Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert einer Nichtzulassungsbeschwerde einer KG; Auswirkung der Berliner Betriebsstättenpräferenz

 

Leitsatz (NV)

Zur Bestimmung des Streitwerts der Nichtzulassungsbeschwerde einer KG mit Einkünften aus einer Betriebsstätte in Berlin (West).

 

Normenkette

AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a; BerlinFG § 21 Abs. 1, 3; GKG § 13 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Erinnerungsführerin) ist eine GmbH & Co. KG, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Betriebsstätte in Berlin (West) i. S. des § 21 Abs. 3 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) erzielt. Das zuständige Finanzamt (FA) ging nach einer Betriebsprüfung davon aus, die beiden Kommanditisten der Erinnerungsführerin hätten im Jahre 1967 durch entgeltliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Grundstück ihres Sonderbetriebsvermögens auf die Erinnerungsführerin einen Gewinn in Höhe von 760 000 DM erzielt, und erließ einen diesen Gewinn erfassenden und weitere Feststellungen der Betriebsprüfung berücksichtigenden geänderten Feststellungsbescheid. Mit der Klage wurde u. a. geltend gemacht, der Änderungsbescheid 1967 habe wegen Verjährung der Steueransprüche nicht ergehen dürfen und zur Gewinnrealisierung sei es erst mit der Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums am Grundstück im Jahre 1977 gekommen. Dementsprechend beantragte die Erinnerungsführerin im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG), den Änderungsbescheid 1967 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die wegen Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde wurde mit Beschluß des Senats vom 14. Januar 1988 IV B 59/87 im Verfahren nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) als unbegründet zurückgewiesen.

Danach setzte die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) die Gerichtskosten fest. Dabei ging die Kostenstelle von einem Streitwert in Höhe von 465 000 DM aus, den sie wie folgt berechnete:

Gewinn laut Änderungsbescheid 810 000 DM

Gewinn laut ursprünglichem Bescheid (Verlust) ./. 120 000 DM

Unterschiedsbetrag 930 000 DM

davon 50 v. H. = Streitwert 465 000 DM

Dagegen richtet sich die Erinnerung, mit der geltend gemacht wird, der Streitwert dürfe nur nach der Höhe des Veräußerungsgewinns bemessen werden, da von Anfang an nur dieser streitig gewesen sei, der Streitwert dürfe ferner nach der ständigen Rechtsprechung der FG, zuletzt Urteil des FG Nürnberg vom 25. März 1985 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 413) nicht mit 50 v. H., sondern nur mit 25 v. H. des streitigen Gewinnbetrags bemessen werden, zusätzlich müsse noch die 30-prozentige Berlinpräferenz berücksichtigt werden. Damit ergebe sich ein Streitwert in Höhe von 133 000 DM.

Der Vertreter der Staatskasse beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach § 5 des Gerichtskostengesetzes (GKG) zulässige Erinnerung ist nur teilweise begründet. Sie führt auf der Grundlage eines Streitwerts von 325 500 DM zu einer Gerichtskostenansatz von 2 358 DM.

1. Zum Zweck der Berechnung der Gerichtskosten ist der Streitwert im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG). Im Verfahren vor dem FG hatte die Erinnerungsführerin in erster Linie geltend gemacht, der angefochtene Änderungsbescheid habe wegen Verjährung der von ihm abhängenden Steuern der Gesellschafter nicht ergehen dürfen. Dementsprechend lautete ihr Antrag auch dahin, den Änderungsbescheid u. a. für das Streitjahr und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben. Damit hat die Erinnerungsführerin eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß ihr Begehren in erster Linie dahin ging, den ursprünglichen Feststellungsbescheid, mit dem ein Verlust von 120 000 DM festgestellt worden war, wieder herzustellen. Danach hat die Kostenstelle der Streitwertberechnung zutreffend den Unterschied zwischen dem ursprünglich festgestellten Betrag und dem durch den Änderungsbescheid festgestellten Betrag zugrundegelegt. Denn der Streitwert einer Nichtzulassungsbeschwerde bestimmt sich nach dem Streitwert des Klageverfahrens, sofern der Beschwerdeführer nicht erkennbar macht, daß er in einem Revisionsverfahren das Klagebegehren nur noch eingeschränkt weiterverfolge (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Januar 1978 IV E 1/77, BFHE 124, 144, BStBl II 1978, 198; vom 28. Februar 1978 VII B 30/77, BFHE 124, 310, BStBl II 1978, 314, und vom 23. April 1980 I B 45/78, BFHE 130, 445, BStBl II 1980, 751).

Eine Einschränkung des Klagebegehrens ist nicht erkennbar gemacht worden. Mit der u. a. auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde war nämlich auch geltend gemacht worden, die Frage, ob im Streitfall Verjährung eingetreten sei, sei von grundsätzlicher Bedeutung.

