Entscheidungsstichwort (Thema)

Rüge nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts

 

Leitsatz (NV)

Zur Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts müssen konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Besetzung dargelegt werden.

 

Normenkette

FGO §§ 4, 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1, § 120 Abs. 2 S. 2; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5; DRiG § 29 S. 1; GVG § 21e Abs. 8

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

An der Vorentscheidung, mit der die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) abgewiesen wurde, wirkte neben dem Vorsitzenden Richter am Finanzgericht (FG) X und dem Richter am FG Y als weiterer Berufsrichter Richter am Verwaltungsgericht (VG) Z mit. Im vorbereitenden Verfahren hatte zunächst Richterin am FG A als Berichterstatterin Verfügungen erlassen (27. Februar und 14. Oktober 1991). Die Fristsetzung vom 16. Januar 1992, die dem Verfahrensbevollmächtigten ausweislich der Postzustellungsurkunde am 17. Januar 1992 zugestellt wurde, hatte bereits Richter am VG Z als Berichterstatter unterzeichnet.

Der Kläger hat gegen die Vorentscheidung mit Schriftsatz vom 5. Mai 1992 Revision und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Zur Begründung seiner auf Verfahrensmängel gestützten Revision macht der Kläger geltend, Richter am VG Z sei nicht Richter am FG. Berichterstatterin sei Richterin am FG A gewesen. Außerdem sei ihm das rechtliche Gehör verweigert worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Änderung der Vorentscheidung für 1988 negative Umsatzsteuer in Höhe von ... DM festzusetzen, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin mit Beschluß vom heutigen Tag die Revision zugelassen.

 

Entscheidungsgründe

Die mit Schriftsatz vom 5. Mai 1992 eingelegte Revision ist unzulässig (§§ 124, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Gegen das Urteil des FG steht den Beteiligten die Revision zu, wenn das FG oder der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat (§ 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -). Ohne vorherige Zulassung ist die Revision nur dann zulässig, wenn einer der in § 116 Abs. 1 FGO bezeichneten Verfahrensmängel geltend gemacht wird, wenn also innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO; BFH-Beschlüsse vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568; vom 4. März 1992 II R 48/91, BFH/NV 1993, 30).

a) Wird, wie im Streitfall, die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts gerügt (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO), müssen konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Besetzung dargelegt werden (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1974 I R 40/72, BFHE 114, 85, BStBl II 1975, 232; BFH-Beschlüsse vom 5. März 1970 V R 135/68, BFHE 98, 239, BStBl II 1970, 384; in BFH/NV 1993, 30). Dazu muß der Revisionsführer ggf. eigene Ermittlungen anstellen und auf der Grundlage der ihm erteilten Auskünfte oder der ihm möglichen Einsicht in die Regelungen über die Geschäftsverteilung (§ 4 FGO i.V.m. § 21e Abs. 8 des Gerichtsverfassungsgesetzes) Tatsachen darlegen, die seiner Meinung nach den Besetzungsmangel begründen (BFH-Beschlüsse vom 18. März 1987 V R 96/86, BFH/NV 1987, 591; in BFH/NV 1993, 30).

Solche konkreten Tatsachen hat der Kläger im Streitfall nicht vorgetragen. Nach § 29 Satz 1 des Deutschen Richtergesetzes in der im Zeitpunkt der Vorentscheidung geltenden Fassung darf bei einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr als ein Richter auf Probe oder ein Richter kraft Auftrags oder ein abgeordneter Richter mitwirken (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. November 1969 II R 90/67, BFHE 97, 340, BStBl II 1970, 127). Diese Vorschrift ist nicht verletzt. Daß Richter am VG Z nicht an das FG abgeordnet gewesen wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen. Er hat auch keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich ergeben würde, daß Richter am VG Z nicht zu Recht statt Richterin am FG A an der Vorentscheidung mitgewirkt hätte. Zu dem Berichterstatterwechsel kann es etwa wegen Änderung der Senatsbesetzung zum 1. Januar 1992 gekommen sein. Es ist nicht Sache des BFH, dem ohne entsprechenden Tatsachenvortrag des Klägers nachzugehen. Grundsätzlich ist in der Revision von der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens der Vorinstanz auszugehen (BFH-Beschlüsse in BFHE 98, 239, BStBl II 1970, 384, und in BFH/NV 1993, 30).

Es war dem Kläger zumutbar, zur Frage der vorschriftsmäßigen Besetzung des Senats des FG Ermittlungen anzustellen und sich zur Aufklärung des Sachverhalts an das FG zu wenden (BFH-Beschlüsse in BFHE 98, 239, BStBl II 1970, 384, und in BFH/NV 1993, 30).

b) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs eröffnet die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 FGO nicht (BFH-Beschlüsse vom 8. September 1988 III R 68/88, BFH/NV 1989, 377; vom 17. Januar 1990 IX R 6/89, BFH/NV 1990, 664; vom 28. April 1992 VIII R 31/91, BFH/NV 1992, 685).

2. Durch die Zulassung der Revision durch den Senat mit Beschluß vom 25. März 1993 V B 137/92 wird die vorliegende Revision nicht rückwirkend zulässig (BFH-Beschluß vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419124

BFH/NV 1994, 178

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge