Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Grundsätzliche Bedeutung; Rügen nach Ablauf der Begründungsfrist; Sachaufklärungsrüge

 

Leitsatz (NV)

1. Fragen, deren Beantwortung maßgebend von der Beurteilung der tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts abhängig sind, sowie Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

2. Die Kriterien, wann und mit welchem Wertansatz eine Forderung bilanzierungsfähig ist, sind geklärt; im Übrigen ist die Entscheidung darüber von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

3. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ist insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung grundsätzlich nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen. Spätere Darlegungen sind dagegen ‐ abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen ‐ nicht zu berücksichtigen.

4. Hat sich das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung auf das Einvernehmen des Klägers mit den Feststellungen der Betriebsprüfung gestützt, besteht für ihn im Klageverfahren Anlass zu eigenen Beweisanträgen, wenn er diese Feststellungen nicht gelten lassen will.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1, § 105 Abs. 5, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Bremen (Urteil vom 18.10.2004; Aktenzeichen 2 K 317/03 (2))

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht den sich aus § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergebenden Anforderungen an ihre Begründung entspricht.

1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben entgegen ihrer Auffassung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht schlüssig (substantiiert) dargetan.

a) Eine solche schlüssige Darlegung erfordert, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles maßgebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt und substantiiert darauf eingeht, inwieweit diese Rechtsfrage im allgemeinen Interesse an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen müssen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (Senatsbeschluss vom 16. April 2002 X B 102/01, BFH/NV 2002, 1045; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32, m.w.N.). Zugleich muss die Beschwerde erkennen lassen, welche vom Einzelfall losgelöste Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Januar 1999 XI B 80/98, BFH/NV 1999, 948). Dagegen sind Einwände, die allein gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils vorgebracht werden, grundsätzlich nicht geeignet, das für das Zulassungsverfahren erforderliche Allgemeininteresse zu indizieren (vgl. Senatsbeschluss vom 28. August 2001 X B 60/01, BFH/NV 2002, 347, m.w.N.). Genauso wenig rechtfertigen Fragen, deren Beantwortung maßgebend von der Beurteilung der tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts abhängt, sowie Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall für sich gesehen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 24, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

b) Nach diesen Maßstäben haben die Kläger die sich aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ergebenden Anforderungen an die Beschwerdebegründung nicht erfüllt. Ihr Vorbringen erschöpft sich weitgehend in einer kritischen Würdigung der Überlegungen und Schlussfolgerungen des Finanzgerichts (FG) und in dem Vorwurf, das FG habe die im Streitfall nach Auffassung der Kläger wegen der Ungewissheit der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin zu verneinende "Frage, ob überhaupt ein Vermögenswert nach Handelsgesetzbuch bei privatrechtlichen Ansprüchen veruntreuter Gelder gegeben sein kann", trotz größter Bedeutung für den Rechtsstreit nicht geprüft. Eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, die der Klärung durch den BFH bedürfte, haben die Kläger damit nicht aufgeworfen, zumal die Kriterien geklärt sind, wann und mit welchem Wertansatz eine Forderung bilanzierungsfähig ist; im Übrigen ist diese Entscheidung von den Umständen des Einzelfalles abhängig.

c) Soweit die Kläger nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist geltend gemacht haben, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Einvernehmen über einen Betriebsprüfungsbericht als Zustimmung zu einer Bilanzierung eines Vermögenswertes angesehen werden könne, muss ihnen entgegengehalten werden, dass die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung grundsätzlich nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen ist. Spätere Darlegungen sind dagegen --abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen-- nicht zu berücksichtigen (Senatsbeschluss vom 30. Juli 2003 X B 152/02, BFH/NV 2003, 1603).

2. Die Beschwerde erfüllt auch insoweit nicht die Anforderungen an ihre Begründung nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, als die Kläger vorbringen, das Urteil des FG leide an dem Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung.

a) Wird --wie im Streitfall-- ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären und welche Beweise zu welchen Beweisthemen das FG von Amts wegen hätte erheben müssen, warum der Beschwerdeführer --sofern er, wie hier, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war-- nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und aus welchen Gründen sich ihm die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (z.B. Senatsbeschluss vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332).

b) Gründe dafür, warum die im finanzgerichtlichen Verfahren durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt haben, um ihrer Darstellung des Sachverhalts Nachdruck zu verleihen, haben sie nicht angeführt. Zu eigenen Beweisanträgen im Klageverfahren bestand umso mehr Anlass, als sich der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) in der Einspruchsentscheidung insoweit auf das Einvernehmen der Kläger mit den Feststellungen der Betriebsprüfung gestützt hat und § 105 Abs. 5 FGO es dem FG ermöglicht, sich auf die Einspruchsentscheidung zu beziehen. Ebenso wenig haben die Kläger dargelegt, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.

3. Der Vorwurf der Kläger, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) verletzt, eine Überraschungsentscheidung getroffen und ohne mündliche Verhandlung entschieden, kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil er erstmals nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erhoben worden ist (vgl. oben unter 1. c). Davon abgesehen hatten die Kläger mit Einreichung der Klage ausdrücklich auf mündliche Verhandlung verzichtet, dem sich das FA anschloss.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1412439

BFH/NV 2005, 1862

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