Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung bei Streit über die Höhe des Veräußerungsgewinns

 

Leitsatz (NV)

Zu dem Klageverfahren eines Gesellschafters gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid, in dem nur die Höhe des für diesen festgestellten Veräußerungsgewinns aus der Auflösung eines negativen Kapitalkontos streitig ist, sind die übrigen Gesellschafter nur beizuladen, wenn die Entscheidung des Finanzgerichts Auswirkungen auf die Höhe ihres Gewinnanteils haben kann.

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1, § 60 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Beigeladene zu 4 und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) war Kommanditist der X-GmbH & Co. KG (KG).

Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war die X-GmbH (GmbH). Als Kommanditisten waren im Streitjahr 1979 neben dem Beschwerdeführer der während des Klageverfahrens verstorbene R und die Beigeladenen zu 1 bis 3 an der KG beteiligt.Ü

ber das Vermögen der KG wurde am 20. Februar 1979 das Konkursverfahren eröffnet, das bisher nicht abgeschlossen ist. Da die KG für das Streitjahr 1979 keine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns eingereicht hatte, stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) im Gewinnfeststellungsbescheid vom 2. April 1985 einen geschätzten laufenden Gewinn 1979 von 10 000 DM sowie Gewinne aus der Auflösung der negativen Kapitalkonten der Kommanditisten in Höhe der sich aus der Bilanz auf den 31. Dezember 1978 ergebenden Beträge fest.

Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1979 vom 2. April 1985 legten R und die übrigen Kommanditisten Einspruch ein.

Der Einspruch des R hatte insoweit Erfolg, als für den (geringfügig geminderten) Veräußerungsgewinn der ermäßigte Steuersatz des § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährt wurde.

Mit der Klage beantragt die Klägerin als Rechsnachfolgerin des R sinngemäß, den Gewinnfeststellungsbescheid 1979 vom 2. April 1985 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 1989 dahingehend abzuändern, daß für R ein Gewinnanteil in Höhe von ... DM als Veräußerungsgewinn i. S. von § 34 EStG festgestellt wird.

Zur Begründung des Klageantrags hat sie vorgetragen, bei der Gewinnfeststellung sei der Gewinn des R aus der Auflösung seines negativen Kapitalkontos zu vermindern um den Verlust seines positiven Kapitalkontos in der "Ergänzungsbilanz" auf den 31. Dezember 1976. Bei diesem Betrag, der in den folgenden Jahren unverändert geblieben sei, handele es sich im wesentlichen um Forderungen des R gegen seine Mitgesellschafter, die Beigeladenen zu 2 und 3, aus der entgeltlichen Übertragung von Teilen seines Gesellschaftsanteils. R habe durch Vertrag vom 17. Dezember 1970 Anteile an seiner Kommanditeinlage und seiner weiteren Geschäftseinlage von je ... DM an die Beigeladenen zu 2 und 3 und eine weitere Person übertragen. Zugleich habe er diesen Personen je 25 v. H. seiner Beteiligung am Stammkapital der GmbH abgetreten. Der Kaufpreis für die Anteilsübertragungen in Höhe von insgesamt ... DM sei den Erwerbern gestundet worden. Durch eine weitere Vereinbarung vom 20. Dezember 1973 sei der Beigeladene zu 4 als Kommanditist in die KG eingetreten, indem er Anteile an den Kommanditbeteiligungen der Beigeladenen zu 2 und 3 erworben habe; der Kaufpreis sei auf der Grund lage des Vertrages vom 17. Dezember 1970 bemessen und ebenfalls gestundet worden.

Das Finanzgericht (FG) hat durch Beschluß vom 4. August 1994 die übrigen Kommanditisten der KG gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Klageverfahren beigeladen. Die Beiladung dieser Gesellschafter sei erforderlich, da die Entscheidung über die Klage des R nur einheitlich gegenüber allen klagebefugten Gesellschaftern ergehen könne. Eine Beiladung der übrigen Kommanditisten sei auch deshalb geboten, weil die mit der Klage begehrte Berücksichtigung des positiven Kapitalkontos in der "Ergänzungsbilanz" des R bei der Ermittlung seines Gewinnanteils bei den Beigeladenen zu 2 bis 4 eine entsprechende Erhöhung ihres Veräußerungsgewinns in Höhe des in ihren Ergänzungsbilanzen ausgewiesenen Minderkapitals zur Folge haben müsse.

Gegen den Beiladungsbeschluß richtet sich die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.