2. Im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ist der Streitwert in der Regel mit 25 v. H. der streitigen Gewinnbeträge zu bemessen. Bei höheren Gewinnanteilen der Gesellschafter ist dieser Satz jedoch angemessen zu erhöhen. Damit soll den mutmaßlichen Auswirkungen der streitigen Anteile bei der Einkommensteuerveranlagung der Gesellschafter Rechnung getragen werden; genaue Berechnungen sind insoweit jedoch nicht vorzunehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 13. März 1980 IV E 2/80, BFHE 130, 363, BStBl II 1980, 520; vom 2. Oktober 1980 IV R 235/75, BFHE 131, 288, BStBl II 1981, 38; vom 18. März 1986 VIII R 113/84, BFH/NV 1986, 554; vom 25. Juni 1985 VIII R 398/83, BFH/NV 1987, 525, und vom 6. Februar 1986 IV E 4/85, BFH/NV 1988, 109). In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat entschieden, daß bei einer einheitlichen Gewinnfeststellung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung - AO 1977 -), bei der ein Gewinnbetrag von 314 000 DM streitig ist, als Streitwert 50 v. H. der erstrebten Gewinnminderung anzunehmen ist (Beschluß vom 28. November 1985 IV S 24/85, BFH/NV 1987, 184). Im Streitfall ging es um eine Erhöhung des festzustellenden Gewinns von 930 000 DM, die ganz überwiegend, nämlich in Höhe des Gewinns aus der Grundstücksveräußerung, auf nur zwei Gesellschafter zu je ‹ entfielen. Danach ist die Bemessung des Streitwerts mit 50 v. H. des streitigen Gewinnbetrags nicht zu beanstanden. Dies gilt nach den Grundsätzen der Entscheidungen in BFHE 130, 363, BStBl II 1980, 520 und BFHE 131, 288, BStBl II 1981, 38 auch hinsichtlich der auf die übrigen Gesellschafter der Erinnerungsführerin entfallenden Anteile.

3. Der Senat hat mit Beschluß vom 23. Februar 1978 IV E 2/78 (BFHE 125, 10, BStBl II 1978, 435) entschieden, bei der pauschalen Ermittlung des Streitwerts für ein einheitliches Gewinnfeststellungsverfahren könne die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, daß allen oder einzelnen von der einheitlichen Gewinnfeststellung betroffenen Personen die Steuervergünstigungen nach § 21 Abs. 1 des Berlinhilfegesetzes 1964 - BHG 1964 - (jetzt § 21 Abs. 1 BerlinFG) zustehen, nicht berücksichtigt werden.

Diese Entscheidung beruht auf der Erwägung, daß die Steuerermäßigung nach § 21 Abs. 1 BHG (jetzt § 21 Abs. 1 BerlinFG) auch von Voraussetzungen abhängt (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt des Steuerpflichtigen usw.), deren Vorliegen im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren nicht ohne weiteres erkennbar ist, ohne Beiziehung der Steuerakten der Gesellschafter nicht zuverlässig überprüft werden kann und die deshalb nach den für die Streitwertbestimmung maßgebenden Grundsätzen außer Betracht bleiben müssen. Im Streitfall wird die Berlinpräferenz indes nicht nach § 21 Abs. 1, sondern nach § 21 Abs. 3 BHG 1964 (jetzt § 21 Abs. 3 BerlinFG) gewährt, da der streitige Gewinn in der Betriebsstätte in Berlin (West) erzielt worden ist, in der ausweislich der von der Erinnerungsführerin vorgelegten Kopie des Feststellungsbescheids des FA vom 30. März 1979 auch im Streitjahr im Durchschnitt regelmäßig mehr als 25 Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Die Feststellung zur Zahl der in der Berliner Betriebsstätte beschäftigten Arbeitnehmer ist für die Veranlagungs- FÄ der Gesellschafter bindend. Der Senat hat dies für die Rechtslage nach § 215 der Reichsabgabenordnung (AO) entschieden (BFH-Urteil vom 9. November 1978 IV R 185 /74, BFHE 127, 96, BStBl II 1979, 330); daran ist, trotz im Schrifttum geäußerter Zweifel (Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, § 21 Tz. 42, 43), festzuhalten. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 BerlinFG (Wohnsitz usw. des Steuerpflichtigen in Berlin) brauchen bei Betriebsstättengewinnen i. S. des § 21 Abs. 3 BerlinFG nicht erfüllt zu sein (Sönksen/Söffing, a.a.O., § 21 Tz. 27). Da somit das Vorliegen aller für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung erforderlichen Voraussetzungen im Gewinnfeststellungsverfahren bindend festgestellt wird, ist die Tarifermäßigung bei der Streitwertbestimmung ebenso zu berücksichtigen wie bei der Streitwertbemessung in einer Einkommensteuersache (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 28. Juni 1978 I R 22/78, BFHE 125, 440, BStBl II 1978, 631). Dies geschieht in der Weise, daß der Steuerbetrag, der sich aus der Anwendung des Vomhundertsatzes von 50 v. H. auf die streitige Gewinndifferenz ergibt, um die Berlinpräferenz von 30 v. H. gekürzt wird. Für den Streitfall ergibt sich hieraus ein Streitwert von (465 000 DM ./. 139 500 DM =) 325 500 DM.

Nach § 11 GKG und der Anlage 2 zum GKG führt dies zum Ansatz von Gerichtskosten in Höhe von 2 358 DM.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 4 GKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415924

BFH/NV 1989, 119

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