Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Verfahrenserklärungen; Vorrangigkeit der Entscheidung über einen Aufhebungsbescheid

 

Leitsatz (NV)

1. Unklare Verfahrenserklärungen sind in entsprechender Anwendung des § 133 BGB auszulegen, auch wenn sie von rechtskundigen Personen abgegeben worden sind. Wird geltend gemacht, die Aufhebung eines Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften sei rechtswidrig, kann die Auslegung ergeben, daß ein Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid vorliegt, obwohl die Erklärung nicht ausdrücklich als Einspruch bezeichnet worden ist.

2. Die Entscheidung über den Einspruch gegen einen Bescheid, durch den ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aufgehoben wird, kann vorgreiflich für die Entscheidung im Rechtsstreit über einen gesonderten Feststellungsbescheid sein, in dem die Einkünfte nur einem Beteiligten zugerechnet werden.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 118, 174, 180 Abs. 1 Nrn. 2a, 2b; FGO § 74

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Laut Erbschein des Amtsgerichts A ist die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) alleinige Erbin des am . . . 1982 verstorbenen X. Über die Wirksamkeit des Testaments bestanden Meinungsverschiedenheiten zwischen der Klägerin einerseits und der Witwe und den vier Kindern des Verstorbenen andererseits. Schließlich kam es im Januar/Februar 1985 zu einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten, in der im wesentlichen folgendes bestimmt wurde:

,,Die Parteien erkennen an, daß die Klägerin kraft Testaments Alleinerbin geworden ist und daß den Kindern des Verstorbenen jeweils Pflichtteilsansprüche zustehen.

Die Witwe des Verstorbenen verzichtet im Interesse ihrer Kinder auf die Geltendmachung der aus der Ehe und ihrer Beendigung noch resultierenden Ansprüche.

Die Parteien sind sich darüber einig, daß sich die aus dieser Vereinbarung ergebenden Zahlungsansprüche der beiden jüngeren Kinder auf je 3/12 sowie die der beiden älteren Kinder auf je 2/12 des zur Verteilung anstehenden Nachlasses nach Berichtigung aller Fremdverbindlichkeiten belaufen."

Ergänzend wurde u. a. festgehalten, daß der vom Gericht bestellte Nachlaßverwalter Y die für den Nachlaß erforderlichen Steuererklärungen erstellen und abgeben und sich dabei der Hilfe des Steuerberaters Z bedienen solle.

Im Mai 1985 ging beim Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA -) eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung 1982 der Einkünfte der ,,Erbengemeinschaft X", vertreten durch Nachlaßverwalter Y ein; Y wurde auch als Empfangsbevollmächtigter angegeben. Die Feststellungserklärung umfaßte die Einkünfte aus der Fortführung der Arztpraxis des Verstorbenen vom Todestag bis 30. Juni 1982, den Gewinn aus der Veräußerung der Praxis zum 30. Juni 1982, nachträgliche Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben vom 1. Juli bis 31. Dezember 1982 sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Zeit vom Todestag bis 31. Dezember 1982. Die Einkünfte wurden der Klägerin und den Kindern des Verstorbenen anteilig entsprechend der Vereinbarung vom Januar/Februar 1985 zugerechnet. Das FA erließ daraufhin unter dem 23. Juli 1985 einen entsprechenden Feststellungsbescheid, der an Y ,,als Nachlaßverwalter für die Erbengemeinschaft X" gerichtet wurde.

Mit Schreiben vom 9. September 1985 an Y teilte das FA diesem mit, es sei festgestellt worden, daß der Feststellungsbescheid infolge eines Bekanntgabemangels nicht wirksam geworden sei; der von dem unwirksamen Bescheid ausgehende Rechtsschein werde hiermit beseitigt. Dazu wurde ausgeführt, eine Erbengemeinschaft habe nicht bestanden; die Klägerin sei Alleinerbin gewesen, die Kinder hätten lediglich Pflichtteilsansprüche gehabt. Der Gewinn hätte folglich gesondert (gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 b der Abgabenordnung - AO 1977 -) festgestellt und der Klägerin allein zugerechnet werden müssen. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen seien im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin zu erfassen. Das FA werde die Bescheide (außer dem angefochtenen Feststellungsbescheid auch den Umsatzsteuerbescheid) demnächst erneut bekanntgeben.

