Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfordernis einer schlüssigen Darlegung des Anordnungsanspruchs zur Erlangung einer einstweiligen Anordnung

 

Leitsatz (NV)

Eine Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs als Voraussetzung einer einstweiligen Anordnung kommt in der Regel schon dann nicht in Betracht, wenn es an einer schlüssigen Darlegung der Tatsachen fehlt, die den Anspruch begründen sollen.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 3; ZPO § 920 Abs. 2; AO 1977 § 157 Abs. 1 Nr. 3, § 258

 

Tatbestand

Mit dem als Klage bezeichneten Schriftsatz vom 13. August 1984 an das Finanzgericht (FG) beantragte der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer),

- die Vollziehung des Abrechnungsbescheids - des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) - auszusetzen,

- bis zur Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung die Zwangsvollstreckung des FA gegen den Beschwerdeführer auf der Grundlage des angefochtenen Abrechnungsbescheids vorläufig einzustellen oder aufzuheben,

- hilfsweise, für den Fall, daß eine Aussetzung der Vollziehung aus Rechtsgründen nicht in Betracht komme, im Wege der einstweiligen Verfügung die Einstellung der Zwangsvollstreckung anzuordnen.

Zu diesen Anträgen führte der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 13. Februar 1985 an das FG aus, bei dem Antrag auf vorläufige Einstellung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung handele es sich um einen Antrag nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Hilfsantrag sei für den Fall gestellt, daß das FG eine Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids nicht für zulässig halte.

Zu seinem Begehren auf Einstellung der Zwangsvollstreckung hat der Beschwerdeführer in der Vorinstanz im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Mit dem Antrag in der vorgenannten Klageschrift erweitere er seine Bemühungen um Einstellung der Zwangsvollstreckung, die das FA auf der Grundlage des gegen ihn erlassenen Abrechnungsbescheids betreibe. Insoweit folge die Klage der unter dem Aktenzeichen . . . beim FG anhängigen Klage gegen den Abrechnungsbescheid und der unter dem Aktenzeichen . . . beim FG anhängigen Klage gegen den Bescheid der Oberfinanzdirektion vom 1. Juni 1984, mit dem die Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt worden sei. Das FA setze die Zwangsvollstreckung gegen ihn ungeachtet der Hinweise auf den Suspensiveffekt des Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung fort. So sei am 13. August 1984 erneut eine Pfändung vorgenommen worden, wie sich aus der beigefügten Protokollkopie ergebe. Das rechtfertige den Antrag auf vorläufige Einstellung der Vollstreckung, da sonst weitere erhebliche Nachteile für ihn - den Beschwerdeführer - bis zur Existenzvernichtung zu befürchten seien, obwohl die Steueransprüche nach seinem Sachvortrag im Hauptverfahren gegen den Abrechnungsbescheid getilgt seien.

Das FG hat dem Begehren des Beschwerdeführers einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids sowie einen Hilfsantrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Abrechnungsbescheid im Wege der einstweiligen Anordnung entnommen und die Anträge zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung über den Hilfsantrag führt das FG folgendes aus:

Der Beschwerdeführer habe zumindest einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Selbst wenn der Vortrag des Beschwerdeführers, das FA habe Zahlungen in Höhe von 80 000 DM nicht verbucht, als richtig unterstellt werde, so sei nicht ersichtlich, warum daraus wesentliche Nachteile für den Beschwerdeführer entstünden. Das FA habe durch Haftungsbescheid Forderungen in der Gesamthöhe von 600 000 DM festgestellt; darin seien 400 000 DM an Steuern enthalten. Soweit der Beschwerdeführer seine Rückstände um ,,noch im Streit befindliche Aussetzungen" gemindert sehen wolle, könne ihm nicht gefolgt werden; denn dieser Streit verhindere nicht die Vollstreckbarkeit der Beträge in Höhe von ca. 120 000 DM. Auch wegen gewährter Aussetzung der Vollziehung in Höhe von 100 000 DM könnten die Rückstände nicht entsprechend gekürzt werden; denn die Aussetzung der Vollziehung betreffe nur die Fälligkeit, mindere aber nicht die Schuld.

Der Beschwerdeführer legte mit im wesentlichen folgender Begründung Beschwerde ein:

Durch Vorlage entsprechender Unterlagen sei hinreichend glaubhaft gemacht, daß eine Fortsetzung der Vollstreckung unter Zugrundelegung des völlig falschen Anrechnungsbescheids ihm einen unersetzlichen Nachteil bringen würde. Entgegen der Berechnung des FG ergäbe sich aus seinem Vorbringen, daß selbst dann Nicht- und Falschbuchungen in Höhe von 240 000 DM verblieben, wenn die strittigen Aussetzungen in Höhe von insgesamt 120 000 DM außer Betracht blieben.

Der Beschwerdeführer beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und nach den von ihm - in der Vorinstanz - gestellten Anträgen zu erkennen.

