Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung wegen richterlicher Meinungsäußerung über die Erfolgsaussicht der Klage

 

Leitsatz (NV)

Rät ein Berufsrichter zur Rücknahme der Klage, weil der mit ihr verfolgte Vorsteuerabzug nicht gegeben sei, solange keine Rechnung vorgelegt werden könne, ist die Äußerung als Hinweis zu verstehen, welche Voraussetzungen für einen Klageerfolg vorliegen müssen.

 

Normenkette

FGO § 51; UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) machte in dem Verfahren .../91 vor dem Finanzgericht (FG) geltend, der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 1982 sei rechtswidrig, weil Vorsteuerbeträge von insgesamt ... DM aus Rechnungen über die Zahlung eines Vertrauensschadens nach der Anfechtung eines Grundstückskaufvertrages und wegen der Zahlung von Anwaltskosten von dem Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nicht berücksichtigt worden seien. Außerdem war bei dem I.Senat des FG ein Rechtsstreit wegen Feststellung der Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung anhängig. Der Schriftwechsel der Klägerin mit dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des I.Senats über die Anforderung u.a. der Akten im Verfahren ... vor dem Oberlandesgericht (OLG) A/Landgericht G, die Akte des FA B über die Beschwerde betr. C, die Akte des FA D in der Strafsache des Prozeßbevollmächtigten und die Akte der Oberfinanzdirektion (OFD) E und des ... Finanzministeriums wegen Dienstaufsichtsbeschwerden gelangte nach dem 20. Februar 1992 zu den Akten des V.Senats. Dieser zog die Akten des Landgerichts G, die sich bei den Akten im Verfahren I... befanden, bei, forderte aber keine der übrigen erwähnten Akten an.

Am 25. Februar 1992 beraumte der Richter am FG F (RiFG F) als ständiger Vertreter der Vorsitzenden Termin zur mündlichen Verhandlung in der Sache .../91 auf den 19. März 1992 an und gab einem Antrag des Prozeßbevollmächtigten vom 9. März 1992 auf Terminsverlegung nicht statt. Die Klägerin lehnte den RiFG F darauf wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung machte sie geltend: Der Richter kenne die Akten des ... Finanzministeriums wegen der Dienstaufsichtsbeschwerden, wisse, daß der Ablauf der Festsetzungsverjährung wegen Umsatzsteuer 1982 durch Feststellung von Steuerhinterziehung unterbrochen werden solle und wolle im Zusammenwirken mit dem FA die Aussetzung des Verfahrens vor dem FG bis zur Beendigung des Verfahrens wegen Steuerhinterziehung verhindern. Der abgelehnte Richter habe vermutlich informellen Kontakt mit dem FA gehabt und in dessen Interesse einen möglichst nahen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Er habe der Klägerin sogar zur Rücknahme der Klage geraten, weil sie keine Rechnung über die begehrten Vorsteuerabzugsbeträge besitze.

Nachdem der RiFG F in seiner dienstlichen Äußerung ausgeführt hatte, er habe den Termin zur mündlichen Verhandlung ohne Kontaktaufnahme mit dem FA terminiert, ihm seien nur die in den Gerichtsakten .../91 (Bl.40-49) enthaltenen Schreiben des ... Finanzministeriums, der OFD E und des Vorstehers des FA D, die dem Schriftsatz des FA vom 25. November 1991 beigefügt worden waren, bekannt, und er habe dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in einem Gespräch vom 2. März 1992 erklärt, daß der Senat sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 19. März 1992 würdigen werde, lehnte das FG das Ablehnungsgesuch ab, weil die Klägerin keine Gründe vorgebracht habe, die Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters rechtfertigten. Die Klägerin habe nur Behauptungen aufgestellt und diese nicht durch Einzelheiten belegt.

Die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs stützt die Klägerin auf die Aussage des RiFG F, die Klage solle zurückgenommen werden, weil sie keine Aussicht auf Erfolg habe. In diesem Zusammenhang führt die Klägerin Fundstellen aus der Literatur an, in denen das Verhalten eines Berichterstatters beim FG erörtert wird.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die Ablehnungsanträge rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.

Eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein Anlaß vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung). Gründe für ein derartiges Mißtrauen sind vorhanden, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555 m.w.N.).

Die Ablehnung des RiFG F war selbst dann unbegründet, wenn das unsubstantiierte und nicht glaubhaft gemachte Beschwerdevorbringen der Klägerin durch ihren Vortrag vor dem FG sinngemäß ergänzt und unterstellt wird, der abgelehnte Richter habe zur Rücknahme der Klage geraten, weil die Klägerin keine Rechnung besitze, in denen die begehrten Vorsteuerbeträge gesondert ausgewiesen worden seien. Unter diesen Umständen gibt die Äußerung des Richters die materielle Rechtslage zum Vorsteuerabzug zutreffend wieder (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Die Äußerung enthält zugleich den hilfreichen Hinweis für die Klägerin, welche Voraussetzungen sie vor der mündlichen Verhandlung für den Erfolg ihrer Klage schaffen müßte. Es ist weder erkennbar, weshalb der abgelehnte Richter gegenüber der Klägerin voreingenommen gewesen sein könnte, noch ist der Äußerung zu entnehmen, daß der Richter den Senat in einer Weise festgelegt hätte, daß jeder weitere Vortrag zwecklos erschiene.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419237

BFH/NV 1994, 482

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