Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Beschwerde gegen den gerichtlichen Aussetzungsbeschluß nach Erledigung der Hauptsache

 

Leitsatz (NV)

Die Beschwerde des FA gegen einen Beschluß des FG, durch den dieses die Vollziehung des angefochtenen Bescheides ,,bis einen Monat nach Zustellung der die Instanz abschließenden Entscheidung in der Hauptsache" ausgesetzt hat, wird wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig, wenn das FA nach Ablauf dieses Zeitraums nicht die Erledigung der Hauptsache erklärt.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3, § 138

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) hat in X auf eigenen Grundstücken Parkhäuser errichtet und mit einer Reihe von Bauherren, die zur Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge verpflichtet waren, Verträge betreffend die Übernahme dieser Verpflichtungen geschlossen. Als Entgelt gewährten ihm diese Bauherren niedrig verzinsliche Darlehen mit langer Laufzeit. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Darlehensverträge nicht als solche an. Er behandelte die vom Antragsteller als Darlehen vereinnahmten Gelder als sofort zu versteuernde Betriebseinnahmen und änderte den Einkommensteuerbescheid 1979 entsprechend.

Sowohl die Klage der Antragsteller als auch der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des geänderten Einkommensteuerbescheids 1979 hatten Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied durch Beschluß vom 17. April 1986, daß die Vollziehung des geänderten Einkommensteuerbescheids 1979 vom 20. März 1985 . . . bis einen Monat nach Zustellung der die Instanz abschließenden Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt werde.

Mit der Beschwerde rügt das FA die Verletzung sachlichen Rechts. Es beantragt, den Aussetzungsbeschluß des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Denn ein Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses besteht nicht mehr.

Der angefochtene Beschluß enthält lediglich den Ausspruch, daß die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1979 für die Zeit vom 17. April 1986 bis zum 26. Juli 1986 ausgesetzt wird.

Der Beginn dieses Zeitraums (17. April 1986) folgt aus dem Umstand, daß Entscheidungen über die Aussetzung der Vollziehung stets ex nunc wirken (vgl. BFH-Beschluß vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645). Das Ende des Aussetzungszeitraums hat das FG im angefochtenen Beschluß wörtlich auf ,,einen Monat nach Zustellung der die Instanz abschließenden Entscheidung in der Hauptsache (III 73/86)" bestimmt. Dies ist der Ablauf des 26. Juli 1986. Denn die Hauptsacheentscheidung III 73/86 wurde den Verfahrenbeteiligten am 26. Juni 1986 zugestellt.

Die innerhalb dieser Zeitspanne vom FA eingelegte Beschwerde war zunächst zulässig. Mit dem Ablauf des 26. Juli 1986 trat indes Erledigung der Hauptsache ein. Denn von diesem Zeitpunkt an war das FA nicht mehr durch den angefochtenen Beschluß gehindert, den Einkommensteuerbescheid 1979 zu vollziehen. Das FA hätte dementsprechend die Hauptsache für erledigt erklären und Kostenanträge stellen können. Der ab diesem Zeitpunkt gleichwohl aufrechterhaltene Beschwerdeantrag, den Aussetzungsbeschluß aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen, wurde durch das Entfallen der Beschwer des FA unzulässig (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Januar 1978 VII S 13/77, BFHE 124, 22, BStBl II 1978, 157).

Eine Beschwer des FA ist auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung oder Nichtverwirkung von Säumniszuschlägen zu bejahen. Zwar ist in dem Beschluß in BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645 ausgeführt, daß die Aussetzung der Vollziehung der Verwirkung von Säumniszuschlägen entgegensteht mit der Folge, daß trotz eines (zu Recht) bestehenden Steueranspruchs für den Zeitraum einer gewährten Aussetzung der Vollziehung Säumniszuschläge nicht erhoben werden dürfen. Daraus folgt indessen nicht zwingend, daß im Falle der Aufhebung eines gerichtlichen Aussetzungsbeschlusses für die Zeit der vom Gericht zunächst verfügten Aussetzung Säumniszuschläge als verwirkt anzusehen sind. Aus der Rechtsnatur der Säumniszuschläge ergibt sich vielmehr das Gegenteil. Hat ein Gericht die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts für eine bestimmte Zeitspanne verfügt, so werden für diese Zeitspanne auch dann keine Säumniszuschläge verwirkt, wenn der Beschluß über die Aussetzung der Vollziehung nach Ablauf dieser Zeitspanne aufgehoben wird. Denn Säumniszuschläge haben rechtlich und wirtschaftlich die Natur eines Druck- oder Zwangsmittels, das den Steuerpflichtigen anhalten soll, die Steuern rechtzeitig zu entrichten (BFH-Urteile vom 8. November 1955 V 90/55 S, BFHE 61, 521, BStBl III 1955, 399, sowie in BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645). Dieser Zweckrichtung würde es nicht entsprechen, Säumniszuschläge für eine Zeitspanne zu erheben, während deren die Fälligkeit der Steuerschuld durch einen gerichtlichen Aussetzungsbeschluß hinausgeschoben war. Der Senat folgt damit dem Urteil des V. Senats vom 14. September 1978 V R 35/72 (BFHE 126, 9, BStBl II 1979, 58).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414895

BFH/NV 1988, 711

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