Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Rechtsschutz bei Steuererstattung?

 

Leitsatz (NV)

Eine vorläufige Erstattung der einbehaltenen, auf die Einkommensteuer angerechneten Lohnsteuer im Wege der einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn sonst die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen unmittelbar und ausschließlich bedroht wäre.

 

Normenkette

FGO § 114; ZPO § 920 Abs. 2, § 940

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erzielte in den Jahren 1978 und 1979 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die einbehaltenen Lohnsteuerbeträge betrugen . . . DM (1978) und . . . DM (1979). Hiervon wurden dem Antragsteller aufgrund des Einkommensteuerbescheids . . . DM und aufgrund der Einkommensteuerbescheide für 1978 . . . DM und für 1979 . . . DM erstattet.

Mit der beim FG anhängigen Klage begehrt der Antragsteller die Herabsetzung der Einkommensteuer 1978 und 1979, da die Besteuerungsgrundlagen 1978 um . . . DM und 1979 um . . . DM zu mindern seien.

Mit Schreiben vom 10. Juni 1984 beantragte der Antragsteller beim FG, das Finanzamt (FA) durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, . . . DM an ihn auszuzahlen. Dieser Betrag ergebe sich bei Anwendung eines Steuersatzes von 33 v. H. auf die im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Minderung der Besteuerungsgrundlagen 1978 und 1979.

Das FG lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Juni 1975 VI B 22/75 (BFHE 116, 106, BStBl II 1975, 717) und vom 26. Januar 1983 I B 48/80 (BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233) als unbegründet ab. Ein Anordnungsgrund i. S. von § 114 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei weder vorgetragen, noch glaubhaft gemacht, noch ergebe er sich aus den erkennbaren Umständen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine vorläufige Erstattung der einbehaltenen, auf die Einkommensteuer angerechneten Lohnsteuerbeträge im Wege der einstweiligen Anordnung möglich ist (vgl. hierzu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 114 FGO Tz. 9). Selbst wenn das bejaht wird, hätte im Streitfall der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg, weil kein Anordnungsgrund vorliegt. Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ist Voraussetzung für die vom Antragsteller begehrte Regelungsanordnung, daß sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die für eine vorläufige Anordnung sprechenden Gründe müssen so schwerwiegend sein, daß sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (vgl. Beschluß des BFH vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 493). Für den Fall der Erstattung von einbehaltenen, auf die Einkommensteuer angerechneten Lohnsteuerbeträge vor dem rechtskräftigen Abschluß eines Rechtsbehelfsverfahrens könnte ein Anordnungsgrund nur dann bejaht werden, wenn durch die Ablehnung der vorläufigen Erstattung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen unmittelbar und ausschließlich bedroht wäre. Die vom Antragsteller vorgetragenen Gründe genügen diesen Anforderungen nicht. Es ist nicht einmal behauptet, daß die erhebliche Einschränkung des Lebensstandards und die Zahlungsverpflichtungen aufgrund des Wohnungskaufs existenzgefährdend sind. Was das Verfahren beim Amtsgericht X anbelangt, so kann offenbleiben, ob insoweit eine wirtschaftliche Existenzbedrohung des Antragstellers anzunehmen gewesen wäre. Der Termin der Vorladung zum Amtsgericht X am 13. Juli 1984 lag vor der Erhebung der Beschwerde am 16. August 1984. Im Beschwerdeverfahren ist die Aufgabe des BFH nicht darauf beschränkt, die Entscheidung der Vorinstanz auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Vielmehr hat der Senat das Begehren des Antragstellers im Rahmen des Beschwerdeantrags erneut in jeder Hinsicht zu prüfen und dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen (BFH-Beschluß vom 12. Februar 1969 VII B 60/66, BFHE 95, 84, BStBl II 1969, 318). Es hätten daher, um das Verfahren vor dem Amtsgericht noch als Anordnungsgrund in Betracht zu ziehen, Darlegungen zum Stand des Verfahrens gemacht werden müssen.

Da die vom Antragsteller vorgetragenen Gründe schon nicht als Anordnungsgründe anerkannt werden könnten, braucht der Senat nicht auf die Frage ihrer Glaubhaftmachung (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) einzugehen. Ebensowenig ist zu prüfen, ob der behauptete Anordnungsanspruch besteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413760

BFH/NV 1985, 40

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge