Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufnahme eines ruhenden Klageverfahrens von Amts wegen, wenn die Gründe für das Ruhen des Verfahrens entfallen sind

 

Leitsatz (NV)

Hat das FG auf Antrag oder mit Zustimmung der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs über ein bei ihm anhängiges Musterverfahren, kann es das Klageverfahren von Amts wegen aufnehmen, wenn der Bundesfinanzhof über das Musterverfahren entschieden hat und keine wichtigen Gründe (mehr) vorliegen, die ein weiteres Ruhen des Verfahrens als zweckmäßig erscheinen lassen.

 

Normenkette

FGO § 155; ZPO § 251

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erbte am 20. März 1989 von seiner Mutter ein Einfamilienhaus. Im Zeitraum 21. März bis 20. Juni 1989 ließen die Kläger das Haus instandsetzen. Seit 21. Juni 1989 nutzen sie das Haus zu eigenen Wohnzwecken.

In der Einkommensteuererklärung 1989 machten sie die Instandsetzungskosten in Höhe von 32408 DM als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Aufwendungen nicht. Er führte zur Begründung aus, vor Bezug entstandene Aufwendungen seien nur dann nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar, wenn sie unmittelbar mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung oder des dazugehörenden Grund und Bodens zusammenhingen. Unter Anschaffung sei nur der entgeltliche Erwerb zu verstehen. Der Kläger habe das Grundstück jedoch unentgeltlich durch Erbfall erworben.

Gegen die den Einspruch ablehnende Einspruchsentscheidung erhoben die Kläger Klage. Dem Vorschlag des Finanzgerichts (FG), das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die bei ihm wegen derselben Rechtsfrage anhängigen Verfahren ruhen zu lassen, stimmten die Kläger und das FA zu. Das FG ordnete daraufhin durch Beschluß vom 14. Januar 1992 das Ruhen des Verfahrens gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) an.

Mit Schreiben vom 30. Juni 1993 teilte das FG den Beteiligten mit, der BFH habe durch Urteil vom 11. März 1992 X R 113/89 (BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886) eine die Rechtsauffassung der Kläger stützende Entscheidung getroffen. Da die Finanzverwaltung dieses Urteil aber über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet habe (Schreiben vom 21. September 1992, BStBl I 1992, 584), sei das Verfahren zum damaligen Zeitpunkt nicht aufgenommen worden. Durch Urteil vom 13. Januar 1993 X R 53/91 (BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346) habe sich der BFH nunmehr der Auffassung der Finanzverwaltung angeschlossen. Es werde gebeten, die Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH zu prüfen. Die Beteiligten äußerten sich zu diesem Schreiben nicht.

Durch Beschluß vom 24. Juni 1993 nahm das FG das Verfahren wieder auf. Es führte aus, die Ruhensgründe seien mit dem Ergehen der Entscheidung des BFH (BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346) entfallen.

Mit der Beschwerde beantragt der Prozeßbevollmächtigte der Kläger das weitere Ruhen des Verfahrens, bis eine BFH-Auffassung oder eine andere Lösung, die für meine Mandanten zu einem günstigen Entscheid führt, bekannt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Auf Antrag oder mit Zustimmung der Beteiligten kann das FG gemäß § 155 FGO i.V.m. § 251 Abs. 1 ZPO das Ruhen des Verfahrens anordnen, wenn die Anordnung aus wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Beim BFH anhängige Musterverfahren können ein wichtiger Grund in diesem Sinne sein. Liegen infolge der Entscheidung über die Musterverfahren keine wichtigen Gründe (mehr) vor, die ein weiteres Ruhen zweckmäßig erscheinen lassen, kann das FG das Verfahren von Amts wegen aufnehmen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Rz. 5).

Der BFH hat durch Urteil in BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346 entschieden, daß der Erwerb einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge keine Anschaffung i.S. von § 10e Abs. 6 EStG ist. Ein Grund, das Verfahren weiterhin ruhen zu lassen, besteht somit nicht mehr. Das FG hat daher zu Recht das Verfahren aufgenommen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419542

BFH/NV 1994, 389

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