Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachaufklärung bei Abrechnungsbescheid; Divergenz

 

Leitsatz (NV)

  1. Die schlüssige Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen im Abrechnungsbescheid nicht berücksichtigter Zahlungen erfordert u.a., dass der Kläger darlegt, welche Zahlungen er auf die im Abrechnungsbescheid erfassten Abgabenansprüche geleistet und wann und wodurch (Angabe des Schriftsatzes) er das FG auf solche Zahlungen hingewiesen, bzw. welche (genau anzugebenden) Unterlagen und Belege das FG zu Unrecht nicht berücksichtigt hat und zu welchem konkreten Thema er nicht gehört worden ist.
  2. Den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz ist nicht genügt, wenn der Kläger lediglich geltend macht, das FG habe einen vom BFH aufgestellten Rechtssatz in seiner Entscheidung nicht beachtet, ohne einen abweichenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des FG zu benennen.
 

Normenkette

AO 1977 § 218 Abs. 2, § 226 Abs. 3; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3

 

Tatbestand

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Zulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), mit dem seine Klage gegen einen Abrechnungsbescheid abgewiesen worden ist, weil das FG die Aufrechnung des Klägers mit einem nicht rechtskräftig festgesetzten und vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) bestrittenen Rückforderungsanspruch gegen wirksam und bestandskräftig festgesetzte Steuer- und Haftungsschulden nebst Nebenabgaben hierzu nicht anerkannt hat.

Der Kläger stützt die Nichtzulassungsbeschwerde auf den Verfahrensverstoß mangelnder Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und macht eine Divergenz zu der Senatsentscheidung vom 10. Juli 1979 VII R 114/75 (BFHE 128, 160, BStBl II 1979, 690) geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger weder den Verfahrensfehler noch die Divergenz in der erforderlichen Weise bezeichnet hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Für die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) bedarf es der Darlegung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen, der im Verfahren vor dem FG angebotenen Beweismittel und der dazu angegebenen Beweisthemen, der genauen Fundstellen, an denen die Beweismittel und die Beweisthemen angeführt worden sind, oder ―falls solche Beweisanträge nicht gestellt worden sind― der Ausführung, welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen und dass diese aus der Sicht des FG entscheidungserheblich gewesen wären (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―, vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 1998 VII B 229/97, BFH/NV 1998, 984, und vom 29. Oktober 1997 II B 117/96, BFH/NV 1998, 597; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 65, § 120 Rz. 40 f.). Die Rüge des Klägers beschränkt sich indessen darauf mitzuteilen, das FG habe Ratenzahlungen im Rahmen des erteilten Abrechnungsbescheides nicht berücksichtigt, ohne darzulegen, wann und wodurch (z.B. mit welchem Schriftsatz) er das FG auf die Ratenzahlungen hingewiesen hat, ob sie auf die im Abrechnungsbescheid erfassten Steuer- und Haftungsansprüche oder ggf. auf andere steuerliche Ansprüche des FA geleistet worden sind und ob die entsprechenden Ratenzahlungen vor dem FG durch Belege oder sonstige Unterlagen nachgewiesen worden sind oder aus welchem Grunde dies ggf. nicht möglich gewesen sein sollte. Gleiches gilt für den angeblich im Rahmen der Lohnpfändung vom damaligen Arbeitgeber für den Kläger an die Finanzkasse im Oktober 1997 bezahlten Betrag. Hierzu fehlt die Angabe, dass und in welcher Weise der Kläger das FG von diesem Zahlungsvorgang in Kenntnis gesetzt und nachgewiesen hat, dass diese Zahlung auf die im Abrechnungsbescheid noch erfassten Steueransprüche und nicht auf andere, hier unerhebliche Zahlungsansprüche des FA geleistet worden sind. Die Rüge, das Gericht habe seine nach § 76 FGO bestehende Verpflichtung zur Sachaufklärung verletzt, weil es nicht berücksichtigt habe, dass die erfolgte Lohnpfändung im Abrechnungsbescheid nicht enthalten gewesen sei, ist auch deshalb nicht in zulässiger Weise erhoben, weil der Kläger nicht vorgetragen hat, dass sein Prozessbevollmächtigter im finanzgerichtlichen Verfahren die Aufklärung dieses Sachverhalts beantragt bzw. warum er die bereits im Oktober 1997 erfolgte Zahlung auf die Steuer- oder Haftungsschulden mit dem Stand vom 16. Juli 1998 nicht von sich aus spätestens in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren gegen den Abrechnungsbescheid eingebracht und dargelegt hat, aus welchem Grunde die lange Zeit vor Erlass des Abrechnungsbescheides erfolgte Zahlung auf den im Bescheid erfassten Schuldbetrag noch Auswirkungen gehabt haben soll (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 9. Februar 1998 VIII B 20/97, BFH/NV 1998, 988, 990, m.w.N.).

