Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Familienleistungsausgleichs

 

Leitsatz (NV)

Eine Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Verfassungswidrigkeit des Familienleistungsausgleichs bei einem Alleinverdiener-Ehepaar mit drei Kindern im Veranlagungszeitraum 2003 geltend gemacht wird, ist unzulässig, wenn nicht durch Berechnungen dargelegt wird, dass die bei zusammen veranlagten Ehegatten anzusetzenden Freibeträge von 3.648 Euro je Kind für das sächliche Existenzminimum sowie von 2.160 Euro für den Betreuungs- und Erziehungsaufwand nicht den Vorgaben des BVerfG genügen.

 

Normenkette

EStG §§ 31, 32 Abs. 6; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6, 20

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.08.2007; Aktenzeichen 6 K 1733/05)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute mit drei in den Jahren 1996, 1998 und 2001 geborenen Kindern. Sie wurden für das Jahr 2003 (Streitjahr) erklärungsgemäß zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Günstigerprüfung nach § 31 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergab, dass die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt wurde, so dass Kinderfreibeträge außer Ansatz blieben.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 erhoben die Kläger Einspruch, mit dem sie vortrugen, der Familienleistungsausgleich sei verfassungswidrig. Es bestehe ein Anspruch auf ein Familiensplitting, das zur Folge habe, dass das zu versteuernde Einkommen durch die Zahl der Familienmitglieder zu teilen sei. Auf diese Weise ergäbe sich eine Einkommensteuer von Null Euro. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Beschwerdebegründung genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Grundes für die Zulassung der Revision gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Vor allem sind, sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (z.B. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2003 III B 14/03, BFH/NV 2004, 224). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm gerügt, so hat der Beschwerdeführer nicht nur konkret auf die Rechtsfrage --und damit auf Sinn und Zweck sowie den systematischen Zusammenhang der in Frage stehenden Vorschrift--, sondern u.a. auch darauf einzugehen, von welcher Seite und aus welchen Gründen ein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) angenommen wird (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juli 2002 VIII B 65/02, BFH/NV 2003, 49).

2. Diesen Vorgaben genügen die Ausführungen der Kläger nicht. Ihrem Vorbringen lässt sich entnehmen, dass sie die Frage für grundsätzlich bedeutsam halten, ob der Familienleistungsausgleich bei Familien mit drei Kindern, bei denen nur einer der Ehegatten ein zur Bestreitung des Unterhalts geeignetes Einkommen bezieht, verfassungsgemäß ist, insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und 4 GG. Nach Ansicht der Kläger war im Streitjahr 2003 entweder die Bemessung der Einkommensteuer zu hoch oder das Kindergeld zu niedrig.

a) Die Kläger sind nicht auf die Rechtsprechung eingegangen, der zufolge es aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich ist, dass nach § 31 Satz 1 EStG die steuerliche Freistellung des Existenzminimums von Kindern einschließlich des Betreuungsbedarfs für Erziehung oder Ausbildung entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld nach dem X. Abschnitt des EStG bewirkt wird. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bei seinen Berechnungen, ob ein Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums eines Kindes von der Steuer freigestellt ist, nicht nur den Kinderfreibetrag berücksichtigt, sondern auch das --in einen Freibetrag umgerechnete-- Kindergeld einbezogen (vgl. dazu BVerfG-Beschlüsse vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84 u.a., BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; vom 25. September 1992  2 BvL 5/91 u.a., BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413; vom 10. November 1998  2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174; vom 10. November 1998  2 BvR 1852/97 u.a., BVerfGE 99, 273, BStBl II 1999, 194). Es hat es in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt, ob er die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung durch Steuerfreibeträge oder das Kindergeld herbeiführen will (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, unter C.III.1.; in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, unter C.I.5.c cc). Diese Wahlmöglichkeit hat das BVerfG auch in dem die Betreuung betreffenden Beschluss vom 10. November 1998  2 BvR 1057/91 u.a. (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter C.I.) eingeräumt. Entgegen der Ansicht der Kläger ergibt sich aus der Rechtsprechung des BVerfG kein Anspruch auf ein Familiensplitting (s. BFH-Urteil vom 22. Juli 1997 VI R 114/96, BFHE 183, 549, BStBl II 1997, 697).

b) Die Kläger haben nicht durch Berechnungen dargelegt, dass die bei zusammen veranlagten Eheleuten anzusetzenden Freibeträge von 3 648 € je Kind für das sächliche Existenzminimum sowie von 2 160 € je Kind für den Betreuungs- und Erziehungsaufwand der Höhe nach nicht den Vorgaben des BVerfG genügen (vgl. zum sächlichen Existenzminimum BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413; in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174; in BVerfGE 99, 273, BStBl II 1999, 194; vgl. zum Betreuungsbedarf BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182). Mit der Behauptung, die Bemessung der Einkommensteuer sei bei einem Alleinverdiener-Ehepaar mit drei Kindern in verfassungswidriger Weise überhöht, haben sie die Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht erfüllt.

c) Hinsichtlich des Kindergeldes verkennen die Kläger, dass dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Sozialstaatsprinzip i.V.m. Art. 6 GG nicht das Gebot zu entnehmen ist, Sozialleistungen in einer bestimmten Weise und einem bestimmten Umfang zu gewähren und jegliche die Familien treffenden Belastungen auszugleichen (BFH-Urteil vom 11. März 2003 VIII R 76/02, BFH/NV 2003, 1303). Der Gesetzgeber war lediglich verpflichtet, das nach sozialhilferechtlichen Kriterien zu ermittelnde Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Familie und ab dem Jahr 2000 zusätzlich einen Betreuungsbedarf (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) im wirtschaftlichen Ergebnis von der Einkommensteuer freizustellen. Dementsprechend besteht kein Recht auf Kindergeld in einer bestimmten Höhe (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 66 EStG Rz 4).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2050904

BFH/NV 2008, 2009

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