Entscheidungsstichwort (Thema)

Kumulative Begründung; Unerheblichkeit materiell-rechtlicher Einwendungen; qualifizierter Rechtsanwendungsfehler

 

Leitsatz (NV)

1. Stützt das FG das angefochtene Urteil auf mehrere, die Entscheidung jeweils eigenständig tragende Begründungen, so muss mindestens für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund schlüssig dargelegt werden.

2. Höchstrichterlich geklärt ist, dass ein Mitglied einer Truppe, eines zivilen Gefolges oder eine technische Fachkraft sich immer dann “nur in dieser Eigenschaft” im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Satz 1 NATO‐Truppenstatut im Inland aufhält, wenn nach den gesamten Lebensumständen erkennbar ist, dass die betreffende Person in dem maßgeblichen Zeitraum fest entschlossen ist, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren.

3. Der Umstand, dass dies nach Ablauf der Dienstzeit tatsächlich geschieht, schließt nicht aus, dass die Person zunächst einen weiteren Verbleib im Inland in Betracht gezogen hat.

4. Maßgeblich sind die Lebensumstände aus der Sicht des jeweiligen Besteuerungszeitraums, nicht das spätere Verhalten des Betreffenden, das indes indiziell herangezogen werden darf. Die Beweislast trifft den Steuerpflichtigen.

5. Ob der Aufenthalt ausschließlich auf dem Umstand der Mitgliedschaft bei einer NATO-Truppe oder einem zivilen Gefolge beruht, ist im Wesentlichen eine Frage tatsächlicher Art, die von der zuständigen Finanzbehörde beziehungsweise dem FG als Tatsacheninstanz zu beantworten ist.

6. Der Verstoß gegen Denkgesetze oder vermeintlich unzutreffende Schlussfolgerungen des FG sind dem Bereich der Anwendung des materiellen Rechts zuzuordnen und stellen keinen Verfahrensmangel dar.

7. Die Schlussfolgerungen der Vorinstanz binden den BFH bereits dann als Revisionsgericht, wenn sie nur möglich, das heißt vertretbar, sind. Sie müssen keineswegs zwingend sein.

8. Ist eine ausgesprochene Rechtsfolge durch die tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt, so handelt es sich ebenfalls nur um einen materiellen Fehler, der indes grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt.

9. Allein der Umstand, dass das FG den einzelnen herangezogenen und umfassend gewürdigten Indizien eine andere Bedeutung beimisst, berechtigt noch nicht zu der Annahme einer auf sachfremden, willkürlichen Erwägungen beruhenden Wertung mit der Folge, dass deshalb ausnahmsweise ein so genannter qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vorläge.

 

Normenkette

NATOTrStat Art. 10 Abs. 1 S. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 07.02.2007; Aktenzeichen 1 K 1893/06)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die umfangreich geltend gemachten Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Die Klägerin hat zutreffend erkannt, dass das Finanzgericht (FG) das angefochtene Urteil auf mehrere, die Entscheidung jeweils eigenständig tragende Begründungen gestützt hat. Bei einer sogenannten kumulativen Begründung, von der jede für sich das Ergebnis des angefochtenen Urteils trägt, muss mindestens für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund schlüssig dargetan werden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. April 2006 VIII B 141/05, BFH/NV 2006, 1465; vom 27. März 2007 VIII B 25/06, juris).

Dies ist hinsichtlich der Begründung des FG, nach den gesamten Lebensumständen habe es nicht die Überzeugung gewinnen können, dass sie, die Klägerin, im maßgebenden Besteuerungszeitraum 1998 den festen Entschluss gefasst gehabt habe, nach Beendigung ihrer Tätigkeit wieder in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren, nicht erfolgt.

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die geltend gemachten Zulassungsgründe bezüglich der weiteren --eigenständigen-- Begründungen im angefochtenen Urteil ordnungsgemäß dargelegt worden sind.