Daraufhin vertraten die steuerlichen Berater der Feststellungsbeteiligten (,,Erbengemeinschaft") in einem Schreiben an das FA vom 23. September 1985 mit ausführlicher Begründung die Auffassung, der Feststellungs- und der Umsatzsteuerbescheid seien rechtswirksam dem Nachlaßverwalter Y bekanntgegeben worden. Die Einkünfte seien zutreffend auch den Feststellungsbeteiligten anteilig zugerechnet worden. Die Vereinbarung vom Januar/Februar 1985 sei als Erbauseinandersetzung getroffen worden, um langwierige rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. In dem Schreiben vom 23. September 1985 heißt es abschließend: ,,Da somit die obigen Bescheide wirksam bekanntgegeben wurden und außerdem die steuerlichen Bemessungsgrundlagen den zutreffenden Parteien zugerechnet wurden, erübrigt sich die Bekanntgabe neuer Bescheide."

Das FA erließ am 16. September 1985 den mit dem Schreiben vom 9. September 1985 angekündigten gesonderten Feststellungsbescheid gegen die Klägerin. In diesem Bescheid wurden die Praxiseinkünfte, die zuvor im Bescheid vom 23. Juli 1985 gesondert und einheitlich festgestellt und der Klägerin nur anteilig (16 2/3 v.H.) zugerechnet worden waren, in vollem Umfang der Klägerin zugerechnet.

Der Einspruch gegen den Bescheid vom 16. September 1985 wurde durch Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 1986 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen richtete sich die Klage, mit der die Klägerin weiterhin geltend machte, der Bescheid vom 16. September 1985 sei aufzuheben, da der Bescheid vom 23. Juli 1985 wirksam bekanntgegeben sei und die Einkünfte zutreffend der Klägerin und den Kindern des Verstorbenen anteilig nach Maßgabe der Vereinbarung vom Januar/Februar 1985 zugerechnet worden seien.

Mit Beschluß vom 17. Dezember 1990 setzte das Finanzgericht (FG) das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus. Das FG führte zur Begründung aus, gegen den im Schreiben des FA vom 9. September 1985 enthaltenen Bescheid über die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 23. Juli 1985 sei mit dem Schreiben vom 23. September 1985 Einspruch erhoben worden, über den noch nicht entschieden worden sei. Sollte im Verfahren gegen den Bescheid vom 9. September 1985 die Rechtsauffassung des FA bestätigt werden, müsse die Klage abgewiesen werden, da gewichtige Anhaltspunkte dafür sprächen, daß keine Erbengemeinschaft bestanden habe. Sollte sich hingegen herausstellen, daß der Bescheid vom 23. Juli 1985 nicht nichtig sei, müsse die Klage zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, ohne daß es darauf ankäme, ob eine Erbengemeinschaft bestanden habe. Zur näheren Begründung dazu verwies das FG auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 27. April 1990 und auf ein Schreiben des Berichterstatters an die Beteiligten vom 13. 6. 1990.

Gegen den Aussetzungsbeschluß richtet sich die Beschwerde des FA, der das FG nicht abgeholfen hat. Das FA ist der Ansicht, es fehle bereits an einem anhängigen Rechtsstreit i.S. des § 74 FGO. Das Schreiben der Prozeßbevollmächtigten vom 23. September 1985 könne nicht als Einspruch angesehen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erwartet werden, daß er ein Rechtsmittel auch als solches bezeichne (BFH-Urteil vom 10. Januar 1958 III 342/57 U, BFHE 66, 310, BStBl III 1958, 119 und BFH-Beschluß vom 24. September 1970 II B 28/70, BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813). Im übrigen sei das FA auch bei Wirksamkeit des Feststellungsbescheids vom 23. Juli 1985 nicht gehindert gewesen, den angefochtenen Bescheid vom 16. September 1985 zu erlassen. Die Rechtsfolgen, die sich aus der doppelten Erfassung von Einkünften ergeben, seien in § 174 AO 1977 geregelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen. Das FG hat das Verfahren betreffend die gesonderte Gewinnfeststellung 1982 rechtsfehlerfrei ausgesetzt.

1. Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

Im Streitfall hängt die Entscheidung des FG zur gesonderten Feststellung im Verfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 b AO 1977 davon ab, ob die Praxiseinkünfte rechtswirksam in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der nach Auffassung der Klägerin bestehenden Erbengemeinschaft erfaßt worden sind.

