Leitsatz (amtlich)

Ist ein Rechtsstreit nach Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids wegen rückwirkender Erweiterung einer Befreiungsvorschrift in der Hauptsache erledigt, hat die Behörde die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Normenkette

FGO §§ 137, 138 Abs. 2

 

Tatbestand

FA - Beklagter - und FG hatten die vom Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in der Fassung vom 3. Februar 1967 - GrEAgrarG - (BVBl 29) beantragte Befreiung eines Grundstückserwerbs durch Vertrag vom 23. September 1967 abgelehnt, da der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb unstreitig verpachtet habe und deshalb nicht "Landwirt im Hauptberuf" im Sinne dieser Vorschrift sei.

Gegen das Urteil des FG legte der Kläger Revision ein.

Nachdem die Grunderwerbsteuerfreiheit gemäß Art. 2 § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Änderungen der Unternehmensform (GrEStUwG) und zur Änderung grunderwerbsteuerlicher Vorschriften vom 25. März 1970 - ÄndG 1970 - (GVBl 86) auch auf Fälle wie den vorliegenden erstreckt wurde, und zwar - hinsichtlich des Verpächters als Landwirt oder Forstwirt - rückwirkend ab 8. Februar 1967, hat der Beklagte den angefochtenen Steuerbescheid ersatzlos aufgehoben. Die Parteien haben übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, jedoch jeweils beantragt, die Kosten des Verfahrens der anderen Partei aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Beklagte stützt seinen Antrag zu Unrecht auf § 138 Abs. 2 Satz 3 FGO.

Nach § 137 Satz 1 FGO können die Kosten ganz oder teilweise einem Beteiligten auch dann auferlegt werden, wenn er obgesiegt hat, die Entscheidung aber auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen oder beweisen können und sollen; nach § 137 Satz 2 FGO können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Beide Alternativen treffen nicht zu. Es kommt nicht - wie der Beklagte meint- darauf an, ob er nach den seinerzeit geltenden Vorschriften die Grunderwerbsteuer ursprünglich ohne Rechtsfehler festgesetzt hatte und die durch die Gesetzesänderung bedingte Rücknahme des angefochtenen Steuerbescheides nicht zu vertreten hat. Für die sinngemäße Anwendung des § 137 FGO (§ 138 Abs. 2 Satz 3 FGO) in den Fällen des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO ist lediglich entscheidend, ob der Kläger die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen früher hätte geltend machen können und sollen. Abgesehen davon, daß man (auch bei sinngemäßer Anwendung) bei einer rückwirkenden Änderung einer Befreiungsvorschrift nicht von einer "Tatsache" im Sinne dieser Kostenvorschriften sprechen kann, hätte der Kläger das (rückwirkende) Inkrafttreten des o. a. ÄndG vom 25. März 1970 nicht früher geltend machen können als zu diesem Zeitpunkt; er hat es bereits mit Schriftsatz vom 20. März 1970 getan und in der Revisionsbegründung vom 27. April 1970 wiederholt. Daß aber das Streitverfahren und die damit verbundenen Kosten bei rückwirkender Erweiterung einer Befreiungsvorschrift durch den Gesetzgeber nicht auf einem Verschulden des Klägers beruhen, bedarf keiner näheren Darlegungen. Wegen der rückwirkenden Gesetzesänderung hätte der Senat den neuen Rechtszustand berücksichtigen und dem Begehren des Klägers sachlich entsprechen müssen. Es verbleibt deshalb bei dem mit § 135 Abs. 1 FGO übereinstimmenden Grundsatz des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO, daß bei Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache durch Rücknahme des angefochtenen Steuerbescheides die Verfahrenskosten dem Beklagten aufzuerlegen waren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69176

BStBl II 1971, 3

BFHE 1971, 293

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