Sofern der Kläger mit dem Vortrag, das Gericht habe über die Steuerschuld keinerlei Feststellungen getroffen und eine Erörterung hierüber habe nicht stattgefunden, neben der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) beanstanden will, geht die Rüge schon deshalb fehl, weil der Kläger nicht einmal genau angibt, zu welchem konkreten Sachverhalt eine weitere Aufklärung notwendig gewesen wäre bzw. er hätte gehört werden wollen und warum sein Prozessbevollmächtigter nicht von sich aus das Thema, ob und inwieweit Steuerschulden im Zeitpunkt der letzten Entscheidung des FA über den Abrechnungsbescheid noch bestanden haben, in der mündlichen Verhandlung aufgegriffen hat. Denn das rechtliche Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden soll. Inwieweit diese Gelegenheit wahrgenommen wird, ist Sache der Beteiligten (BFH-Beschluss vom 1. Juli 1998 IV B 152/97, BFH/NV 1998, 1511). Im Streitfall hatte der Kläger ausreichend Gelegenheit, sich zu der Streitsache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern, insbesondere hätte er spätestens in der mündlichen Verhandlung das Gericht auf die geleisteten Zahlungen und deren Einfluss auf die noch geschuldeten Steuerbeträge aufmerksam machen können.

2. Eine schlüssige Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz aus der Vorentscheidung benennt, der mit einem ebenfalls abstrakten Rechtssatz aus der als Divergenzentscheidung des BFH bezeichneten Entscheidung nicht übereinstimmt (so BFH-Beschlüsse vom 11. August 1993 II B 37/93, BFH/NV 1994, 251, und vom 17. Juni 1998 II B 99/97, BFH/NV 1998, 1507, 1508, m.w.N.). Diesen Anforderungen ist nicht genügt, wenn der Beschwerdeführer wie hier lediglich allgemein darlegt, das FG habe den vom BFH in der Entscheidung in BFHE 128, 160, BStBl II 1979, 690 aufgestellten Rechtssatz, dass es nicht genüge, wenn das FA aus formalen oder sachlich nicht beachtenswerten Gründen die Aufrechnung ablehne, wenn es die Berechtigung eines Erstattungsanspruches selbst feststellen könne, nicht beachtet. Hierzu trägt der Kläger vor, das FG habe, ohne sich materiell-rechtlich mit dem vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch auseinander zu setzen, das unsubstantiierte Bestreiten des FA mit Hinweis auf § 226 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) genügen lassen, um die Aufrechnung als unwirksam zu betrachten. Mit diesem Einwand hebt der Kläger nicht zwei abstrakte, voneinander abweichende Rechtssätze der zu vergleichenden Entscheidungen hervor, sondern macht die materiell-rechtlich fehlerhafte Anwendung der BFH-Rechtsprechung durch das FG geltend. Einwände gegen die Richtigkeit des angegriffenen FG-Urteils sind jedoch im Verfahren über die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 30. Juni 1998 X B 10, 11/98, BFH/NV 1998, 1509).

Unbehelflich ist auch das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 55).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI510069

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