2. a) Allerdings hat das FA mit Schreiben vom 9. September 1985 mitgeteilt, der Bescheid über die gesonderte Feststellung sei unwirksam und werde zur Beseitigung des von ihm ausgehenden Rechtsscheins aufgehoben. Dieses Schreiben des FA ist als Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO 1977 anzusehen, da es nach der Erklärung des FA dazu diente, den von dem Bescheid vom 23. Juli 1985 ausgehenden Rechtsschein zu beseitigen, sich in diesem Sinne als Rückgängigmachung (Aufhebung) eines anderen Verwaltungsakts darstellt und so mit Rechtswirkung gegenüber den Beteiligten, die sich auf den ,,Rechtsschein" nicht mehr berufen können sollten, mit unmittelbarer Außenwirkung der Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts diente.

b) Gegen einen Bescheid, durch den ein Feststellungsbescheid aufgehoben wird, ist nach § 348 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 der Einspruch gegeben. Dies gilt im Rechtsschutzinteresse auch, wenn die Behörde den aufgehobenen Bescheid für unwirksam hält und die Aufhebung zur Beseitigung des von ihr angenommenen Rechtsscheins verfügt. Da es darum ging, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt war (nur die Klägerin oder auch die Kinder des Verstorbenen), waren sowohl die Klägerin als auch die übrigen Feststellungsbeteiligten gemäß § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 einspruchsbefugt.

c) Gegen den Bescheid ist entgegen der Auffassung des FA auch tatsächlich Einspruch eingelegt worden. Der Einspruch ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Verfahrensrechts, durch die der Erklärende geltend macht, daß er sich durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassen beschwert fühlt und eine Nachprüfung begehrt (Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, § 357 AO 1977 Tz. 1). Der Einspruch ist gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären, jedoch ist die Verwendung des Ausdrucks Einspruch nicht erforderlich (§ 357 Abs. 1 Satz 4 AO 1977; vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., Tz. 2 und FG Hamburg, Urteil vom 6. 12. 1985 II 82/85, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 266).

d) Das FG hat in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze das Schreiben der Prozeßbevollmächtigten als Einspruch angesehen. Diese Auslegung, die revisionsrechtlich nachprüfbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359), ist nicht zu beanstanden. Mit dem Schreiben vom 23. September 1985 wurde nämlich geltend gemacht, entgegen der Auffassung des FA sei der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung vom 23. Juli 1985 rechtswirksam bekanntgegeben worden. Ferner wurde geltend gemacht, der Bescheid sei auch inhaltlich richtig, da eine Erbengemeinschaft bestehe und die Einkünfte der Miterben gesondert und einheitlich festzustellen seien. Diese Ausführungen im Zusammenhang mit der Schlußfolgerung, damit erübrige sich die Bekanntgabe neuer Bescheide, lassen eindeutig erkennen, daß die Feststellungsbeteiligten sich durch die Aufhebung des Bescheides vom 23. Juli 1985 beschwert fühlten und eine Nachprüfung begehrten.

e) Der Wertung als Einspruch steht entgegen der Auffassung des FA auch nicht entgegen, daß die Feststellungsbeteiligten durch Steuerberater vertreten waren und diese das Schreiben vom 23. September 1985 nicht als Einspruch bezeichnet haben. Verfahrenserklärungen sind in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auszulegen, auch wenn sie von rechtskundigen Personen abgegeben werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 29. Juli 1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359). Voraussetzung ist, daß die Erklärung auslegungsbedürftig ist, also nicht nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (BFH-Urteil in BFH/NV 1987, 359). Die Auslegung ergibt, wie dargelegt, daß das Schreiben der Prozeßbevollmächtigten als Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 9. September 1985 anzusehen ist. Zu Unrecht beruft das FA sich für seine gegenteilige Auffassung auf die BFH-Entscheidungen in BFHE 66, 310, BStBl III 1958, 119 und in BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813. Im Falle des Urteils in BFHE 66, 310, BStBl III 1958, 119 hat der BFH betont, es sei nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob ein Schriftstück (eines Steuerberaters) eine Rechtsmitteleinlegung darstelle. Der BFH hielt also auch in dieser Entscheidung die Auslegung der prozessualen Willenserklärungen, auch solcher von Steuerberatern, für zulässig, kam im damaligen Streitfall jedoch zu dem Ergebnis, daß das Rechtsmittel nicht während der Rechtsmittelfrist, sondern erst nach deren Ablauf eingelegt und vorher nur angekündigt war. So ist es im Streitfall ersichtlich nicht. Mit dem Beschluß in BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813 hat der BFH die ständige Rechtsprechung bestätigt, nach der ein von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe oder einem Rechtsanwalt eingelegtes Rechtsmittel oder gestellter Antrag nicht in ein anderes Rechtsmittel oder einen anderen Antrag umgedeutet werden könne. Auch darum geht es im Streitfall nicht. Es wird nicht ein Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel in einen anderen Rechtsbehelf umgedeutet, sondern ein Schriftstück in dem Sinne ausgelegt, daß es als ein bestimmter Rechtsbehelf, nämlich als Einspruch, anzusehen sei.

