Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verwirkung des Anspruchs auf Rückforderung von Kindergeld; Rügeverzicht durch Unterlassen eines Antrags auf mündliche Verhandlung nach Gerichtsbescheid

 

Leitsatz (NV)

1. Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Rückforderung zuviel gezahlten Kindergeldes jedenfalls dann nicht entgegen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Auf die Länge des Zeitraumes zwischen Kenntniserlangung der Behörde von den für die Rückforderung maßgeblichen Umständen und Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs kommt es in diesem Fall nicht an.

2. Wird nach Ergehen eines Gerichtsbescheides nicht mündliche Verhandlung beantragt, sondern Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, kommt dies einem Verzicht auf das Recht, eine unterlassene Zeugenvernehmung zu rügen, gleich.

 

Normenkette

EStG § 70 Abs. 2; AO 1977 § 37 Abs. 2; FGO § 90a Abs. 2-3, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 155; ZPO § 295

 

Verfahrensgang

Sächsisches FG (Urteil vom 04.02.2004; Aktenzeichen 7 K 1959/03 (Kg))

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat einen Grund für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.

1. Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) aufgeworfene Frage, welcher Zeitraum erforderlich ist, um eine Rückforderung überzahlten Kindergeldes als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben anzusehen, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Frage der Verwirkung eines Anspruchs auf Rückforderung von Kindergeld auf die zwischen Kenntniserlangung von den maßgeblichen Umständen und Geltendmachung der Rückforderung verstrichene Zeit (das sog. Zeitmoment) jedenfalls dann nicht an, wenn es am sog. Umstandsmoment fehlt, d.h. wenn der Inhaber des Rückforderungsanspruchs sich nicht in der Weise verhalten hat, dass der zur Rückzahlung Verpflichtete als sicher annehmen konnte, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden würde (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123). Ein solches Verhalten des Beklagten und Beschwerdegegners (Beklagter) lag nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG nicht vor.

2. Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Klägerin mangelnde Sachaufklärung des Finanzgerichts (FG) durch Übergehen von Beweisanträgen auf Zeugenvernehmung. Da dies ein Verfahrensmangel ist, auf dessen Geltendmachung die Klägerin verzichten konnte (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hätte zur schlüssigen Rüge eines solchen Mangels vorgetragen werden müssen, dass der Fehler bei nächster sich bietender Gelegenheit vor dem FG gerügt worden wäre oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sei. Daran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat im Gegenteil auf die Beweiserhebung verzichtet, indem sie es unterlassen hat, gegen den Gerichtsbescheid des FG vom 4. Februar 2004 mündliche Verhandlung zu beantragen (§ 90a Abs. 2 und Abs. 3 FGO). Bereits mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung hätte die Verfahrensrüge erhoben und in der mündlichen Verhandlung die angebotene Beweisaufnahme durchgeführt werden können. Wendet sich ein Kläger jedoch nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Gerichtsbescheid, so kommt dies einem Verzicht auf das Rügerecht gleich (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 25. November 1997 IV B 130/96, BFH/NV 1998, 609).

Im Übrigen war die Vernehmung von Zeugen deshalb entbehrlich, weil das FG die durch den Beweisantritt zu belegende Behauptung der Klägerin, sie habe dem Beklagten bereits im Januar 2001 mitgeteilt, dass ihre Tochter die Ausbildung vorzeitig beendet habe, als richtig unterstellt hat (vgl. S. 5 des FG-Urteils).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1212498

BFH/NV 2004, 1526

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