Leitsatz (amtlich)

1. Begehrt der Kläger eine Terminverlegung wegen eines kollidierenden Termins in einer anderen Sache, so begründet das Verlangen des Vorsitzenden nach Vorlage der Ladung zu dem anderen Termin nicht die Besorgnis der Befangenheit.

2. Die Erwägung der über das den Vorsitzenden betreffende Ablehnungsgesuch entscheidenden Richter, das Gesuch könne gestellt worden sein, um eine weitere Verfahrensverzögerung zu erreichen, bietet allein keinen Anhaltspunkt für eine voreingenommene Einstellung gegenüber dem Kläger.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1, § 73 Abs. 1 S. 1; ZPO § 42 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

I. Mit Verfügung vom 4. November 1997 wurde der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) in dem Rechtsstreit wegen Festsetzung von Zwangsgeld wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuer- und Feststellungserklärungen 1993 zur auf den 25. November 1997 terminierten mündlichen Verhandlung vor dem Senat des Finanzgerichts (FG) geladen.

Mit Schriftsatz vom 6. November 1997 beantragte der Kläger die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung. Den Antrag hatte er mit beruflichen, familiären und gesundheitlichen Problemen sowie damit begründet, daß er am 25. November 1997 einen anderweitigen Termin vor dem Landesarbeitsgericht in A wahrzunehmen habe. Auf Anordnung des Berichtserstatters wurde der Kläger um Vorlage der Ladung zur kollidierenden Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gebeten. Der Kläger wies diese Auflage als unzulässig zurück, da wegen des Datenschutzes ein Anspruch auf Vorlage der Ladung nicht bestehe. Statt dessen versicherte eine Angestellte des Klägers die Richtigkeit der Ladung. Unter Hinweis und Übersendung von Fotokopien der hierzu ergangenen Rechtsprechung forderte nunmehr der Vorsitzende des Senats den Kläger auf, die Ladung – unter Unkenntlichmachung der Verfahrensbeteiligten – vorzulegen.

Daraufhin lehnte der Kläger den Senatsvorsitzenden wegen Befangenheit ab. Der Befangenheitsantrag wurde am 18. November 1997 vom Senat in dessen geschäftsplanmäßiger Besetzung abgewiesen, da er rechtsmißbräuchlich gestellt worden sei. Der Senat sei der Überzeugung, der Kläger habe den Befangenheitsantrag nur deshalb gestellt, um eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu erreichen. Diesem Antrag seien unüblich viele Fristverlängerungsanträge vorausgegangen, die immer wieder mit den gleichen Umständen begründet worden seien.

Gegen den Beschluß vom 18. November 1997 erhob der Kläger Beschwerde mit der er ausführte, es handele sich um einen Willkürentscheid dem der gesetzliche Richter ermangele. Er sei in krasser Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Denklogik ergangen. An dem Wahrheitsgehalt der eidesstattlichen Erklärung bezüglich der Terminkollision zu zweifeln und eine unkenntlich gemachte Kopie unter Verletzung des Datenschutzes höher zu bewerten, als eine konkrete schriftliche Zeugenaussage dazu, zeuge von kognitiver befangenheitsindizierter Entgleisung und Denkblockade, so daß die Befürchtung berechtigt sei, daß der Sachbearbeiter unabänderlich in seinem Meinungsgehalt festgeprägt und Gegengründen nicht mehr aufgeschlossen sei. Zwiespältig sei auch der Verzögerungsvorwurf.

Im gleichen Schreiben lehnte der Kläger die drei beschlußunterzeichnenden Richter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er führte dazu aus, der Beschluß verletze den Grundsatz des gesetzlichen Richters und das rechtliche Gehör, er sei diskreditierend und enthalte böswillige Unterstellungen und unhaltbare Ausführungen.

Dieser Befangenheitsantrag gegen die an dem Beschluß mitwirkenden Senatsmitglieder wurde vom Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung – also durch die drei als befangen abgelehnten Richter – mit Beschluß vom 25. November 1997 ebenfalls als unzulässig abgewiesen. Auch dieser Antrag sei mißbräuchlich gestellt. Der Kläger habe nicht behauptet, daß die im Beschluß vom 18. November 1997 dargestellten Tatsachen unrichtig wären, meine jedoch, der Senat hätte aus diesem Sachverhalt die falschen Schlüsse gezogen. Auf eine für den Beteiligten ungünstige Entscheidung könne dieser seinen Befangenheitsantrag jedoch nicht stützen. Der Kläger habe keine Umstände vorgetragen, die seine Behauptung stützen könnten, die abgelehnten Richter hätten aus böswilliger Gesinnung heraus oder unter Verletzung des rechtlichen Gehörs gehandelt.

