Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlust des Abfindungsbrennrechts bei Steuerhinterziehung

 

Leitsatz (NV)

Ein wegen Steuerhinterziehung in einerBrennerei ergangener und in Rechtskraft erwachsener Strafbefehl stellt ein rechtskräftiges Straferkenntnis, in dem die Steuerstraftat festgestellt wird, i.S. des § 116 a Abs. 1 Nr. 9 BO dar. Es bewirkt kraft Gesetzes den Verlust des Abfindungsbrennrechts. Diese Wirkung kann im finanzgerichtlichen Verfahren nicht durch den Beweis der materiellen Unrichtigkeit des Strafbefehls beseitigt werden.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 2 2. HS, § 235; FGO § 142 Abs. 1; StPO §§ 410-411; ZPO§ 142 Abs. 1; BranntwMonG § 58 S. 1, § 79 Abs. 2, § 80 Abs. 1 S. 1; BO § 116a Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA -) hat die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) auf Zahlung von Branntweinaufschlag und auf Zahlung von Hinterziehungszinsen für die Branntweinaufschlagschuld in Anspruch genommen.

Zur Begründung führte das HZA aus: Die Antragstellerin habe als Inhaberin einer Obstabfindungsbrennerei Steuern dadurch verkürzt, daß sie aus erworbenen Obststoffen Branntwein hergestellt und diesen zur Schonung ihrer eigenen monopolbegünstigten Erzeugungsmenge unter dem Namen des jeweiligen Obsterzeugers als Stoffbesitzer zur Abfindung angemeldet habe, wobei sie zudem zumindest in drei Fällen auf den von den Obsterzeugern blanko unterschriebenen Abfindungsanmeldungen abredewidrig eine größere als die tatsächlich angelieferte Menge an Obststoffen eingetragen habe. Die Steuerhinterziehung sei durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts festgestellt und erwiesen.

Nach erfolglosen Einsprüchen erhob die Antragstellerin Klagen gegen den Steuerbescheid und gegen den Zinsbescheid, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Ihren Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozeßbevollmächtigten als Rechtsanwalt für die beiden Klagen hat das FG wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt. Nach dem bisherigen Klagvortrag und nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten sei eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein vollständiges oder teilweises Obsiegen der Antragstellerin in den Hauptsachen nicht erkennbar.

Hierzu führte das FG im wesentlichen aus, die Brennerei der Antragstellerin habe gemäß § 116 a Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 der Brennereiordnung (BO) wegen der in ihr begangenen Steuerhinterziehung auf Grund des rechtskräftigen Strafbefehls mit dem Zeitpunkt der Begehung der Steuerstraftat kraft Gesetzes die Vergünstigung, unter Abfindung zu brennen, verloren. Für den seit diesem Tag in ihr hergestellten, nach § 58 Satz 1 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) ablieferungspflichtigen Branntwein sei gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG wegen Nichtablieferung die Branntweinaufschlagschuld nach dem regelmäßigen Satz von . . . DM/hl in der Person der Antragstellerin entstanden, wobei der für eine Teilmenge bereits gezahlte ermäßigte Aufschlag nach § 79 Abs. 2 BranntwMonG anzurechnen sei. Für die hinterzogene Steuer seien gemäß § 235 der Abgabenordnung (AO 1977) auch Hinterziehungszinsen zu zahlen.

Einwendungen der Antragstellerin wies das FG zurück. Die Steuerhinterziehung folge aus dem rechtskräftigen Straferkenntnis des Amtsgerichts. Grund und Höhe des Abgabenanspruchs ergäben sich hinreichend deutlich aus den Aufstellungen des HZA in den Anlagen zum angefochtenen Steuerbescheid. Auch sei die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen, da für die hinterzogene Verbrauchsteuer eine zehnjährige Verjährungsfrist gelte (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das Finanzgericht (FG) ist zu Recht davon ausgegangen, daß für die Klagen gegen den Steuerbescheid und gegen den Zinsbescheid keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung).

Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217). Das setzt voraus, daß der Antragsteller das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel dargestellt, insbesondere die hinreichende Erfolgsaussicht mit eigenen Angaben aufgezeigt hat, und zwar durch Darlegungen, aus denen das Gericht erkennen kann, ob und in welchem Umfang die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. Senatsbeschluß vom 2. Juni 1987 VII B 20/87, BFH/NV 1988, 261, m.w.N.). Das FG hat diese Grundsätze bei seiner Entscheidung weder verkannt noch unzutreffend angewandt.

Der Senat ist mit dem FG der Ansicht, daß ein wegen vollendeter Steuerhinterziehung in einer Brennerei ergangener und in Rechtskraft erwachsener Strafbefehl ein rechtskräftiges Straferkenntnis, in dem die Steuerstraftat festgestellt wird, i.S. des § 116 a Abs. 1 Nr. 9 BO darstellt. Das folgt bereits aus § 410 Abs. 3 der Strafprozeßordnung (StPO), wonach ein Strafbefehl, gegen den nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht. Diese Wirkung tritt in allen Fällen ein, in denen strafbares Verhalten zulässigerweise mit einem Strafbefehl gesühnt wird, also auch im Steuerstrafrecht, da für dieses eine Ausnahme gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, das Strafbefehlsverfahren sei nur ein summarisches Verfahren, in dem ohne Hauptverhandlung entschieden werde und hinreichender Tatverdacht für den Erlaß des Strafbefehls ausreiche. Das besondere Verfahren bei Strafbefehlen mit seinen verschiedenen Vereinfachungsmöglichkeiten gegenüber dem normalen Strafverfahren ist nur als Angebot an die Rechtspflegeorgane und an den Angeschuldigten zu verstehen, zügig, ohne größeren Aufwand und ohne Aufsehen in der Öffentlichkeit, Fälle leichterer Kriminalität aus der Welt zu schaffen. Das Angebot braucht nicht angenommen zu werden. Der Antragstellerin hätte es freigestanden, durch Einlegung eines Einspruchs eine Hauptverhandlung und damit das normale Strafverfahren herbeizuführen (§ 410 Abs. 1, 411 Abs. 1 Satz 2 StPO).

