Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur zulassungsfreien Revision wegen mangelnder Vertretung i.S. v. § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO

 

Leitsatz (NV)

Zu den Fällen fehlender ordnungsgemäßer Vertretung i.S. v. § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO kann grundsätzlich zwar auch das Fehlen der Bevollmächtigung des aufgetretenen gewillkürten Vertreters zählen. Ohne Bevollmächtigung in diesem Sinne handelt aber nicht der zur Prozeßführung Bevollmächtigte, der es lediglich versäumt, die schriftliche Vollmacht gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO vorzulegen.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Mit Schriftsatz vom 17. Juli 1987 erhob Rechtsanwalt A namens und im Auftrag des Kläger und Revisionsklägers (Kläger) und dessen Ehefrau in Sachen Einkommensteuer 1985 Klage. Dieser legte dem Gericht am 31. Juli 1987 die Fotokopie einer auf die Rechtsanwälte B und A ausgestellten Vollmacht der Kläger vor. Mit Schriftsatz vom 22.Dezember 1989 teilten die Rechtsanwälte X und Y dem Finanzgericht (FG) mit, daß sie die Kanzlei des Kollegen Rechtsanwalt A ,,übernommen" hätten und nunmehr die Streitsache bearbeiten würden. Eine schriftliche Prozeßvollmacht legten sie dem FG in diesem Zusammenhang nicht vor.

Am 19. Juni 1991 fand vor dem FG eine mündliche Verhandlung statt. Der Kläger und die Rechtsanwälte X und Y wurden dabei durch den ohne (Unter-)Vollmacht auftretenden Rechtsanwalt Z vertreten. Ausweislich des Sitzungsprotokolls versprach dieser, die Vollmacht auf ihn nachzureichen.

Während der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1985 hinsichtlich des Grundfreibetrages und der Kinderfreibeträge für vorläufig. Der Kläger hat diesen geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Das FG hat die Klage mangels rechtzeitiger Vorlage der Prozeßvollmacht als unzulässig abgewiesen. Die Kosten legte es den als Prozeßbevollmächtigten aufgetretenen Rechtsanwälten X und Y auf.

Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus: Da das Urteil im Streitfall zuzustellen war, hätte der Mangel der Vollmacht im Hinblick auf § 104 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung behoben werden können. Dies sei nicht geschehen.

Das FG hat das Urteil dem Kläger und seiner Ehefrau am 12. Juli 1991 zugestellt. Am 15. Juli 1991 erfolgte außerdem eine Zustellung an die Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwälte X und Y.

Gegen dieses Urteil legten die Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwälte X und Y, mit Schriftsatz vom 13. August 1991, der beim FG am 15. August 1991 einging, Revision ein. Gleichzeitig reichten sie jeweils eine auf sie am 24. Juni 1991 ausgestellte Prozeßvollmacht des Klägers und dessen Ehefrau sowie die Fotokopie einer auf Rechtsanwalt Z am 21. Juni 1991 ausgestellten Untervollmacht ein.

Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers rügen einen wesentlichen Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 FGO. Das FG habe zu Unrecht einen Verstoß gegen § 62 FGO angenommen. Es habe, nachdem sie, die Prozeßbevollmächtigten, die Streitsache vom früheren durch Vollmacht legitimierten Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt A, übernommen haben, niemals eine schriftliche Prozeßvollmacht angefordert; dies, obwohl über eineinhalb Jahre bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung im Juni 1991 Schriftverkehr in der Streitsache geführt worden sei. Sie hätten deshalb davon ausgehen können, daß das FG die Vorlage einer schriftlichen Prozeßvollmacht nicht für erforderlich halte. Im Termin am 19. Juni 1991 hätte eine schriftliche Vollmacht des Klägers schon deshalb nicht vorgelegt werden können, weil sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt in stationärer Behandlung im Krankenhaus befunden habe, was auch dem FG bekannt gewesen sei. Die schriftliche Vollmacht habe auch nicht ohne weiteres nachgereicht werden können, weil der Krankenhausaufenthalt des Klägers bis 26.Juni 1991 angedauert habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Gemäß Art.1 Nr.5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO gegeben ist. Die zulassungsfreie Verfahrensrevision ist nur statthaft, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird. Ein Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt -einen Mangel i.S. von § 116 Abs. 1 FGO ergeben. Die zur Begründung des Mangels erforderlichen Tatsachen müssen lückenlos vorgetragen werden (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Januar 1990 IX R 6/89, BFH/NV 1990, 664). Im Streitfall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt.

Die Revision ist weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden.

Der Senat kann offenlassen, ob die Revision auch wegen Versäumung der Revisionsfrist unzulässig ist. Denn die Revision ist jedenfalls nicht nach § 116 Abs. 1 FGO statthaft.

Der Kläger hat jedenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO, der im Streitfall allein einschlägig sein könnte, nicht schlüssig gerügt (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Juni 1989 V R 112/88, V B 72/89, BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850).

Zu den Fällen fehlender ordnungsgemäßer Vertretung i.S. von § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO kann grundsätzlich zwar auch das Fehlen der Bevollmächtigung des aufgetretenen gewillkürten Vertreters zählen. Ohne Bevollmächtigung in diesem Sinne handelt aber nicht der zur Prozeßführung Bevollmächtigte, der es lediglich versäumt, die schriftliche Vollmacht gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO vorzulegen (vgl. BFH-Beschluß vom 16.September 1991 IX R 43/91, BFH/NV 1992, 187).

Im Streitfall trägt Rechtsanwalt Y selbst vor, daß er mit Zustimmung des Klägers den Prozeß weitergeführt habe, nachdem er die Mandate des Kollegen, Rechtsanwalt A, übernommen hatte. Er geht mithin von einer vorhandenen, nicht einer fehlenden Bevollmächtigung aus. Dies ergibt sich auch aus der Vorlage der schriftlichen Vollmacht des Klägers während des Revisionsverfahrens. Diese Vollmacht wurde vom Kläger am 24. Juni 1991 vor Zustellung des FG-Urteils an den Prozeßbevollmächtigten ausgestellt (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juli 1990 VIII R 1/90, BFH/NV 1991, 254). Schließlich begründet auch der Hinweis des Klägers, das FG hätte zur Vorlage der Vollmacht ausdrücklich eine Frist setzen und auf die Folgen des fruchtlosen Fristablaufs hinweisen müssen, nicht die Rüge fehlender Vertretung im Verfahren gemäß § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO. Das FG hat insoweit keine Vorschriften über die Vertretung verletzt, weil der vollmachtlose Vertreter keinen Anspruch auf eine Fristsetzung nach § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO hat und eine Fristsetzung nicht zwingend Voraussetzung für den Erlaß des Urteils ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1984 II R 188/82, BFHE 142, 3, BStBl II 1984, 831; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 62 FGO Tz.11b).

 

Fundstellen

Haufe-Index 423148

BFH/NV 1993, 114

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