Aufgrund dieses Beschlusses hat der Kläger ein erneutes Befangenheitsgesuch beim FG angebracht und gleichzeitig Beschwerde eingelegt. Die Beschlußfassung sei erkennbar willkürlich und gegen jede Denklogik. Es würden Unterstellungen von Verschleppung indiziert, „die eindeutig die perspektivische Verleugnung in Synapsenblockade der beteiligten Richter im Sinne der Besorgnis der Befangenheit begründeten”. Dennoch werde dieses Merkmal unter Verletzung des rechtlichen Gehörs unter den Tisch gefegt. Die Richter verweigerten den tatsächlichen und rechtlichen Dialog und unterstellten statt dessen Verschleppungsabsicht ins Blaue hinein. Dem Senat sei bekannt, daß durch die Eingriffe durch „Qualmerei” gesundheitsschädliche Einschränkungen permanent vorhanden seien, Tod und Krankheit sowie Unfälle im Raume standen, die eindeutig analog § 227 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu würdigen gewesen seien. Der Senat habe lediglich unter dem Druck des Befangenheitsgesuches den Termin vom 25. November aufgehoben, sei aber weiterhin uneinsichtig, so daß Mißtrauen angebracht sei. Das Drängen des FG sei erkennbar mißbräuchlich, weil es mit dem zuständigen Finanzamt Gespräche um eine inhaltlich sachliche Klärung gebe.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Der Senat verbindet die Beschwerden gegen die Beschlüsse des FG vom 18. November 1997 und vom 25. November 1997 15 K 5275/96 U, F zu gemeinsamer Entscheidung (§ 73 Abs. 1 Satz 1, §§ 121, 132 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Dies ist zweckmäßig, weil ihnen im wesentlichen der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt.

2. Die Beschwerden sind unbegründet. Das FG hat die Ablehnungsanträge rechtsfehlerfrei als mißbräuchlich zurückgewiesen.

a) Die Beschwerde gegen den Beschluß vom 18. November 1997 hat keinen Erfolg. Das Ablehnungsgesuch des Klägers, mit dem er den Vorsitzenden Richter abgelehnt hat, war unzulässig, weil er darin keinen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Grund schlüssig dargelegt hat (Beschluß des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 14. März 1994 X B 50/93, BFH/NV 1995, 122). Gründe, die geeignet wären, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO) oder einen Anlaß, aufgrund dessen zu befürchten gewesen wäre, der Vorsitzende Richter werde im weiteren Prozeßverlauf nicht unvoreingenommen entscheiden, hat der Kläger nicht vorgetragen (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, m.w.N.).

Die Besorgnis der Befangenheit ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht gerechtfertigt, wenn ein Richter von der ihm nach der Verfahrensordnung zustehenden Befugnis in einem, dem Gesetzeszweck entsprechenden Maße Gebrauch macht (BFH-Beschluß vom 23. Juli 1996 VIII B 22/96, BFH/NV 1997, 126). Nichts anderes hat der Vorsitzende Richter mit der Aufforderung an den Kläger, die Ladung zum kollidierenden Termin vom 25. November 1997 – anonymisiert – vorzulegen, getan. Denn nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO kann ein Termin zur mündlichen Verhandlung nur aus erheblichen Gründen verlegt werden. Diese Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 3 ZPO). Als geeignetes Mittel zur Glaubhaftmachung des kollidierenden anderweitigen Verhandlungstermins sieht die Rechtsprechung die Übersendung einer Kopie der Ladung zu dem anderen Termin an (BFH-Beschluß vom 9. Dezember 1992 IV B 154/92, BFH/NV 1993, 483, und Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 20. November 1995 3 K 2745/91, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1996, 328). Dieser Rechtslage hat der Wunsch des Vorsitzenden nach Vorlage der Ladung entsprochen. Mithin bestand auch kein Anlaß, in dem Verhalten des Vorsitzenden Richters einen Grund für dessen Befangenheit zu sehen.