Das FA beantragt, die Beschwerde gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung als unzulässig zu verwerfen und die Beschwerde im übrigen als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Ablehnung einer Aussetzung der Vollziehung durch das FG wendet. Insoweit liegt ein Beschluß nach § 69 Abs. 3 FGO vor, gegen den die Beschwerde nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nur gegeben wäre, wenn sie in dem Beschluß des FG zugelassen worden wäre. Das trifft jedoch nicht zu.

2. Im übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

a) Soweit die Beschwerde nicht gegen die Ablehnung einer Aussetzung der Vollziehung durch das FG gerichtet ist, betrifft sie eine Entscheidung des FG, durch die eine einstweilige Anordnung abgelehnt worden ist. Das FG hat aber im Ergebnis zutreffend entschieden, daß eine einstweilige Anordnung entsprechend dem Begehren des Beschwerdeführers nicht erlassen werden kann, weil es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs fehlt. Denn eine einstweilige Anordnung setzt voraus, daß ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung).

b) Den Ausführungen des Beschwerdeführers muß entnommen werden, daß er durch einstweilige Anordnung eine Einstellung der Zwangsvollstreckung im wesentlichen deshalb anstrebt, weil er die Frage, ob oder inwieweit die Verwirklichung von Ansprüchen des FA aus ihn betreffenden Steuerschuldverhältnissen gerechtfertigt ist, nicht für geklärt hält. Zur Begründung seines Begehrens, die Vollstreckung einzustellen, macht er demgemäß im wesentlichen geltend, daß er den Abrechnungsbescheid im Sinne des § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), der der Behebung von Streitigkeiten über die Verwirklichung von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen dienen soll, für rechtswidrig hält und daß er diesen Bescheid deshalb angefochten hat. Dem Begehren des Beschwerdeführers auf Einstellung der Zwangsvollstreckung durch einstweilige Anordnung könnte danach nur dann entsprochen werden, wenn der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung glaubhaft gemacht hätte. Das trifft aber nicht zu.

aa) Nach § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 besteht ein Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung, wenn der Anspruch auf Leistung erloschen ist. Danach könnte der Beschwerdeführer aber nur dann die Einstellung der Zwangsvollstreckung verlangen, wenn das FA gegen ihn keine Leistungsansprüche mehr hätte. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Begründung seines Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung kann das aber nicht entnommen werden. Zwar hat der Beschwerdeführer in der Vorinstanz vorgebracht, die Steuerforderungen gegen ihn seien getilgt. Der Stellungnahme des Beschwerdeführers zur Darlegung der Ansprüche des FA in dem angefochtenen Beschluß muß aber entnommen werden, daß der Beschwerdeführer diese Behauptung nicht mehr aufrechterhält. Gegen die Feststellung des FG, daß Forderungen des FA in der Gesamthöhe von 600 000 DM bestünden, macht der Beschwerdeführer nur geltend, daß auch bei der Berechnung des FG Nicht- und Falschbuchungen in Höhe von 240 000 DM verblieben. Den Ausführungen des Beschwerdeführers ist folglich eine schlüssige Darlegung, daß das FA keine Forderungen mehr gegen ihn habe, nicht zu entnehmen, so daß schon deshalb eine Glaubhaftmachung der Tatsache, die Leistungsansprüche des FA seien erloschen, nicht in Betracht kommt.

bb) Die Ausführungen des Beschwerdeführers deuten allerdings darauf hin, daß er der Auffassung ist, es sei unbillig, wegen der geltend gemachten Steuerforderungen gegen ihn zu vollstrecken, solange über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids eine endgültige Entscheidung noch nicht ergangen sei. Das spricht dafür, daß er eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aufgrund des § 258 AO 1977 anstrebt.

Auch wenn der Senat davon ausgeht, daß er aufgrund dieser Vorschrift zur einstweiligen Einstellung der Vollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung befugt ist, kann dem Begehren des Beschwerdeführers nicht entsprochen werden, weil dieser nicht glaubhaft gemacht hat, daß die Vollstreckung unbillig sei. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob die Vollstreckung wegen Forderungen aus Steuerschuldverhältnissen schon deshalb unbillig sein kann, weil Streit über die Verwirklichung der Forderungen im Sinne des § 218 Abs. 2 AO 1977 besteht. Denn im Streitfall hat der Beschwerdeführer, wie dargelegt, nicht glaubhaft gemacht, es bestünden keine Forderungen des FA mehr, die verwirklicht werden dürften. Aufgrund der aufgezeigten Ausführungen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren zu der vom FG angegebenen Höhe der Forderungen des FA fehlt es an einem entsprechenden schlüssigen Vortrag.

Der Beschwerdeführer hat zwar auch vorgebracht, seine Existenz werde durch weitere Vollstreckungsmaßnahmen des FA gefährdet. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs reicht das aber schon deshalb nicht aus, weil das Vorbringen des Beschwerdeführers insoweit keine konkreten Angaben enthält.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414366

BFH/NV 1986, 477

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