Aus welchen Motiven heraus die Antragstellerin die Einlegung des Einspruchs unterlassen hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Da sie sich auf das vereinfachte Verfahren eingelassen und den Strafbefehl angenommen hat, kann auch der Einwand minderer Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens nicht durchgreifen.

Zu Recht hat das FG das Vorbringen der Antragstellerin, die Aussagen der Zeugen, auf die der Steuerbescheid und auch der Strafbefehl gestützt sind, seien falsch, und sie habe gar keine Steuerhinterziehung begangen, für das vorliegende Verfahren zunächst als nicht erheblich angesehen. Es ist zwar richtig, daß nach Rechtskraft eines Strafbefehls in einem Steuerverfahren noch vorgebracht werden kann, der Verurteilte habe die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, nicht begangen. Dem entspricht die ständige Rechtsprechung des BFH, wonach sich das FG in tatsächlicher Hinsicht die Feststellungen eines in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteils nur zu eigen machen darf, wenn die Beteiligten gegen die strafgerichtlichen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen vortragen und keine entsprechenden Beweisanträge stellen, die das FG nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht unbeachtet lassen kann (Senatsurteil vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311; Urteil vom 23. Januar 1985 I R 30/81, BFHE 143, 117, BStBl II 1985, 305; Senatsurteil vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463). Darum geht es hier aber nicht. Auch wenn die Antragstellerin substantiiert und unter ausreichendem Beweisantritt die dem Strafbefehl zugrundeliegenden Feststellungen bestritten hätte, könnte eine entsprechende Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren mit dem von der Antragstellerin gewünschten Ergebnis die Existenz des rechtskräftigen Strafbefehls wegen in einer Brennerei begangener vollendeter Steuerhinterziehung nicht beseitigen. Diese Feststellung der Steuerstraftat durch rechtskräftiges Straferkenntnis bewirkt aufgrund § 116 a Abs. 1 Nr. 9 BO kraft Gesetzes den Verlust des Abfindungsbrennrechts und die daran anknüpfenden steuerrechtlichen Folgen. Diese Bindungswirkung kann im finanzgerichtlichen Verfahren nicht durch den Beweis der materiellen Unrichtigkeit des Strafbefehls beseitigt werden. Hierzu bedürfte es einer Aufhebung des Strafbefehls im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens vor dem Strafgericht (§ 373 a StPO i.V.m. § 359 StPO).

Auch die weiteren vom FG aus dem Verlust des Abfindungsbrennrechts gezogenen Folgerungen, gegen die die Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz keine Angriffe mehr geführt hat, begegnen keinen Bedenken. Hinsichtlich der zehnjährigen Festsetzungsverjährung wegen Steuerhinterziehung greift zwar die aufgezeigte Bindungswirkung nicht. Gleiches gilt auch hinsichtlich der für die Anwendung des § 235 AO 1977 vorausgesetzten Steuerhinterziehung. Der Senat kann aber die Darlegungen der Antragstellerin in der Vorinstanz selbst daraufhin überprüfen, ob sie nach den Maßstäben der genannten Rechtsprechung zu einem Erfolg des Antrags auf PKH hätten führen müssen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß im Streitfall zur Darlegung einer hinreichenden Erfolgsaussicht hinsichtlich der Angaben über die rechtlich bedeutsamen Tatsachen ein schlüssiges Vorbringen mit Beweisantritt erforderlich gewesen wäre, infolgedessen eine Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren ernstlich zu erwägen wäre (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1988, 261, m.w.N.). Diesen Anforderungen werden die Darlegungen der Antragstellerin nicht gerecht.

Das pauschale Vorbringen, in nahezu allen Fällen seien die belastenden Aussagen der Zeugen nur deshalb zustandegekommen, weil sie von der Zollfahndung bedroht und eingeschüchtert worden seien und sie sich bei wahrheitsgemäßer Aussage selbst strafbar gemacht hätten, reicht für die erforderliche substantiierte Darlegung nicht aus. Dazu hätte die Antragstellerin etwa die Zeugen benennen und auch ausführen müssen, weshalb der einzelne Zeuge bezogen auf den jeweiligen Sachverhalt falsch ausgesagt hat, und darüber hinaus auch darlegen müssen, was jeder künftig aussagen würde, falls er im Hauptverfahren als Zeuge vernommen würde. Das ist auch in Anbetracht dessen, daß es im PKH-Verfahren in der Regel nicht zu einer Beweisaufnahme kommt, keine überflüssige Förmelei, denn ohne derartige Angaben ist im Streitfall die Annahme einer Erfolgsaussicht deshalb nicht möglich, weil es an der erforderlichen Grundlage für die Beurteilung der Frage fehlt, ob der Strafbefehl auf falschen Zeugenaussagen beruht und ob im finanzgerichtlichen Verfahren mit anderen für die Antragstellerin günstigen Zeugenaussagen gerechnet werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423100

BFH/NV 1993, 4

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