b) Die Beschwerde gegen den Beschluß vom 25. November 1997 ist schon deshalb unbegründet, weil der Ablehnungsantrag pauschal gegen sämtliche an dem Beschluß geschäftsplanmäßig mitwirkenden Richter des Senats gerichtet worden ist. Dies verstößt gegen den Grundsatz der Individualablehnung. Denn die Besorgnis der Befangenheit kann nicht mit allgemeinen Erwägungen bezüglich einer ganzen Gruppe von Richtern, sondern jeweils nur hinsichtlich eines (oder mehrerer) individuell bestimmter Richter aus deren individuellen Besonderheiten, die darzulegen sind, hergeleitet werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Juli 1967 III B 37/67, BFHE 90, 160, BStBl II 1968, 12; vom 17. April 1996 I B 134/95, BFH/NV 1996, 826, und vom 29. April 1996 V B 121-124/95, BFH/NV 1997, 33). Im Streitfall gilt dies insbesondere, weil der Kläger den gesamten Senat bereits mehrfach abgelehnt hat, ohne zu spezifizieren, aus welchen Gründen er von der Befangenheit der einzelnen Senatsmitglieder ausgeht (vgl. den bereits gegen den Kläger im gleichen Verfahren – Antrag auf Aussetzung der Vollziehung – ergangenen Senatsbeschluß vom 5. August 1997 VII B 145/97, BFH/NV 1998, 326). Die nunmehr vorgetragene allgemeine Feststellung, die drei abgelehnten Richter würden Fehler in ihrer eigenen Sphäre nicht zugeben wollen und statt dessen in „autoritätsbezogener kollektiver Trotzigkeit” auf ihrem Standpunkt beharren, ist nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Vielmehr drängt sich aus dem Verfahrensablauf die Vermutung auf, daß der Kläger jede ihm nicht genehme Entscheidung des Senats zum Anlaß nimmt, die daran beteiligten Richter wegen Befangenheit abzulehnen. Zu Recht hat das FG im Beschluß vom 25. November 1997 darauf hingewiesen, daß das Ablehnungsrecht nicht dem Zweck diene, den Beteiligten vor einer für ihn möglicherweise ungünstigen Rechtsauffassung des Richters zu schützen oder sich gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen des Richters über materielles oder formelles Recht zur Wehr zu setzen (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Juni 1994 VII B 34/94, BFH/NV 1995, 131, und BFH-Beschluß vom 20. Juli 1994 I B 140/93, BFH/NV 1995, 400).

Auch die Erwägung der beschlußfassenden Richter, das Ablehnungsgesuch könne gestellt worden sein, um eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu erreichen, begründet nicht den Vorwurf der Befangenheit. Selbst wenn die Annahme unzutreffend wäre und der Kläger sie angesichts des tatsächlich anberaumten anderweitigen Termins als kränkend empfunden haben könnte, müßte einerseits hinzukommen, daß der von den nunmehr abgelehnten Richtern gezogene Schluß auf unsachlichen Erwägungen oder einer unsachlichen Einstellung gegenüber dem Kläger beruht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112, und vom 24. November 1994 X B 146-149/94, BFH/NV 1995, 692) und andererseits, daß der Kläger zu diesen Erwägungen keinen Anlaß gegeben hat. Anhaltspunkte für sachfremde Erwägungen oder eine voreingenommene Einstellung gegenüber dem Kläger sind nicht ersichtlich. Hier muß sich der Kläger entgegenhalten lassen, daß sich die im Beschluß vom 18. November 1997 geäußerte Annahme, er sei an einer zügigen Prozeßabwicklung nicht interessiert, angesichts der ständigen Fristverlängerungs- und vielfachen Befangenheitsanträge aufdrängen konnte. Allein daraus läßt sich jedoch – mangels weiterer die Befangenheit indizierender Umstände – die Besorgnis der Voreingenommenheit der drei abgelehnten Richter nicht herleiten (vgl. auch BFH/NV 1995, 692, 694).

3. Das FG hat zutreffend die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter und gegen sämtliche beschlußfassenden Mitglieder des Senats als unzulässig verworfen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH stellt die pauschale Ablehnung eines Spruchkörpers ohne Angabe von Befangenheitsgründen in der Person der einzelnen Richter einen Mißbrauch des Ablehnungsrechts dar. In diesem Fall kann das Gericht ohne vorherige Abgabe einer dienstlichen Äußerung und unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über das unzulässige Befangenheitsgesuch entscheiden (vgl. BFH/NV 1997, 126, 127, und BFH/NV 1998, 328). Gleiches gilt, wenn ein Ablehnungsgesuch mangels ausreichender Darlegung von Befangenheitsgründen offensichtlich unzulässig ist (BFH/NV 1995, 122).

 

Fundstellen

Haufe-Index 557466

BFH/NV 1998, 1495

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