oder das Fehlen bestimmter Erwägungen im FG-Urteil stellen keinen Verfahrensmangel dar.
  4. Unrichtigkeiten bzw. Auslassungen im Tatbestand des FG-Urteils hätte der Kläger mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beim FG geltend machen müssen.
 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 108

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bereits geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Finanzbehörde gehindert ist, eine Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen nachträglich bekannt gewordener steuererhöhender Umstände zu ändern (vgl. BFH-Beschluss vom 11. März 2002 XI B 105/01, BFH/NV 2002, 809). Danach ist die Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nur dann nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn der Finanzbehörde die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Dies trifft im Streitfall schon deshalb nicht zu, da der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ―wie er selbst einräumt― objektiv unrichtige und widersprüchliche Angaben in der Anlage V seiner Einkommensteuererklärung gemacht hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Juni 2000 IV B 6/99, BFH/NV 2000, 1445; vom 25. Februar 2002 X B 77/01, BFH/NV 2002, 1121). Haben ―wie im Streitfall― sowohl der Steuerpflichtige wie auch die Finanzbehörde es versäumt, den Sachverhalt hinreichend aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (vgl. BFH in BFH/NV 2000, 1445; Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 27/01, BFH/NV 2003, 19). Aus den vorgenannten Gründen bedarf es auch keiner Entscheidung zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung ―FGO― (vgl. BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX B 160/01, BFH/NV 2002, 903; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 41).

2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einschließlich Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) erforderlich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruht auf der Rechtsprechung des BFH und wendet sie auf den vorliegenden Einzelfall an. Eine Abweichung von den zitierten BFH-Urteilen vom 14. Mai 1998 VII R 139/97 (BFHE 185, 520, BStBl II 1998, 579) und vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92 (BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293) liegt nicht vor; denn der Kläger lässt sein objektiv vorliegendes, eigenes Verschulden unberücksichtigt.

3. Die (vermeintliche) Nicht-Berücksichtigung bestimmter Angaben in der Einkommensteuer-Erklärung des Klägers oder das Fehlen bestimmter Erwägungen im FG-Urteil stellen schließlich auch keinen Verfahrensmangel dar. Der Kläger legt seiner Beurteilung seine eigene Rechtsauffassung und Wertung des Sachverhalts zugrunde und nicht, wie erforderlich, den maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG, der auf der oben zitierten BFH-Rechtsprechung zu § 173 AO 1977 beruht.

Letztlich rügt der Kläger die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, womit jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

Unrichtigkeiten bzw. Auslassungen im Tatbestand des FG-Urteils hätte der Kläger mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beim FG geltend machen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 12. März 2002 VIII B 2/01, BFH/NV 2002, 1273, m.w.N.).

4. Der Senat hat ―zumal in diesem Verfahren― nicht darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe die vor 1999 entstandenen, aber lt. Erklärung erst in 1999 geltend gemachten (anteiligen) Erhaltungsaufwendungen i.S. des § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nach § 174 Abs. 3 AO 1977 bei der Veranlagung für 1998 zu berücksichtigen wären (vgl. Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 10. November 1998, BStBl I 1998, 1418).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1067317

BFH/NV 2004, 10

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