Der angefochtene Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung sei gegenüber dem Beschwerdeführer bestandskräftig geworden. Der Zweck der notwendigen Beiladung könne deshalb gegenüber dem Beschwerdeführer, der im übrigen die sich aus der Auflösung seines negativen Kapitalkontos ergebende Einkommensteuer bereits entrichtet habe, nicht mehr erreicht werden.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, den Beschluß vom 4. August 1994 insoweit aufzuheben, als darin seine Beiladung zum Klageverfahren des R angeordnet worden ist.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beiladungsbeschlusses, soweit das FG den Beschwerdeführer am Verfahren beteiligt hat.

Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung des Beschwerdeführers zum Klageverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1979 sind nicht erfüllt.

Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte notwendig zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 60 Rz. 24 m. w. N.). Eine derartige Beteiligung des Beschwerdeführers am vorliegenden Rechtsstreit ist nicht gegeben, da der Ausgang des Klageverfahrens keine unmittelbaren Auswirkungen auf seine Rechtsstellung hat; die Höhe seines Gewinnanteils kann durch die Entscheidung des FG nicht verändert werden.

Gegenstand des beim FG anhängigen Klageverfahrens ist nur noch die Frage, ob der für den verstorbenen Gesellschafter R festgestellte Veräußerungsgewinn aus der Auflösung seines negativen Kapitalkontos um den Betrag seines positiven Kapitals in der als "Ergänzungsbilanz" bezeichneten Sonderbilanz auf den 31. Dezember 1976 zu vermindern ist (zum Begriff des Streitgegenstandes im Klageverfahren gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544). In dieser Sonderbilanz (vgl. zur Unterscheidung der Sonder- von der Ergänzungsbilanz: L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 15 Anm. 65 ff.) sind als Aktivposten außer der Beteiligung des R an der GmbH die gestundeten Kaufpreisforderungen (einschließlich der Zinsansprüche) aus der Veräußerung von Bruchteilen seines Mitunternehmeranteils an die Beigeladenen zu 2 und 3 im Jahre 1970 in Höhe von je ... DM ausgewiesen.

Bei einem Erfolg der Klage würde sich der festgestellte Veräußerungsgewinn des R aus dem "Wegfall" seines negativen Kapitalkontos in der Gesellschaftsbilanz um den Betrag seines Kapitals in der Sonderbilanz vermindern. In gleicher Höhe würde sich der Verlust der Komplementär-GmbH verringern (BFH-Urteil vom 12. November 1992 IV R 105/90, BFH/NV 1993, 315 m. w. N.); die Komplementär-GmbH ist deshalb grundsätzlich zu einem Klageverfahren des Kommanditisten wegen der Höhe seines Gewinnanteils aus der Auflösung des negativen Kapitalkontos beizuladen. Die Beiladung kann nur dann unterbleiben, wenn die GmbH -- wie im Streitfall -- vom Ausgang des Rechtsstreits unter keinem denkbaren steuerrechtlichen Gesichtspunkt betroffen ist (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1981 I R 93/77, BFHE 135, 271, BStBl II 1982, 474). Die übrigen Kommanditisten sind zum Rechtsstreit nur beizuladen, wenn sich dadurch die Höhe ihres Gewinnanteils ändern kann. Der Senat hat in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob er sich der Auffassung des FG im angefochtenen Beschluß anschließen könnte, daß eine Herabsetzung des für R festgestellten Veräußerungsgewinns notwendig zu einer entsprechenden Erhöhung der für die Beigeladenen zu 2 und 3 festgestellten Veräußerungsgewinne um das in ihren Sonderbilanzen ausgewiesene negative Kapital führen müsse. Gegen diese Ansicht ließe sich einwenden, daß das Bilanzrecht keinen Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung von Forderungen und Verbindlichkeiten kennt.

Jedenfalls hat der Ausgang des Rechtsstreits keine Auswirkungen auf den Gewinnanteil des Beschwerdeführers. Das in der Sonderbilanz des Beschwerdeführers auf den 31. Dezember 1976 ausgewiesene negative Kapital beruht nicht auf dem im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Rechtsverhältnis (der Forderung des R gegen die Beigeladenen zu 2 und 3 aus der Veräußerung von Teilen seines Mitunternehmeranteils im Jahre 1970), sondern auf der Verbindlichkeit des Beschwerdeführers gegenüber den Beigeladenen zu 2 und 3 aus dem Erwerb seines Mitunternehmeranteils im Dezember 1973. Über die Frage, welche steuerrechtlichen Folgen sich aus diesem Rechtsvorgang bei der Gewinnfeststellung für das Streitjahr ergeben, hat das FG im anhängigen Klageverfahren nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Das FA hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt und ist somit im Beschwerdeverfahren unterlegen (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Juli 1987 VIII B 203/86, BFH/NV 1988, 101).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420770

BFH/NV 1995, 1078

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