3. a) Die Entscheidung über den gegen den Aufhebungsbescheid vom 9. September 1985 gerichteten Einspruch ist auch i.S. des § 74 FGO vorrangig für die Entscheidung des FG im Streitfall. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Entscheidung in einem Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften i.S. des § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 wegen der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids (§ 182 Abs. 1 AO 1977) vorgreiflich für die Entscheidung im Verfahren über die Folgebescheide, in die die gesondert und einheitlich festgestellten Einkünfte eingehen (vgl. z. B. Senatsurteil vom 19. Juni 1990 IV R 11/89, BFH/NV 1991, 649 und BFH-Beschluß vom 20. Februar 1991 II B 160/89, BFHE 163, 309, BStBl II 1991, 368). In diesen Fällen ist es regelmäßig geboten und zweckmäßig, daß das FG den Streit um die Rechtmäßigkeit des Folgebescheids nach § 74 FGO aussetzt, solange noch unklar ist, ob und wie ein angefochtener Grundlagenbescheid geändert wird (Beschluß in BFHE 163, 309, BStBl II 1991, 368). Im Streitfall geht es allerdings nicht unmittelbar um das Verhältnis zwischen einem Grundlagen- und einem Folgebescheid. Der angefochtene Bescheid ist jedoch seinerseits ein Grundlagenbescheid nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO 1977, der Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung der Klägerin entfaltet. In diesen gesonderten Feststellungsbescheid dürfen solche Einkünfte nicht einbezogen werden, die die Klägerin gemeinschaftlich mit anderen erzielt hat und für die ein Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 durchzuführen ist. In diesem Sinne ist das Verfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 vorrangig im Verhältnis zum Verfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 b AO 1977, so daß eine Aussetzung dieses Verfahrens bis zum Abschluß eines Verfahrens nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 mindestens in Betracht kommt.

b) Im Streitfall besteht allerdings die Besonderheit, daß das FA zunächst ein Verfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 durchgeführt, danach aber den in diesem Verfahren ergangenen Bescheid vom 23.7. 1985 durch den Aufhebungsbescheid vom 9. 9. 1985 aufgehoben hat. Sollte jedoch der gegen letztgenannten Bescheid eingelegte Einspruch zur Aufhebung des Aufhebungsbescheides mit der Folge des Wiederauflebens des Feststellungsbescheides vom 23. 7. 1985 führen, so müßte das FA oder ggf. das FG den angefochtenen gesonderten Feststellungsbescheid vom 16. 9. 1985 gemäß § 174 Abs. 1 AO 1977 aufheben. Sollte der Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid hingegen keinen Erfolg haben, läge ein vorgreiflicher Bescheid nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 nicht vor und das FG müßte in der Sache über die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung vom 16. 9. 1985 entscheiden. Hieraus ergibt sich die Vorgreiflichkeit des Verfahrens betreffend den Aufhebungsbescheid im Verhältnis zu dem Verfahren betreffend den gesonderten Feststellungsbescheid. Vorgreiflichkeit ist bereits gegeben, wenn das andere Verfahren irgendwie für die Entscheidung erheblich ist, d.h., daß es irgendeinen rechtlichen Einfluß auf das auszusetzende Verfahren ausüben kann (vgl. BFH-Urteil vom 16. 12. 1987 I R 350/83, BFHE 152, 401, BStBl II 1988, 600).

4. Bei der Entscheidung, das Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des FG (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Beschluß in BFHE 163, 309, BStBl II 1991, 368). Das FG muß bei seiner Entscheidung prozeßökonomische Grundsätze und die Interessen der Beteiligten gegeneinander abwägen. Ist unklar, ob und wie ein angefochtener Grundlagenbescheid geändert wird, ist die Aussetzung des nachrangigen Verfahrens regelmäßig geboten und zweckmäßig (Beschluß in BFHE 163, 309, BStBl II 1991, 368). Aus den dargestellten Gründen ergibt sich, daß das FG sein Ermessen zutreffend ausgeübt hat. Zumindest ist die Aussetzung des Verfahrens zweckmäßig, da sie dazu führt, daß in dem dazu anhängigen Verfahren verbindlich entschieden wird, ob ein vorrangiges Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 rechtswirksam durchgeführt worden ist.

Danach war die Beschwerde des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung unterbleibt, da es sich bei dem Aussetzungsverfahren um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt, das von der Kostenentscheidung im Rahmen der endgültigen Streitentscheidung miterfaßt wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. 8. 1988 VIII B 83/87, BFHE 154, 15, BStBl II 1988, 947 und vom 9.4. 1991 VIII B 217/90, BFH/NV 1992, 136).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418647

BFH/NV 1993, 2

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