2. Soweit die Klägerin Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.

Ein sogenannter qualifizierter Rechtsanwendungsfehler, der ausnahmsweise die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO erfordert, kommt allenfalls bei offensichtlichen materiellen oder formellen Fehlern des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung in Betracht. Dazu reicht indes nicht eine bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles aus (vgl. BFH-Beschluss vom 27. März 2007 VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335, m.w.N.).

3. Nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 9. November 2005 I R 47/04, BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374; vom 22. Februar 2006 I R 18/05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2007, 437; BFH-Beschluss vom 24. Januar 1990 I B 58/89, BFH/NV 1990, 488) hält sich ein Mitglied einer Truppe, eines zivilen Gefolges oder eine technische Fachkraft immer dann "nur in dieser Eigenschaft" i.S. von Art. X Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 (BGBl II 1961, 1190) auf, wenn nach den gesamten Lebensumständen erkennbar ist, dass die betreffende Person in dem maßgeblichen Zeitraum fest entschlossen ist, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren.

Der Umstand, dass dies nach Ablauf der Dienstzeit tatsächlich geschieht, schließt nicht aus, dass sie zunächst einen weiteren Verbleib im Inland in Betracht gezogen hat, nachträglich aber ihren Entschluss geändert hat. Auch in einem solchen Fall wäre der Inlandsaufenthalt nicht ausschließlich durch das Dienstverhältnis veranlasst. Maßgeblich sind die Lebensumstände aus der Sicht des jeweiligen Besteuerungszeitraumes, nicht das spätere Verhalten des Betreffenden, das jedoch indiziell herangezogen werden darf. Die Beweislast hierfür trifft den Steuerpflichtigen.

Die Frage, ob der Aufenthalt ausschließlich auf dem Umstand der Mitgliedschaft bei einer NATO-Truppe oder einem zivilen Gefolge beruht, ist im Wesentlichen eine Frage tatsächlicher Art, die von der zuständigen Finanzbehörde bzw. dem FG als Tatsacheninstanz zu beantworten ist (BFH-Urteile vom 24. Februar 1988 I R 69/84, BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290; vom 24. Februar 1988 I R 70/84, juris; BFH-Beschluss vom 18. Oktober 1994 I B 27/94, BFH/NV 1995, 735).

Gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG hat die Klägerin indes keine substantiierten Rügen vorgetragen, die zur Zulassung der Revision führen könnten.

Der behauptete Verstoß gegen "sämtliche Denkgesetze" stellt auch keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar. Denn die Verletzung von Denkgesetzen ist --ebenso wie möglicherweise unzutreffende Schlussfolgerungen des FG-- dem Bereich der Anwendung des materiellen Rechts zuzuordnen und damit einer Rüge als Verfahrensmangel entzogen (BFH-Beschlüsse vom 31. Oktober 2007 IX B 34/07, BFH/NV 2008, 239, m.w.N.; vom 27. April 2007 VIII B 250/05, BFH/NV 2007, 1675).

Im Übrigen binden Schlussfolgerungen der Vorinstanz den BFH als Revisionsgericht bereits dann, wenn sie nur möglich, d.h. vertretbar, sind. Sie müssen keineswegs zwingend sein (§ 118 Abs. 2 FGO; BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1675, m.w.N.).

Ebenso hat die Klägerin selbst zutreffend erkannt, dass es sich bei der Frage, ob eine ausgesprochene Rechtsfolge durch die tatsächlichen Feststellungen gedeckt ist, allenfalls um einen materiellen Fehler handelt, der aber grundsätzlich --wie ausgeführt-- nicht zur Zulassung der Revision führt.

Allein der Umstand, dass die Klägerin den einzelnen vom FG herangezogenen und umfassend gewürdigten Indizien eine andere Bedeutung beimessen will, berechtigt auch noch nicht zu der Annahme einer auf sachfremden, willkürlichen Erwägungen des FG beruhenden Wertung mit der Rechtsfolge, dass deshalb ausnahmsweise ein zur Zulassung der Revision veranlassender sogenannter qualifizierter Rechtsanwendungsfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO vorläge.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1976323

BFH/NV 2008, 973

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