Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei behaupteter Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes

 

Leitsatz (NV)

Bei behaupteter Verfassungswidrigkeit einer Norm liegt eine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nur vor, wenn das angefochtene Urteil des FG auf dieser Norm beruht und im Fall der Verfassungswidrigkeit eine für den Beschwerdeführer günstigere Entscheidung zu treffen wäre. Eine schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert daher insbesondere Ausführungen dazu, daß eine normverwerfende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes oder nur zu einer Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle führen wird.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3

 

Gründe

Auf die Darstellung des Tatbestands wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in einer den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechenden Weise dargelegt. Dazu hätte er ausführen müssen, daß nach seiner Auffassung die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Der Kläger hat aber weder ausgeführt, ob und in welchem Umfang die von ihm angesprochene Rechtsfrage umstritten ist (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 153), noch hat er das allgemeine Interesse an der Klärung dieser Frage über den entschiedenen Einzelfall hinaus dargelegt.

b) Wenn der Kläger selbst ausgeführt hat, daß der BFH zu der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage "bereits in früheren Entscheidungen Stellung genommen habe", so hätte er auch darlegen müssen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH zu der aufgeworfenen Frage der Einordnung seiner Tätigkeit als DV-Kaufmann als freiberufliche Betätigung gleichwohl im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich erscheint (Beschlüsse des BFH vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 23. Januar 1995 X B 155/94, BFH/NV 1995, 708).

2. Auch die Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm macht es nicht entbehrlich, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 1987 V B 77/87, BFH/NV 1989, 27; vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842; in BFH/NV 1993, 312; vom 1. September 1995 VIII B 12/95, BFH/NV 1996, 228).

a) Der Kläger hat sich in seiner Beschwerdeschrift auf den Hinweis beschränkt, das Niedersächsische Finanzgericht (FG) habe in seinem Vorlagebeschluß die Gewerbeertragsteuer für verfassungswidrig gehalten. Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Sache jedoch allein noch nicht dargetan. Dabei kann dahinstehen, ob die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes bereits die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage indiziert. Eine grundsätzliche Bedeutung i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO liegt auch dann nur vor, wenn das angefochtene FG- Urteil auf der betreffenden Norm beruht und im Fall der Verfassungswidrigkeit eine für den Beschwerdeführer günstigere Entscheidung zu treffen wäre. Zumindest dies muß mit der Beschwerde schlüssig dargelegt werden, denn insoweit wird es regelmäßig an einer Offenkundigkeit fehlen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist nämlich nicht ohne weiteres davon auszugehen, daß normverwerfende Entscheidungen dieses Gerichts zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes oder nur zu einer Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle führen (s. etwa Beschlüsse des Zweiten Senats des BVerfG vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413 "Existenzminimum"; vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 148 "Vermögensteuer", und vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 178 f. "Erbschaftsteuer" sowie Beschluß des Ersten Senats vom 12. März 1996 1 BvR 609, 692/90, BVerfGE 94, 241, 265 "Bewertung von Kindererziehungszeiten"). Eine solche Möglichkeit hat der BFH im besonderen für die Gewerbeertragsteuer verneint und deshalb in seinem Urteil vom 11. November 1997 VIII R 49/95 (BFHE 185, 46, BStBl II 1998, 272) ausgeführt, eine rückwirkende Nichtigkeitserklärung des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) würde zu einem derart schwerwiegenden Eingriff in das Wirtschaftsgefüge führen, daß sich der danach ergebende Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung ferner als der bestehende stünde. Dies gilt selbst für den Fall, daß das GewStG gegen den Gleichheitssatz verstoßen sollte. Es sei deshalb nicht mit einer Nichtigkeits-, sondern allenfalls mit einer Unvereinbarkeitserklärung und einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers für die Zukunft zu rechnen.

b) Die Beschwerdeschrift des Klägers enthält keine derartigen Darlegungen zu einer möglichen Begünstigung durch die erwartete Entscheidung des BVerfG. Nach der angeführten Rechtsprechung des BVerfG ist dies auch nicht als offenkundig anzunehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 154394

BFH/NV 1999, 657

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